Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Kosten für die Verpackung von Zeitschriften, die eine vom Verlage mit der Versendung der Zeitschriften beauftragte Druckerei nach Durchführung des Druckes vornimmt, sind abzugsfähige Versendungsauslagen im Sinne des § 5 Abs. 4 Ziff. 1 UStG, wenn das Verpacken hauptsächlich eine Sortier- und Verteilungsmaßnahme vor dem Versenden ist.
Die Gewährung einer Gewinnaussicht bei der Veranstaltung eines Preisausschreibens in einer Zeitschrift ist eine Nebenleistung bei Lieferung der Zeitschrift; das gesamte für die Zeitschrift vereinnahmte Entgelt ist umsatzsteuerpflichtig.
Normenkette
UStG § 5 Abs. 4 Ziff. 1, § 4 Ziff. 9, § 4/9/b; UStDB § 54 Abs. 1
Tatbestand
Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist nur noch streitig:
I. ob die Kosten für die Verpackung von Zeitschriften, die eine vom Verlage mit der Versendung von Zeitschriften beauftragte Druckerei nach Durchführung des Druckes vornimmt, abzugsfähige Versendungsauslagen im Sinne des § 5 Abs. 4 Ziff. 1 UStG sind,
II. ob die Veranstaltung von Preisausschreiben in Zeitschriften nach § 4 Ziff. 9 UStG umsatzsteuerfrei ist.
Entscheidungsgründe
I. -
Die Steuerpflichtige (Stpfl.) ließ die von ihr verlegte Zeitschrift "X." im Jahre 1949 bei der Firma A. in B. drucken. Die gedruckte Auflage wurde jeweils von einem Redaktionsmitglied mit dem Versandleiter der Stpfl. nach Prüfung der Druckausführung und der Zahl der bestellten Hefte "in Empfang genommen" und alsdann der Druckerei zum Versand zurückgegeben. Die Druckerei machte die Hefte an Hand eines Versandplanes der Stpfl., der Angaben über Empfänger, Stückzahl und Absendetag enthielt, mit eigenem Personal versandfertig, indem sie die Zeitschriften für die einzelnen Großabnehmer bündelte, verpackte und mit Anschriften versah und auch die Kleinsendungen für die Post vorbereitete. Im Anschluß daran brachte sie die Pakete zwecks Weiterbeförderung an die Leser mit eigenen Fahrzeugen zur Bahn, zur Post oder zu Speditionsfirmen. Abnehmern in B. und Umgebung fuhr sie die Zeitschriften zum Teil selbst zu.
Die Stpfl. hält die Verpackungskosten als Auslagen für die Versendung von Lieferungsgegenständen unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs II 29/51 U vom 2. Juli 1951 (BStBl 1951 III S. 155, Slg. Bd. 55 S. 392) für absetzbar. Die Vorinstanzen versagten den Abzug, weil die Kosten des Versandfertigmachens nicht zu den nach § 5 Abs. 4 Ziff. 1 UStG abzugsfähigen Auslagen gehörten; das angezogene Urteil treffe auf den vorliegenden Fall nicht zu. Die hiergegen von der Stpfl. eingelegte Rb. ist begründet.
Nach § 5 Abs. 4 Ziff. 1 UStG in Verbindung mit § 49 Abs. 1 UStDB 1938 (ß 54 Abs. 1 UStDB 1951) kann der Unternehmer die Auslagen, die ihm dadurch entstehen, daß er den Gegenstand der Lieferung an den Abnehmer oder in dessen Auftrag an einen Dritten versendet, ohne Rücksicht auf die Art der Errechnung des Preises von dem Entgelt für die steuerpflichtige Lieferung abziehen, soweit er die Auslagen bei der Abrechnung dem Abnehmer kenntlich macht. Zu den Versendungsauslagen im Sinne dieser Vorschrift gehören grundsätzlich die Verpackungskosten (= Kosten für das Verpackungsmaterial und für die Verpackungstätigkeit) nicht (Urteil des Reichsfinanzhofs V A 958/31 vom 21. April 1932, Steuerrechtsprechung in Karteiform 1932 § 8 Abs. 5 Rechtsspruch 3). Das ergibt sich - wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat - aus der Entwicklungsgeschichte des § 5 Abs. 4 UStG. Während im § 5 Abs. 1 Satz 1 UStG 1918 von Auslagen für die Versendung gesprochen wurde, wurde in § 8 Abs. 5 UStG 1919 der Ausdruck "Beförderung" gebraucht. Dadurch sollte klargestellt werden, daß nur die Auslagen für die eigentliche Beförderung, das heißt für die Fortbewegung der Ware vom Abgangsort zum Bestimmungsort, nicht dagegen die Kosten des Verpackungsaktes, abzugsfähig seien (vgl. Popitz, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, 3. Aufl., S. 759 und 760). Nur, weil man unter "befördern" eine Bewegung der Ware durch den Unternehmer selbst versteht und der Ausdruck infolgedessen zu Mißverständnissen führen konnte, wurde - ohne änderung der materiellen Rechtslage - in § 5 Abs. 4 UStG 1951 das Wort "Beförderung" wieder durch das Wort "Versendung" (= befördern lassen) ersetzt.
Eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß Verpackungskosten keine Versendungskosten sind, besteht nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs II 29/51 U vom 2. Juli 1951 (BStBl 1951 III S. 155, Slg. Bd. 55 S. 392) für den Sonderfall des Postzeitungsvertriebes. Bei diesem übernimmt auf Antrag des Verlegers die Post die "Verpackung" der Zeitungen zwecks Versendung. Das Verlagspostamt erhält die Zeitungen vom Verleger in Bündeln gleicher Stückzahl und packt sie zur Weiterleitung an die einzelnen Zustellpostämter um, so daß die Zeitungen für jedes Zustellpostamt in Bündeln vereinigt sind. Der Bundesfinanzhof hat in dem Bündeln und Verpacken der Zeitungen und in dem Adressieren der Pakete an die einzelnen Zustellpostämter - ähnlich wie bei dem Aussortieren anderer Sendungen (zum Beispiel Briefe) - in der Hauptsache eine Verteilungsmaßnahme erblickt, die unmittelbar der Beförderung dient. Auch das Einhüllen der Bündel in Umschlagpapier und ihr Verschnüren geschehe in erster Linie zu dem gleichen Zwecke, nämlich dem der Sortierung. Daß die Umhüllung dazu beitrage, die Zeitungen vor Beschädigung während der Beförderung zu schützen, sei daneben von untergeordneter Bedeutung. Der Senat schließt sich dieser rechtlichen Beurteilung der "Verpackung" im Rahmen des Postzeitungsvertriebes an.
Es ist der Stpfl. zuzugeben, daß das Verpacken der Zeitschriften seitens der Druckerei in ganz ähnlicher Weise vor sich geht wie bei der Post. Auch in der Druckerei werden die Zeitschriften vor dem eigentlichen Verpackungsakt nach bestimmten Stückzahlen gebündelt. Daß die Bündelung hauptsächlich dazu dient, dem Versandleiter der Stpfl. das Abzählen der bestellten Hefte zu erleichtern, ist unbeachtlich. Ohne Bedeutung ist ferner, daß die Bündel beim Verlagspostamt mit Umschlagpapier versehen und verschnürt eingehen. Das hängt lediglich damit zusammen, daß die Zeitungen bzw. Zeitschriften beim Postzeitungsvertrieb zum Verlagspostamt gebracht werden müssen, während sie bei der Druckerei, die sie hergestellt hat, bereits vorliegen. Auch die Post verpackt die Zeitungen und Zeitschriften für den Versand erstmalig. Das Verpacken durch den Verlag nach bestimmten Stückzahlen ist nur eine vorläufige Maßnahme für die Ablieferung bei der Post, durch die die Zeitungen und Zeitschriften keineswegs "versandfertig" werden. Das Bündeln, Verpacken, Verschnüren und Adressieren der Zeitschriften vor ihrer Absendung durch die Druckerei ist ebenso eine Sortierungs- und Verteilungsmaßnahme wie der entsprechende Vorgang beim Verlagspostamt.
Die Vorinstanzen sehen das Verpacken als eine Nebenleistung zur Herstellung der Zeitschriften durch die Druckerei an. Dem könnte nur gefolgt werden, wenn es zwecks Zusendung der Druckerzeugnisse an die Stpfl. geschehen wäre. Da die Druckerei den Auftrag hatte, die Zeitschriften nicht nur herzustellen, sondern auch zu versenden, ist das Verpacken als Nebenleistung nicht der bereits abgeschlossenen Herstellung, sondern entsprechend dem natürlichen Ablauf der Dinge der noch bevorstehenden Versendung zuzurechnen.
Liegt somit der Sachverhalt im Streitfalle in allen wesentlichen Punkten ebenso wie beim Postzeitungsvertrieb, so ist nicht einzusehen, warum das "Verpacken" (= "Versandfertigmachen") in der Druckerei, wenn sie außer als Hersteller der Zeitschriften auch als Frachtführer oder Spediteur auftritt, umsatzsteuerrechtlich anders behandelt werden soll als bei der Post. Die Druckerei vollbringt mit dem Versandfertigmachen in Verbindung mit dem Versenden der Zeitschriften die gleiche Leistung wie ein hiermit besonders beauftragter berufsmäßiger Frachtführer bzw. Spediteur. Es ist jedoch anerkannten Rechtes, daß der Beförderer das Fracht- oder Speditionsgewerbe nicht berufsmäßig auszuüben braucht. Es genügt für die Anwendung des § 5 Abs. 4 Ziff. 1 UStG, wenn er als selbständiger Unternehmer gelegentlich oder auch nur in dem gerade vorliegenden Falle vom Lieferer mit der Durchführung der Beförderung oder Versendung beauftragt worden ist.
Um Irrtümer auszuschließen, sei nochmals besonders darauf hingewiesen, daß die Ausnahme von dem Grundsatz, daß Verpackungskosten keine Versendungsauslagen im Sinne des § 5 Abs. 4 Ziff. 1 UStG sind, nur gilt, wenn das Verpacken hauptsächlich eine Sortier- und Verteilungsmaßnahme vor dem Versenden ist.
II. - Die Stpfl. hat in einem Heft des Jahrgangs 1949 der "X." ein Preisausschreiben veranstaltet. Sie hat (erstmals) im Berufungsverfahren geltend gemacht, die dabei getätigten Umsätze fielen unter das Rennwett- und Lotteriegesetz und seien daher gemäß § 4 Ziff. 9 UStG umsatzsteuerfrei. Die Vorinstanz hat diesem Begehren dem Grunde nach stattgegeben. Das Finanzamt hat gegen die Freistellung des der Lotteriesteuer unterworfenen Teils der Entgelte für die Lieferung der Zeitschrift Rb. eingelegt. Auch dieser Rb. ist der Erfolg nicht zu versagen.
Eine Zeitschrift, die sich an einen größeren Leserkreis wendet, muß sich in ihrem Inhalt dem Geschmack möglichst vieler Teile des Publikums anpassen. Sie bringt daher Bilder vom Tagesgeschehen, aus Kunst, Wissenschaft und Mode sowie aus anderen aktuellen Lebensbereichen, Tatsachenberichte, Romane, Reklameanzeigen und anderes mehr und von Zeit zu Zeit auch Preisausschreiben. Alle diese Einzelteile zusammen bilden die Zeitschrift. Nicht ihre Einzelteile, sondern die Zeitschrift als Ganzes ist Gegenstand des vom Verlag getätigten Umsatzes. Für diesen einheitlichen Umsatz wird auch nur ein Preis, nämlich der übliche Kaufpreis für das betreffende Heft, gezahlt. Die Lieferung einer Zeitschrift kann nicht entsprechend ihrem jeweiligen Inhalt umsatzsteuerrechtlich in Einzelleistungen zerlegt werden. Die in längeren Zeitabständen in die Zeitschriften aufgenommenen Preisausschreiben dienen hauptsächlich Werbezwecken des Verlages. Es sollen auch diejenigen Leserkreise angesprochen und, soweit sie Abonnenten der Zeitschrift sind, zufriedengestellt werden, die sich für solche Preisausschreiben interessieren, sei es, daß es ihnen Freude macht, Fragen des Preisausschreibens richtig zu beantworten, sei es, daß sie sich einen Gewinn versprechen. Die Einräumung der Gewinnchance kann nur als Nebenleistung zur Lieferung der Zeitschrift gewertet werden. Sie ist in jedem Falle davon abhängig, daß der Teilnehmer am Preisausschreiben das Heft, in dem das Ausschreiben enthalten ist, in seinem gesamten Umfang als Sache erlangt. Die Ansicht der Stpfl., es sei umgekehrt die Zeitschriftenlieferung als Nebenleistung und die Einräumung der Gewinnhoffnung als Hauptleistung anzusehen, trifft nicht zu. Es unterliegt keinem Zweifel, daß die Masse der Leserschaft, insbesondere der weitaus überwiegende Teil der Abonnenten, eine Zeitschrift in erster Linie wegen ihres Inhalts kauft. Die Einräumung der Gewinnchance kann nicht dadurch zur Hauptleistung werden, daß ein Teil der Käufer durch das Preisausschreiben zum Kaufe der Zeitschrift angeregt wird. Zutreffend weist das Finanzamt darauf hin, daß eine entgegengesetzte Handhabung dazu führen würde, wirtschaftliche Vorgänge nicht nach ihrem Ablauf, sondern nach den nicht erkennbaren Motiven des Käufers zu beurteilen.
Es gilt im Umsatzsteuerrecht der Grundsatz, daß Nebenleistungen das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Hieraus hat der Reichsfinanzhof den Schluß gezogen, daß beim Zusammentreffen von Umsatzsteuer mit den im § 4 Ziff. 9 UStG genannten Verkehrsteuern Umsatzsteuerfreiheit nicht in Betracht kommt, wenn nur eine Nebenleistung, nicht auch die Hauptleistung, unter das betreffende Verkehrsteuergesetz fällt (so Urteile des Reichsfinanzhofs V 63/39 vom 17. Mai 1940, RStBl 1940 S. 678, betreffend Beförderungsteuer, und V 158/39 vom 31. Oktober 1940, RStBl 1940 S. 1059, betreffend Versicherungsteuer). Das Finanzgericht, das diese Urteile selbst anführt, lehnt diese Schlußfolgerung ab, weil der obige Grundsatz nicht gelten könne, wenn das Gesetz ausdrücklich etwas anderes anordne. Eine solche gesetzliche Vorschrift sei § 4 Ziff. 9 UStG. Diese Beweisführung vermag nicht zu überzeugen. Unter den Umsätzen im Sinne des § 4 Ziff. 9 UStG sind nicht die Nebenleistungen, sondern die Hauptleistungen, die die Nebenleistungen in sich schließen, gemeint. Die Hauptleistung des Streitfalles, nämlich die Lieferung einer Zeitschrift, ist kein Umsatz, der unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fällt, selbst dann nicht, wenn die gelieferte Zeitschrift ein Preisausschreiben mit Gewährung einer Gewinnaussicht als Nebenleistung enthält. Wollte man stets, wenn das UStG Steuerbefreiungen oder Steuerbegünstigungen vorsieht, die auf Nebenleistungen, wenn man sie einzeln betrachtet, zutreffen, diese Nebenleistungen umsatzsteuerlich befreien oder begünstigen, so würde man den Grundsatz ins Wanken bringen, daß einheitliche Vorgänge nicht in ihre Bestandteile aufgespaltet werden dürfen. Dieses Verbot, das auf wirtschaftlicher Betrachtungsweise beruht und zu den Hauptgrundsätzen des Umsatzsteuerrechts gehört, kommt in zahlreichen Fällen dem Steuerpflichtigen zugute, zum Beispiel bei Nebenleistungen im Rahmen einer steuerfreien Vermietung von Grundstücken (ß 4 Ziff. 10 UStG) oder bei Nebenleistungen zu steuerfreien oder steuerbegünstigten Großhandelslieferungen (ß 4 Ziff. 4 und § 7 Abs. 3 UStG). Es muß auch gelten, wenn es zum Nachteile des Steuerpflichtigen ausschlägt, weil - wie im Streitfalle - die Hauptleistung nicht befreit oder begünstigt ist, sondern nur eine unselbständige Nebenleistung, die als "Umsatz" im Sinne des UStG nicht angesprochen werden kann. Ein Anlaß, im Streitfalle eine Ausnahme von dem Grundsatz, daß die Nebenleistung das umsatzsteuerliche Schicksal der Hauptleistung teilt, zuzulassen, besteht nicht.
Im übrigen vertritt auch der II. Senat neuerdings die Auffassung, daß bei Preisausschreiben in Zeitschriften im Regelfalle nicht angenommen werden könne, daß ein nennenswerter Teil der Teilnehmer am Preisausschreiben die Zeitschrift wegen des Preisausschreibens erwirbt (Urteil des Bundesfinanzhofs II 95/56 S vom 19. November 1959, BStBl 1960 III S. 176, Slg. Bd. 70 S. 470). Er hat daher in dem betreffenden Falle den Zeitschriftenverlag von der Lotteriesteuer freigestellt. Hieraus kann allerdings nicht geschlossen werden, daß das die Stpfl. betreffende, die Lotteriesteuerpflicht bejahende Urteil des Bundesfinanzhofs II 87/54 vom 30. März 1955, das sich auf den vorliegenden Fall aus dem Jahre 1949 bezog, falsch war. Denn abgesehen davon, daß die Tatbestände der beiden Urteile nicht in allen Punkten übereinstimmen, hat der II. Senat seine geänderte Rechtsauffassung hauptsächlich mit der Entwicklung der Zeitverhältnisse (insbesondere der Ausbreitung von Toto und Lotto) begründet. Die Frage kann dahingestellt bleiben, weil die Umsatzsteuerpflicht der Stpfl. schon aus den obigen Gründen zu bejahen war.
Fundstellen
Haufe-Index 409991 |
BStBl III 1961, 220 |
BFHE 72, 605 |