Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinreichend genaue Bezeichnung der einzelnen Wirtschaftsgüter im Investitionsgüterzulagenantrag; Treuepflichten des FA
Leitsatz (NV)
1. Die Bezeichnung "Ladeneinrichtung" in einem Antrag auf Investitionszulage bezeichnet die einzelnen Wirtschaftsgüter nicht hinreichend genau i.S. von § 6 Abs. 3 Satz 2 InvZulG 1996, weil sie nicht erkennen lässt, aus welchen Wirtschaftsgütern die Ladeneinrichtung besteht.
2. Die genaue Bezeichnung der einzelnen Wirtschaftsgüter im Antragsvordruck selbst ist nur dann entbehrlich, wenn sie in eindeutiger und nachprüfbarer Art aus den innerhalb der Antragsfrist beigefügten Unterlagen ersichtlich ist.
3. Eine Ladeneinrichtung ist als solche weder ein einheitliches Wirtschaftsgut noch eine Sacheinheit.
4. Eine Sachgesamtheit erscheint zwar wirtschaftlich als Einheit, besteht jedoch unverändert aus einer Mehrheit rechtlich weiterhin selbständiger Sachen.
5. Zu den Treuepflichten des FA gehört es nicht, Anträge auf Gewährung einer Investitionszulage sofort nach ihrem Eingang auf fehlende Formerfordernisse zu prüfen, damit etwaige Mängel fristgerecht behoben werden können.
Normenkette
InvZulG 1996 § 6 Abs. 1, 3; BGB §§ 90, 242
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb im Jahr 1997 eine Bäckerei und einen Einzelhandel.
Er beantragte am 29. September 1998 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) u.a. für drei Ladeneinrichtungen Investitionszulage nach § 2 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1996 für das Kalenderjahr 1997. Die Ladeneinrichtungen wurden in dem Antrag mit "Ladeneinrichtung A", "Ladeneinrichtung B" und "Ladeneinrichtung C" bezeichnet. Die Anschaffungskosten für die Ladeneinrichtung gab der Kläger mit … DM, … DM und … DM an. Die dem Antrag beigefügten Kopien der Rechnungen der Lieferanten wiesen die Bezeichnung "Ladeneinrichtung" bzw. "D-Ladeneinrichtung" auf.
Bei einer Investitionszulagensonderprüfung ermittelte der Prüfer, dass sich die Ladeneinrichtungen jeweils aus unterschiedlichen Wirtschaftsgütern zusammensetzten, darunter auch aus selbständig nutzbaren geringwertigen Wirtschaftsgütern. Die Wirtschaftsgüter seien daher nicht innerhalb der Antragsfrist so genau bezeichnet worden, dass ihre Feststellung bei einer Nachprüfung möglich sei. Das FA setzte daraufhin die Investitionszulage für das Kalenderjahr 1997 ohne Berücksichtigung der Aufwendungen für die Ladeneinrichtungen fest. Den hiergegen gerichteten Einspruch wies das FA zurück.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 557 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 6 Abs. 3 Satz 2 InvZulG 1996 und die Verletzung der Sachaufklärungspflicht des FG gemäß § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Bezeichnung "Ladeneinrichtung" sei hinreichend genau, da eine Ladeneinrichtung ein einheitliches Wirtschaftsgut sei und die Bestandteile eines Wirtschaftsguts nicht bezeichnet werden müssten. Die Ladeneinrichtungen dienten einem einheitlichen Zweck (dem Verkauf von Bäckereiwaren), eine ausreichende Festigkeit der Verbindungen sei gegeben und die Ladeneinrichtungen hätten ein einheitliches Erscheinungsbild. Sie seien zudem als Sacheinheit auch eine Sache im Sinne des Zivilrechts, jedenfalls aber eine Sachgesamtheit. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 28. August 1986 V R 18/77 (BFH/NV 1987, 130) sei eine Sachgesamtheit stets ein Wirtschaftsgut. Die Eigenart einer Sachgesamtheit bestünde gerade darin, dass die Sachen einer Sachgesamtheit im Rechtsverkehr unter einer einheitlichen Bezeichnung zusammengefasst würden. Die Bezeichnung "Ladeneinrichtung" sei im Streitfall keine Gattungsbezeichnung, da jeweils der Ort der Ladeneinrichtung angegeben worden sei. Zumindest seien die Ladeneinrichtungen bei der Investitionszulagensonderprüfung hinreichend genau bezeichnet worden.
Im Übrigen könne sich das FA nach Treu und Glauben nicht darauf berufen, dass er die Wirtschaftsgüter nicht innerhalb der Antragsfrist ausreichend bezeichnet habe, da es ihn nicht vor Ablauf der Frist telefonisch auf die unvollständigen Angaben hingewiesen habe. Die Verpflichtung auf einen solchen Hinweis entfalle nicht generell dadurch, dass der Antrag erst kurz vor Ablauf der Antragsfrist eingereicht werde. Das FG hätte aufklären müssen, ob es dem für seinen Antrag zuständigen Sachbearbeiter nach der Zahl der am 29. September 1998 bei diesem eingegangenen Anträge auf Investitionszulage möglich gewesen wäre, diese auf offensichtliche Fehler durchzusehen und ihn, den Kläger, auf die nicht ausreichende Bezeichnung telefonisch hinzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Investitionszulagenbescheids für das Kalenderjahr 1997 die Investitionszulage in Höhe von … DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.
Das FG hat zu Recht die begehrte Investitionszulage für die drei Ladeneinrichtungen mangels hinreichender Bezeichnung der Wirtschaftsgüter innerhalb der Antragsfrist abgelehnt.
1. Die Gewährung einer Investitionszulage setzt --neben den materiell-rechtlichen Voraussetzungen-- eine form- und fristgerechte Antragstellung nach § 6 Abs. 1 und 3 InvZulG 1996 voraus. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 InvZulG 1996 sind in dem Antrag auf Investitionszulage die Investitionen, für die eine Investitionszulage beansprucht wird, innerhalb der Antragsfrist nach § 6 Abs. 1 InvZulG 1996 so genau zu bezeichnen, dass ihre Feststellung bei einer Nachprüfung möglich ist.
Begünstigte Investitionen sind nach § 2 Satz 1 InvZulG 1996 die Anschaffung und Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens. Gegenstand der Förderung nach dem InvZulG 1996 ist mithin nicht das Investitionsvorhaben als solches, sondern das einzelne Wirtschaftsgut. § 6 Abs. 3 Satz 2 InvZulG 1996 erfordert deshalb nach ständiger Rechtsprechung des Senats, dass die einzelnen Wirtschaftsgüter hinreichend individualisiert sind (Senatsurteil vom 21. März 2002 III R 30/99, BFHE 198, 184, BStBl II 2002, 547, m.w.N.). Für den mit der Prüfung befassten Beamten müssen bei Ablauf der Antragsfrist die einzelnen Wirtschaftsgüter klar und eindeutig erkennbar sein. Bei einer eventuell vorzunehmenden Überprüfung anhand der eingereichten Belege oder anlässlich einer Besichtigung der angeschafften Wirtschaftsgüter muss feststehen, dass die in den Belegen ausgewiesenen Gegenstände mit denjenigen identisch sind, für die eine Investitionszulage beantragt wird. Ebenso muss feststellbar sein, ob die Wirtschaftsgüter im maßgeblichen Kalenderjahr angeschafft worden sind. Bloße Sammel- oder Gattungsbezeichnungen genügen dementsprechend nicht als hinreichende Individualisierung. Welche Anforderungen an die "Bezeichnung" konkret zu stellen sind, kann nur anhand der tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalles entschieden werden (Senatsurteil vom 7. November 2000 III R 7/97, BFHE 193, 219, BStBl II 2001, 200, m.w.N.).
Die genaue Bezeichnung der einzelnen Wirtschaftsgüter im Antragsvordruck selbst ist nur dann entbehrlich, wenn sie in eindeutiger und nachprüfbarer Art aus den --innerhalb der Antragsfrist-- beigefügten Unterlagen ersichtlich ist. Entgegen der Auffassung des Klägers kann die hinreichende Individualisierung der Wirtschaftsgüter nicht mehr im Rahmen einer Außenprüfung nach Ablauf der Frist i.S. des § 6 Abs. 1 InvZulG 1996 nachgeholt werden. Die Antragsfrist als Ausschlussfrist liefe im Ergebnis leer, wenn die Wirtschaftsgüter nicht bereits für den mit der Festsetzung der Investitionszulage befassten Beamten hinreichend individualisiert wären (Senatsurteil in BFHE 198, 184, BStBl II 2002, 547, m.w.N.).
2. Nach diesen Grundsätzen hat der Kläger die Wirtschaftsgüter, für die er Investitionszulage begehrt, nicht hinreichend individualisiert. Die Bezeichnung "Ladeneinrichtung" ist nicht ausreichend, weil sie nicht erkennen lässt, aus welchen Wirtschaftsgütern die Ladeneinrichtung besteht. Sie ermöglicht daher weder eine Feststellung, ob die Gegenstände der Ladeneinrichtung zulagenbegünstigt sind noch eine Nachprüfung, ob die angeschafften Wirtschaftsgüter mit den Wirtschaftsgütern übereinstimmen, für die Investitionszulage beantragt ist.
Ladeneinrichtungen bestehen im Regelfall aus einer Vielzahl verschiedener, selbständiger Wirtschaftsgüter (z.B. Verkaufstheke, Regale, Backöfen und Stehtische bei einer Bäckerei), wobei die jeweilige Zusammensetzung der Ladeneinrichtung von der Art des Betriebs abhängt. Insbesondere kann eine Ladeneinrichtung auch nicht zulagenbegünstigte Gegenstände umfassen, wie geringwertige Wirtschaftsgüter i.S. des § 6 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- (vgl. § 2 Satz 2 Nr. 1 InvZulG 1996), unselbständige Teile des Gebäudes oder Ladeneinbauten, sofern letztere als unbewegliche Wirtschaftsgüter zu beurteilen sind (vgl. hierzu Urteil des FG Brandenburg vom 10. November 1993 2 K 154/92 I, juris). Die Bezeichnung "Ladeneinrichtung" ist mithin lediglich eine Gattungsbezeichnung, die eine Vielzahl von Wirtschaftsgütern umfasst (ebenso Thüringer FG, Urteil vom 15. September 1995 I 93/95 und I 135/95, EFG 1996, 337). Daran ändert nichts, dass --wie im Streitfall-- der Steuerpflichtige angibt, wo sich die Einrichtung befindet. Die hinreichende Individualisierung muss sich aus dem Antrag selbst oder diesem beigefügten Unterlagen ergeben und nicht aus einer möglichen Besichtigung.
Die Bezeichnung als "Ladeneinrichtung" ist auch nicht deshalb ausreichend, weil es sich dabei --wie der Kläger meint-- um ein einheitliches Wirtschaftsgut handelte. Eine Ladeneinrichtung wäre nur dann ein einheitliches Wirtschaftsgut, wenn die einzelnen Gegenstände durch ihre Zusammenstellung zu einer Ladeneinrichtung ihre selbständige Bewertbarkeit verlören. Dies wäre anzunehmen, wenn das äußere Erscheinungsbild einer Ladeneinrichtung dadurch bestimmt wäre, dass die Gegenstände für sich allein betrachtet unvollständig erschienen oder ein Gegenstand ohne den/die anderen ein negatives Gepräge hätte (vgl. Senatsurteil vom 9. August 2001 III R 30/00, BFHE 196, 442, BStBl II 2001, 842, m.w.N.). Im Regelfall erscheinen indessen die einzelnen Gegenstände einer Ladeneinrichtung für sich betrachtet nicht unvollständig, da jederzeit einzelne Gegenstände ausgetauscht oder hinzugefügt werden können, ohne dass dadurch die Ladeneinrichtung in Frage gestellt wird. Dass die Gegenstände der Ladeneinrichtungen im Streitfall dem gemeinsamen Zweck des Verkaufs von Bäckereiwaren dienen, führt zu keiner anderen Beurteilung, da dies der Betriebszweck ist, dem letztlich alle Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens dienen.
Die Auffassung des Klägers, eine Ladeneinrichtung sei nach der Verkehrsanschauung eine Sacheinheit, ist gleichfalls unzutreffend. Eine tatsächliche Mehrheit von Sachen wird dann als eine Sache (Sacheinheit) i.S. des § 90 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) behandelt, wenn die einzelne Sache im Regelfall wirtschaftlich keine Bedeutung hat, wie das bei einer bestimmten Menge Getreide, Sand oder Kies der Fall ist (vgl. MünchKommBGB/ Holch, 4. Aufl., § 90 Rdnr. 14). Die einzelnen Gegenstände einer Ladeneinrichtung sind keine Sacheinheit in diesem Sinne, da sie --aus den genannten Gründen-- als Einzelsachen wirtschaftlich relevant sind.
Unerheblich ist schließlich, ob eine Ladeneinrichtung --wie der Kläger meint-- eine Sachgesamtheit im Sinne des Zivilrechts ist. Dies ist für die Frage, ob eine Ladeneinrichtung ein einheitliches Wirtschaftsgut ist, ohne Bedeutung. Eine Sachgesamtheit erscheint zwar wirtschaftlich als Einheit, besteht jedoch unverändert aus einer Mehrheit rechtlich weiterhin selbständiger Sachen (vgl. Senatsurteil in BFHE 196, 442, BStBl II 2001, 842, m.w.N.). Das vom Kläger angeführte BFH-Urteil in BFH/NV 1987, 130 betrifft den Gegenstand einer Lieferung im Sinne des Umsatzsteuerrechts.
3. Nach zutreffender Entscheidung des FG ist das FA nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert, sich auf den Ablauf der Frist i.S. des § 6 Abs. 1 InvZulG zu berufen. Entgegen der Auffassung des Klägers gehört es nicht zu den Treuepflichten des FA, Investitionszulagenanträge nach ihrem Eingang sofort auf fehlende Formerfordernisse zu prüfen, damit etwaige Mängel noch fristgerecht behoben werden können. Nach dem Senatsurteil vom 16. Juni 1989 III R 173/85 (BFHE 157, 287, BStBl II 1989, 807) kann das FA grundsätzlich davon ausgehen, dass Anträge, die auf dem amtlich vorgesehenen Vordruck eingereicht werden, den formalen Anforderungen entsprechen.
Der Kläger durfte im Streitfall zudem nicht darauf vertrauen, dass das FA seinen Antrag auf Investitionszulage noch innerhalb der Antragsfrist prüfen werde. Sein Antrag ist erst am 29. September 1998, also einen Tag vor Ablauf der Frist nach § 6 Abs. 1 InvZulG 1996, eingegangen. Erfahrungsgemäß häufen sich gerade kurz vor Ablauf der Antragsfrist die Anträge, so dass vom FA nicht erwartet werden konnte, innerhalb von nur zwei Tagen alle eingegangenen Anträge auf ihre formelle Ordnungsmäßigkeit hin zu überprüfen, um eventuelle Mängel durch den Antragsteller noch fristgerecht beheben zu lassen (Senatsurteil in BFHE 198, 184, BStBl II 2002, 547, m.w.N.). Es kommt nicht darauf an, ob der zuständige Bearbeiter des FA im konkreten Einzelfall tatsächlich keine Zeit hatte, den Antrag durchzusehen. Allein entscheidend ist, dass aus der maßgeblichen Sicht des Klägers, der die Arbeitssituation des FA nicht kennt, nicht zu erwarten war, dass der Sachbearbeiter des FA den Antrag vor Fristablauf auf Formfehler überprüft. Das FG brauchte deshalb entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aufzuklären, wieviele weitere Anträge auf Investitionszulage bei dem für den Kläger zuständigen Sachbearbeiter am 29. September 1998 eingegangen waren.
Fundstellen
Haufe-Index 1517649 |
BFH/NV 2006, 1348 |
DStRE 2006, 1005 |
HFR 2006, 901 |
NWB 2007, 1623 |
NWB direkt 2006, 8 |
StBW 2006, 6 |