Entscheidungsstichwort (Thema)
Unzureichende Feststellungen des FG; Investitionszulage bei Vertragseintritt
Leitsatz (NV)
1. Ist eine im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung des FG anhand der getroffenen Feststellungen nicht nachvollziehbar, so liegt ein ohne Rüge nachprüfbarer materieller Fehler vor.
2. Tritt ein Steuerpflichtiger in einen bereits bestehenden Vertrag ein, so gilt als Bestellung i. S. des § 4 b Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1982 grundsätzlich der Vertragsabschluß des Rechtsvorgängers, es sei denn, es besteht aufgrund von Vertragsänderungen keine Identität zwischen dem vom Rechtsvorgänger bestellten und dem tatsächlich gelieferten Wirtschaftsgut.
Normenkette
InvZulG 1982 § 4b
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH und Co. KG, gehörte zusammen mit der KG 1 und der KG 2 zu einer Firmengruppe, die sich mit der Reproduktion von Druckerzeugnissen befaßte.
Die Firmengruppe schaffte in den Jahren 1981 und 1982 (= Streitjahre) über ein ausländisches Unternehmen, die RAG, zwei im Ausland hergestellte Computer-Farbbild-Herstellungsanlagen an. Darüber liegen insgesamt drei Verträge vor:
a) Vertrag vom 6. August 1981. Nach diesem Vertrag erwarb die KG 1 eine Computer-Anlage zum Anschluß an einen A Scanner. Der Kaufpreis war mit . . . DM angegeben und als Lieferzeit war das dritte Quartal 1981 vorgesehen.b) Vertrag vom 14. September 1981. Diesen zweiten Vertrag schloß die KG 2 ab. Er betrifft ebenfalls eine Computer-Anlage zum Anschluß an einen B Scanner. Der Kaufpreis sollte . . . DM betragen. Als Lieferzeitpunkt war ebenfalls das dritte Quartal 1981 genannt.
c) Vertrag vom 30. September 1982. Mit diesem dritten Vertrag vereinbarte die Klägerin mit der RAG u. a. folgendes:
,,RAG hat am 14. September 1981 mit der KG 1 einen Kaufvertrag über ein Computer-Farbbild-Herstellungssystem abgeschlossen. Die im vorstehenden als Käuferin bezeichnete Firma tritt hiermit in diesen Vertrag vollinhaltlich ein.
Aufgrund technologischer Fortentwicklung der ursprünglich bestellten Anlage besteht diese in Abänderung des Vertrages vom 14. 9. 1981 nunmehr aus folgenden Teilen:
- Anschluß an B und C Eingabe / Ausgabe-Scanner
- . . . (es folgen sieben weitere Positionen).
Der Kaufpreis beträgt nunmehr . . . DM
. . . Deutsche Mark
c. i. F. Empfangsort . . .
Zahlungsbedingungen:
. . .
Lieferzeit:
Es gilt als vereinbart, daß das System bis spätestens 15. Dezember 1982 geliefert sein muß, anderenfalls erlöschen sämtliche Rechte der Verkäuferin gegenüber dem Käufer. Im übrigen gelten die im Kaufvertrag vom 14. September 1981 getroffenen Vereinbarungen und Bestimmungen; die beteiligten Parteien erklären sich damit in allen Punkten einverstanden. . . . , den 30. September 1982."
Im Herbst 1981 wurde (mit Rechnung vom 18. September 1981) an die KG 2 eine Zentraleinheit für die Bilderfassung im Wert von . . . DM geliefert. Weiter erhielt die Klägerin ausweislich einer Rechnung der RAG vom 8. Oktober 1982 und der zugehörigen Versanddokumente Ende 1982 eine komplette Computeranlage (einschließlich einer Zentraleinheit für Bilderfassung).
Die Klägerin beantragte u. a. für die Ende 1982 gelieferte Computeranlage eine Investitionszulage nach § 4 b des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1982.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) machte sich im Anschluß an eine Außenprüfung die Auffassung des Prüfers zu eigen, das im Zulageantrag für das Streitjahr aufgeführte Computer-Farbbild-Herstellungssystem sei bereits vor dem 1. Januar 1982 bestellt worden, da die Klägerin lediglich in den Vertrag vom 14. September 1981 eingetreten sei. Entsprechend niedriger wurde die begehrte Investitionszulage festgesetzt.
Im Einspruchsverfahren machte die Klägerin u. a. geltend, daß die Verträge vom 6. August 1981 und vom 14. September 1981 eine Einheit darstellten. Durch den Vertrag vom 14. September 1981 sei der Vertrag vom 6. August 1981 lediglich um eine Zentraleinheit im Werte von . . . DM ergänzt worden. Demgegenüber sei der Vertrag vom 30. September 1982 isoliert von den beiden anderen Verträgen zu betrachten. Aufgrund dieses Vertrages habe sie, die Klägerin, erstmalig eine Computeranlage bestellt.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) gab hingegen der Klage statt. Es ließ in seiner Entscheidung ausdrücklich offen, ob aufgrund der Verträge vom 14. September 1981 und vom 30. September 1982 zwei verschiedene Computeranlagen bestellt und geliefert worden sind oder ob die Klägerin durch den Vertrag vom 30. September 1982 nur in den Vertrag vom 14. September 1981 eingetreten ist. Zur weiteren Begründung führte das FG u. a. aus: Selbst wenn die Klägerin in den Vertrag vom 14. September 1981 eingetreten sei, habe sie mit Abschluß des Vertrags vom 30. September 1982 eine eigene Investitionsentscheidung getroffen und die Computeranlage mithin innerhalb des Begünstigungszeitraums bestellt. Zwar sei bei einem Vertragseintritt grundsätzlich auf den Bestellzeitpunkt des Rechtsvorgängers abzustellen, dies gelte jedoch nicht ausnahmslos. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 18. Oktober 1985 III R 160/81 (BFHE 145, 476, BStBl II 1986, 80) angedeutet habe, sei die Übernahme eines Vertrags dann als selbständige Bestellung anzusehen, wenn ein Großprojekt nachweislich ohne den Eintritt des Steuerpflichtigen nicht fertiggestellt worden wäre. Eine vergleichbare Ausnahme sei im Streitfall gegeben.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 4 b InvZulG 1982 und des § 76 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Eine Investitionszulage nach § 4 b InvZulG 1982 wurde für begünstigte Investitionen unter anderem nur gewährt, wenn die betreffenden Wirtschaftsgüter nachweislich nach dem 31. Dezember 1981 und vor dem 1. Januar 1983 vom Steuerpflichtigen bestellt worden waren (§ 4 b Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1982). Trat ein Steuerpflichtiger in einen bereits bestehenden Vertrag ein, so galt als Bestellung i. S. des § 4 b Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1982 grundsätzlich der Vertragsabschluß des Rechtsvorgängers und nicht der Vertragseintritt (so bereits das Senatsurteil in BFHE 145, 476, BStBl II 1986, 80, zu § 4 b InvZulG 1975 ergangen).
2. Das FG ist zu dem Ergebnis gekommen, im Abschluß des Vertrages vom 30. September 1982 sei eine im Begünstigungszeitraum vorgenommene Bestellung der Klägerin zu sehen. Diese Annahme ist jedoch nicht von ausreichenden Tatsachenfeststellungen gedeckt; außerdem widerspricht sie anderen Ausführungen des FG. Das Urteil ist daher aufzuheben.
Das FG ging bei seiner Entscheidung davon aus, daß die Verträge vom 14. September 1981 und vom 30. September 1982 die Lieferung nur einer Computeranlage betrafen. Es hat die fristgemäße Bestellung damit begründet, daß erst der Eintritt der Klägerin in den Vertrag vom 14. September 1981 die Bestellung der KG 2 wieder vollwertig gemacht habe, da die Computeranlage anderenfalls nachweislich nicht ausgeliefert worden wäre. Zu diesem Sachverhalt hat das FG aber bewußt keine Feststellungen getroffen. Denn in der Vorentscheidung ist ausdrücklich offengelassen, ob - wie die Klägerin behauptet - aufgrund der Verträge vom 14. September 1981 und vom 30. September 1982 zwei verschiedene Computeranlagen bestellt und geliefert worden sind oder ob die Klägerin durch den Vertrag vom 30. September 1982 lediglich in den Vertrag der KG 2 eingetreten ist.
Ist aber eine im wesentlichen auf tatsächlichem Gebiet liegende Würdigung des FG anhand der getroffenen Feststellungen nicht nachvollziehbar, so liegt ein ohne Rüge nachprüfbarer materieller Fehler vor, der zur Aufhebung der Vorentscheidung führt (BFH-Urteil vom 22. Juli 1987 I R 74/85 unter II. B. 4., BFHE 150, 447, BStBl II 1987, 823).
3. Die Sache ist nicht spruchreif. Sie wird zur weiteren Tatsachenfeststellung und erneuten Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
a) Das FG wird vorrangig ermitteln müssen, welche Computeranlage aufgrund des Vertrags vom 14. September 1981 bestellt und geliefert worden ist. Ist dieser Vertrag lediglich eine Ergänzung zum Vertrag vom 6. August 1981, so betraf er die zuerst bestellte Anlage. In diesem Fall dürfte am 30. September 1982 ein weiterer, selbständiger Kaufentschluß über eine zweite Anlage fixiert worden sein. Gehören aber die Verträge vom 14. September 1981 und vom 30. September 1982 zusammen, liegt also ein Vertragseintritt vor, dann stellt sich die Frage nach der Identität zwischen der zunächst von der KG 2 und der später von der Klägerin bestellten und bezogenen Computeranlage.
b) Besteht keine Identität, dann wurde am 30. September 1982 ein anderes Wirtschaftsgut bestellt, als das im Vertrag vom 14. September 1981 bezeichnete. Diese zweite Bestellung wäre dann innerhalb des Begünstigungszeitraums erfolgt (s. zu dieser ,,Zweischneidigkeit" der Identitätsprüfung schon das Urteil des Senats vom 14. März 1980 III R 78/78, BFHE 130, 359, BStBl II 1980, 476).
Besteht hingegen Identität zwischen dem ursprünglich bestellten und dem - aufgrund des Vertragseintritts - schließlich gelieferten Wirtschaftsgut, dann ist für die Bestimmung des Bestellzeitpunktes grundsätzlich der Vertragsabschluß des Rechtsvorgängers maßgebend. Ob im Hinblick auf das Urteil in BFHE 145, 476, BStBl II 1986, 80, ausnahmsweise etwas anderes gelten könnte, wenn das betreffende Wirtschaftsgut ohne Übernahme des Vertrages durch einen Dritten nachweislich nicht ausgeliefert und mithin nicht zu einem wirtschaftsbelebenden Einsatz verwendet worden wäre, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn die bereits bisher vom FG getroffenen Feststellungen tragen nicht dessen Annahme, daß die von der KG 2 bestellte Anlage nachweislich ohne Vertragseintritt der Klägerin nicht an die KG 2 ausgeliefert worden wäre. Gegen eine derartige Annahme spricht zum einen, daß die Lieferung der Computeranlage an die KG 2 gemäß den vertraglichen Vereinbarungen nur verweigert werden konnte, wenn die KG 2 zahlungsunfähig gewesen oder ein gerichtliches Konkurs- oder Vergleichsverfahren eröffnet worden wäre. Diese Voraussetzungen waren nicht gegeben. Insbesondere war eine Zahlungsunfähigkeit in Anbetracht der vertraglich vorgesehenen gestreckten Ratenzahlungen mit Stundungsmöglichkeit nicht anzunehmen. Zum anderen ist bei dieser Sachverhaltsvariante auch zu berücksichtigen, daß an die KG 2 im Herbst 1981 ein Teil der Anlage (im Wert von . . . DM) tatsächlich geliefert worden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 417042 |
BFH/NV 1991, 702 |