Leitsatz (amtlich)
Ein Verein, der überwiegend den Motorflugsport betreibt, dient nicht ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken.
Normenkette
KStG § 4 Abs. 1 Nr. 6; StAnpG § 17
Tatbestand
Der Revisionskläger (Verein) ist ein eingetragener Verein, der den Segelflug und seit dem Jahre 1955 auch den Motorflug betreibt. Den Mitgliedern des Vereins stehen vereinseigene Flugzeuge zur Verfügung. Außerdem besteht eine Flugschule zur Vorbereitung auf den Privatpilotenschein.
Der Revisionsbeklagte (das FA) setzte im Körperschaftsteuer-Bescheid für das Streitjahr 1962 die Körperschaftsteuer auf 0 DM fest, verneinte aber die Gemeinnützigkeit des Vereins.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das FG hat zunächst die Klage für zulässig gehalten, obwohl die Körperschaftsteuer für das Streitjahr auf 0 DM festgesetzt wurde. Denn der Verein sei zwar nicht durch die Höhe der Steuer (§ 232 Abs. 1 Nr. 1 AO a. F.), sondern dadurch beschwert, daß die Steuerpflicht bejaht worden sei (§ 232 Abs. 1 Nr. 2 AO a. F.).
Die zulässige Klage sei aber nicht begründet. Denn der Verein diene nicht ausschließlich gemeinnützigen Zwekken (§ 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG). Er unterhalte eine Motorflugabteilung, eine Segelflugabteilung und eine Kantine. Für die Befreiung von der Körperschaftsteuer komme es auf den überwiegenden Zweck an. Das sei nach dem Verhältnis der Anzahl der Mitglieder in der Motorflugabteilung zur Anzahl aller Mitglieder und nach dem Anteil der Motorflugabteilung am Gesamtvermögen des Vereins der Motorflug. Dieser stelle keinen gemeinnützigen Zweck nach § 17 Abs. 3 Nr. 1 StAnpG dar. Sport im Sinne dieser Vorschrift müsse immer eine Tätigkeit sein, die der körperlichen Ertüchtigung des Volkes durch Leibesübungen diene. Der Motorflug verlange in erster Linie die Beherrschung einer Maschine. Diese erfordere sowohl eine körperliche als auch eine psychische und willensmäßige Anstrengung. Der Körper sei beim Fliegen einer Reihe von außergewöhnlichen Bedingungen wie Temperaturwechsel, Druckwechsel, Sauerstoffmangel ausgesetzt. Ausgangspunkt dieser Einwirkungen auf den ganzen Menschen sei aber letzten Endes doch die Maschine. Körperliche Ertüchtigung durch Leibesübungen verlange aber nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes eine eigene Tätigkeit. Diese Voraussetzung sei beim Motorflug nicht erfüllt. Auch aus den vom Verein vorgelegten Gutachten ergebe sich nichts anderes. Das Gutachten der Sporthochschule Köln sei im wesentlichen auf den Segelflug zugeschnitten und erwähne den Motorflug nur am Rande. Auf die Unterschiede, die zwischen Motorflug und Segelflug bestünden, gehe dieses Gutachten nicht ein. Auch das Gutachten der Deutschen Versuchsanstalt für Luftfahrt e. V., Institut für Flugmedizin, in Bad Godesberg befasse sich im wesentlichen mit dem Segelflug.
Auch § 17 Abs. 2 StAnpG führe zu keiner Befreiung des Vereins von der Körperschaftsteuer. Aus dem Sachverhalt ergebe sich kein Anhaltspunkt dafür, daß die Tätigkeit des Vereins sonst dem allgemeinen Besten auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet nutze. Die Motorflugabteilung diene beim Verein auch nicht dazu, die gemeinnützige Segelflugabteilung zu unterhalten. Nach dem Sachverhalt sei die Motorflugabteilung der Segelfugabteilung nicht untergeordnet.
Spenden an den Deutschen Aero-Club e. V. seien zwar bei der Einkommensteuer nach § 10b EStG abzugsfähig. Daraus könne aber für den Streitfall nichts hergeleitet werden. Die Abzugsfähigkeit der Spenden an den Deutschen Aero-Club e. V. beruhe auf einer Verwaltungsanordnung der Bundesregierung, die sich auf § 48 Abs. 4 EStDV stütze. Nach dieser Vorschrift könne die Bundesregierung auch Spenden für nicht gemeinnützige Zwecke als steuerbegünstigt anerkennen.
Mit der Revision rügt der Verein unrichtige Anwendung des § 17 StAnpG. Das FG habe weder die Volksanschauung noch die fortschreitende Entwicklung der Verhältnisse berücksichtigt (§ 1 StAnpG). Außerdem habe das FG übersehen, daß es in § 17 Abs. 3 StAnpG heiße: "Unter den Voraussetzungen des Abs. 2 sind als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen insbesondere ...". Dieses Wort "insbesondere" zeige klar den Willen des Gesetzgebers, im folgenden Text nur beispielhafte Ausführungen zu machen und keine ausschließliche Begriffsbestimmung zu geben, um einer stets fortschreitenden Entwicklung und einer sich verändernden Volksanschauung über das, was als Förderung der Allgemeinheit anzuerkennen sei, Rechnung tragen zu können. Bei der Würdigung der vorgelegten Gutachten habe das FG nicht beachtet, daß beide Gutachten auch den Motorflug als förderungswürdigen Sport beurteilt hätten. Schließlich habe auch der Bundesminister des Innern als der für den Sport zuständige Ressortminister die vom Deutschen Aero-Club e. V. betriebenen Disziplinen als Tätigkeit im Sinne des § 17 Abs. 1 bis 3 StAnpG voll anerkannt, wie sich aus dem vorgelegten Schreiben vom 3. November 1966 ergebe. Ein weiterer Beweis dafür, daß die Bundesregierung auch den Motorflugsport gefördert wissen wolle, liege darin, daß Spenden an den Deutschen Aero-Club e. V. als abzugsfähig anerkannt worden seien.
Der Verein beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und festzustellen, daß er nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG gemeinnützig sei.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Nach seiner Ansicht könne nicht zweifelhaft sein, daß Motorsport jeder Art, sei es zu Lande, zu Wasser oder in der Luft, die körperliche Ertüchtigung der Ausübenden im Sinne einer Gesundung und Gesunderhaltung nicht fördere, sondern eher das Gegenteil bewirke.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 90 Abs. 2, § 121 FGO).
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet. Der Verein dient nicht ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken und ist daher nicht nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG von der Körperschaftsteuer befreit.
Die Zulässigkeit der Klage hat das FG mit zutreffenden Gründen bejaht.
Gemeinnützig sind solche Zwecke, durch deren Erfüllung ausschließlich und unmittelbar die Allgemeinheit gefördert wird (§ 17 Abs. 1 StAnpG). Unter den Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 StAnpG sind als Förderung der Allgemeinheit und damit als gemeinnützig insbesondere anzuerkennen die körperliche Ertüchtigung des Volkes durch Leibesübungen (Turnen, Spiel, Sport). Nach dem derzeit geltenden Sprachgebrauch kann kaum zweifelhaft sein, daß auch der Motorflugsport ebenso wie andere Motorsportarten unter den Begriff Sport fallen. So wird der Motorsport im Großen Herder, 5. Aufl., 1955, und im Großen Brockhaus, 16. Aufl., 1957, unter den Sportarten aufgeführt. Auch die Gutachten, die dem FG vorgelegt wurden, sprechen dafür, den Motorflugsport als Sport zu bezeichnen. Damit ist aber noch nicht gesagt, daß es sich beim Motorflugsport um Sport im Sinne des § 17 Abs. 3 Nr. 1 StAnpG handelt. Das entscheidende Merkmal für die Gemeinnützigkeit nach dieser Vorschrift ist, was den Sport betrifft, die körperliche Ertüchtigung des Volkes durch Leibesübungen. Die drei in Klammern aufgeführten Beispiele (Turnen, Spiel, Sport) erfahren dadurch eine Einschränkung. Sie sind nur dann als gemeinnützig anzuerkennen, wenn sie körperliche Ertüchtigung des Volkes durch Leibesübungen darstellen oder jedenfalls Merkmale aufweisen, die es rechtfertigen, sie der körperlichen Ertüchtigung durch Leibesübungen gleichzustellen. Die Richtigkeit dieser Gesetzesauslegung zeigt sich deutlich an dem in Klammern aufgeführten Beispiel "Spiel". Es ist klar, daß nicht jede Tätigkeit, die als Spiel angesehen werden kann, unter § 17 Abs. 3 Nr. 1 StAnpG fällt, sondern eben nur ein Spiel, das unter den Oberbegriff körperliche Ertüchtigung durch Leibesübungen fällt.
Bei dieser Auslegung des § 17 Abs. 3 Nr. 1 StAnpG kann der Motorflugsport nicht als gemeinnützig anerkannt werden. Er kann einmal nicht als körperliche Ertüchtigung durch Leibesübungen angesehen werden. Zwar werden auch, wie das FG festgestellt hat, beim Motorflugsport an die körperliche Leistungsfähigkeit erhöhte Anforderungen gestellt. Auch verlangt der Motorflugsport, wie es in dem Gutachten der Sporthochschule Köln dargelegt ist, eine gesteigerte Nervenleistung. Aber eine eigene körperliche Tätigkeit, die als Leibesübungen bezeichnet werden könnte, wird bei der Ausübung des Motorflugsports nicht entfaltet. Der Motorflugsport verlangt vielmehr, wie das FG ohne Rechtsfehler und daher für den Senat bindend festgestellt hat (§ 118 Abs. 2 FGO), in erster Linie die Beherrschung einer Maschine. Auch das Gutachten der Sporthochschule Köln macht einen Unterschied zwischen Sport und Leibesübungen, wenn es darlegt, daß Sport zwar in der Hauptsache, aber nicht ausschließlich aus Leibesübungen bestehe. Offenbar geht das Gutachten davon aus, daß der Motorflugsport zwar unter den Begriff Sport aber nicht unter den Begriff Leibesübungen falle.
Demgegenüber kann der Verein nicht mit Erfolg einwenden, auch der Segelflugsport, dessen Gemeinnützigkeit nach dem Urteil des FG seit langem anerkannt sei, verlange die Beherrschung einer Maschine. Zunächst ist zu bemerken, daß der Reichsfinanzhof durch Urteil I A 148/31 vom 28. Mai 1931 (RStBl 1931, 553) den "Segelsport" unter bestimmten Voraussetzungen als gemeinnützig anerkannt hat, damit aber offensichtlich den Segelsport zu Wasser gemeint hat. Geht man gleichwohl von der Gemeinnützigkeit auch des Segelflugsports aus, so ergibt sich daraus nicht ohne weiteres die Gemeinnützigkeit des Motorflugsports. Der Senat kann die auf tatsächlichem Gebiet liegende Frage dahingestellt sein lassen, ob sich der Segelflug gegenüber dem Motorflug durch ein erhebliches Mehr an körperlicher Tätigkeit unterscheidet, wie z. B. die Führung eines Segelboots gegenüber der Führung eines Motorboots. Auch wenn diese Frage zu verneinen wäre, bliebe ein rechtlich erheblicher Unterschied zwischen dem Segelflugsport und dem Motorflugsport bestehen. Er liegt darin, daß sich der Segelflug unter unmittelbarer Inanspruchnahme der Kräfte der Natur und in Auseinandersetzung mit diesen Kräften vollzieht, während der Motorflug in erster Linie durch die Inanspruchnahme und Beherrschung einer durch Motor getriebenen Maschine gekennzeichnet ist. Dieser Unterschied ist für die Anwendung des § 17 StAnpG erheblich. Die körperliche Ertüchtigung durch Leibesübungen wird in dieser Vorschrift als gemeinnützig anerkannt, weil sie der Gesundheit des Volkes dient. Gerade im Zeitalter der fortschreitenden technischen Entwicklung kommt der körperlichen Ertüchtigung eine erhöhte Bedeutung zu. Sie ist, vom Standpunkt der Gesundheit aus gesehen, das Gegengewicht zum Umgang mit der Technik, ein Ausgleich durch körperliche Bewegung. Einen solchen Ausgleich bieten aber auch die Sportarten, die ohne Einschaltung eines Motors für die Fortbewegung zu Wasser, zu Land und in der Luft unmittelbar die Kräfte der Natur in Anspruch nehmen. Denn Körper und Geist werden hier in einer ganz anderen, der ursprünglichen Natur des Menschen weit mehr entsprechenden Weise eingesetzt, als dies bei der Bedienung einer durch Motor angetriebenen Maschine geschieht.
Aus § 17 Abs. 2 StAnpG und daraus, daß Spenden an den Deutschen Aero-Club e. V. durch Abschnitt 111 Abs. 2 Nr. 5 der Einkommensteuer-Richtlinien 1962 als steuerbegünstigt anerkannt worden sind, kann die Gemeinnützigkeit des Vereins nicht hergeleitet werden. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des FG Bezug genommen.
Fundstellen
Haufe-Index 68833 |
BStBl II 1970, 67 |
BFHE 1969, 108 |