Leitsatz (amtlich)
1. Der BFH ist nicht ohne weiteres zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH verpflichtet, wenn er beabsichtigt, Gemeinschaftsrecht anders auszulegen als das FG in seiner Vorentscheidung.
2. Zur Tarifierung von gehärtetem Schweineschmalz.
Orientierungssatz
1. Vorschriften des GZT dürfen nicht unterschiedlich angewendet werden, je nachdem, ob es sich um die Einreihung zum Zwecke der Erhebung von Zöllen, die Anwendung des Systems der gemeinsamen Marktorganisationen oder desjenigen der Währungsausgleichsbeträge handelt (vgl. EuGH-Urteil vom 28.3.1979 Rs. 1958/78).
2. Der BFH ist zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH nicht verpflichtet, wenn die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, daß für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt. Die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts ist nur dann offenkundig, wenn sich der Senat davon überzeugt hat, daß auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den EuGH die gleiche Gewißheit bestünde (vgl. EuGH-Urteil vom 6.10.1982 Rs. 283/81).
3. NV: Hat es die Klägerin unterlassen, vor der Ausfuhr von Waren eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) einzuholen, steht der Grundsatz von Treu und Glauben der Rückforderung von Währungsausgleichsbeträgen wegen zunächst unrichtiger Tarifierung nicht entgegen (vgl. BFH-Urteil vom 9.3.1982 VII R 16/80, ergangen zur Nachforderung von Eingangsabgaben).
4. NV: Die Entscheidung nach § 48 Abs. 1 und 2 VwVfG (Rücknahme von rechtswidrigen Verwaltungsakten, die einmalige Geldleistung gewährten) ist eine Ermessensentscheidung. War diese durch die Rechtsentscheidung über die Frage, ob die Währungsausgleichsbeträge zu Recht gewährt worden waren, so vorgeprägt, daß für den Regelfall nur eine Rückforderung der gewährten Währungsausgleichsbeträge in Frage kam, ist es nicht zu beanstanden, wenn die die Ermessensausübung bestimmenden Erwägungen des HZA nicht ausdrücklich im Rückforderungsbescheid enthalten sind (vgl. BFH-Urteil vom 13.4.1978 V R 109/75).
5. NV: Rechtmäßigkeit eines vor Inkrafttreten der Ausfuhr-Währungsausgleich-Verordnung vom 9.12.1980 und nach Inkrafttreten des VwVfG ergangenen Rückforderungsbescheids über zu Unrecht gewährte Währungsausgleichsbeträge: Mit der Rückforderung zu Unrecht gewährter Währungsausgleichsbeträge ist in erster Linie ein ungerechtfertigter Wettbewerbsvorteil oder Marktvorteil des Einzelnen gegenüber den übrigen Marktteilnehmern zu beseitigen. Das öffentliche Interesse (§ 48 Abs. 2 VwVfG) daran, daß das geschieht, überwiegt in der Regel das schutzwürdige Interesse des Begünstigten an der Aufrechterhaltung der Gewährung (vgl. BFH-Urteil vom 9.4.1975 VII R 12/70, ergangen zur Rückforderung von zu Unrecht gewährten Ausfuhrerstattungen). Im Streitfall hing die Gewährung der Währungsausgleichsbeträge von der Entscheidung der Frage ab, wie die ausgeführten Waren in den GZT einzuordnen sind. Da sich die Klägerin eine vZTA nicht hatte erteilen lassen,konnte ihr Vertrauen in die (unrichtige) Tarifauffassung, auf der die ursprünglichen Gewährungsbescheide beruhten, nicht als schutzwürdig (§ 48 Abs. 2 VwVfG) angesehen werden.
Normenkette
EWGVtr Art. 177; GZT ATV 1; GZT ATV 3; GZT Tarifnr 15.01; GZT Tarifnr 15.12; ZG § 23; VwVfG § 48 Abs. 1-2; AO 1977 § 5
Nachgehend
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) führte im Jahr 1979 insgesamt 17 Partien gehärtetes Schweineschmalz nach Dänemark aus. Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt --HZA--) gewährte mit Bescheiden vom 6.Juni und 4.Oktober 1979 für die ersten 12 Ausfuhrsendungen Währungsausgleichsbeträge in Höhe von insgesamt 26 714,11 DM. Diese Beträge forderte er mit Bescheid vom 29.November 1979 wieder zurück. Für die letzten Ausfuhrsendungen lehnte das HZA mit Bescheid vom 29.November 1979 die Zahlung von Währungsausgleichsbeträgen ab. Rückforderung und Ablehnung begründete das HZA damit, daß gehärtetes Schweineschmalz der Tarifnr. 15.12 des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zuzuordnen sei und dafür keine Währungsausgleichsbeträge vorgesehen seien. Das HZA wies die Einsprüche als unbegründet zurück.
Die Klage hatte Erfolg. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) im wesentlichen aus:
Gehärtetes Schweineschmalz gehöre zur Tarifnr. 15.01 GZT. Diese Tarifnummer sei im Verhältnis zur Tarifnr. 15.12 GZT vorrangig. Sie erfasse Schweineschmalz schlechthin. Eine etwa gewollte Einschränkung dahingehend, daß nur ungehärtetes Schweineschmalz unter diese Tarifnummer falle, hätte im Tarif zum Ausdruck kommen müssen. Soweit ersichtlich, werde weder im allgemeinen Sprachgebrauch noch im Handelsverkehr gehärtetes Schweineschmalz nicht als Schweineschmalz bezeichnet. Eine Einschränkung der Tarifnr. 15.01 GZT ergebe sich auch nicht aus der Tarifnr. 15.12 GZT. Die Bezeichnung in der Tarifnr. 15.01 GZT sei wesentlich genauer. Ihr sei deshalb nach der Allgemeinen Tarifierungsvorschrift (ATV) 3a der Vorrang einzuräumen.
Nachvollziehbare Gründe für eine unterschiedliche Tarifierung von gehärtetem und ungehärtetem Schweineschmalz seien weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Beide Arten des Schweineschmalzes würden gleichermaßen sowohl für industrielle Zwecke als auch zur Herstellung von Nahrungsmitteln verwandt. Beide Ausgestaltungen des Schweineschmalzes stünden wirtschaftlich in einem unmittelbaren Konkurrenzverhältnis zueinander. Demgemäß spreche alles dafür, Schweineschmalz unabhängig davon, ob es gehärtet oder ungehärtet sei, einheitlich zu tarifieren. Insbesondere die Chancengleichheit der im Wettbewerb stehenden beiden Arten des Schweineschmalzes wäre beeinträchtigt, wenn die von der Tarifierung abhängigen Belastungen unterschiedlich wären. Eine solche durch nichts gerechtfertigte Wettbewerbsverzerrung trete bei unterschiedlicher Tarifierung auch in bezug auf den Währungsausgleich ein. Das Fehlen einer Bestimmung, wonach gehärtetes Schweineschmalz aus der Tarifnr. 15.12 GZT in die Währungsausgleichsregelung einbezogen werde, spreche deshalb dafür, daß der Verordnungsgeber davon ausgegangen sei, auch gehärtetes Schweineschmalz falle unter die Tarifnr. 15.01 GZT.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des HZA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
1. Im Zeitraum der Ausfuhr der streitbefangenen Warenpartien sahen die Verordnungen (EWG) der Kommission Nr.2539/78 (VO Nr.2539/78) vom 30.Oktober 1978 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- L 306/22 vom 31.Oktober 1978), Nr.1367/79 (VO Nr.1367/79) vom 29.Juni 1979 (ABlEG L 164/1 vom 2.Juli 1979) und Nr.2140/79 (VO Nr.2140/79) vom 28.September 1979 (ABlEG L 247/1 vom 1.Oktober 1979) Währungsausgleichsbetrags-Sätze vor u.a. für Waren aus der Tarifnr. 15.01 GZT, nicht aber für Waren der Tarifnr. 15.12 GZT. Die angefochtenen Bescheide verletzen daher die Klägerin dann in ihren Rechten, wenn die ausgeführten Waren zur Tarifnr. 15.01 GZT ("Schweineschmalz, anderes Schweinefett und Geflügelfett, ausgepreßt, ausgeschmolzen oder mit Lösungsmitteln ausgezogen") gehörten. So hat das FG entschieden. Es hat dabei aber die Vorschriften des GZT unzutreffend ausgelegt. Die ausgeführten Waren sind der Tarifnr. 15.12 GZT zuzuweisen ("tierische und pflanzliche Öle und Fette, ganz oder teilweise hydriert oder durch beliebige andere Verfahren gehärtet, auch raffiniert, jedoch nicht verarbeitet").
Die Tarifnr. 15.01 GZT umfaßt nach ihrem Wortlaut nicht Schweineschmalz schlechthin, sondern nur solches, das ausgepreßt, ausgeschmolzen oder mit Lösungsmitteln ausgezogen worden ist. Der erkennende Senat folgt nicht der Auffassung der Klägerin, die Worte "ausgepreßt, ausgeschmolzen oder mit Lösungsmitteln ausgezogen" der Tarifnr. 15.01 bezögen sich nur auf "anderes Schweinefett und Geflügelfett", die Vorschrift umfasse also Schweineschmalz schlechthin. Er sieht sich bestätigt durch die ErlNRZZ in Erläuterungen zum Zolltarif (ErlZT) Tarifnr. 15.01 Teil I Rdnr.1, wo es heißt: "Schweineschmalz und vergleichbare Fette werden durch Ausschmelzen, Auspressen oder Ausziehen mit Lösungsmitteln gewonnen." Die Erläuterungen sind nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des erkennenden Senats ein maßgebliches Erkenntnismittel bei der Auslegung des GZT.
Ausschmelzen, Auspressen und Ausziehen sind die normalen Gewinnungsarten von rohem Schweineschmalz. Anderes Schweineschmalz ist in der Tarifnr. 15.01 nicht genannt. Diese Vorschrift umfaßt also nur die Rohware.
Die Systematik des Kap.15 GZT bestätigt diese Auffassung. Sie entspricht dem Produktionsprinzip, nach dem zahlreiche Kapitel des GZT aufgebaut sind. Die Waren werden entsprechend ihrem unterschiedlichen Bearbeitungsgrad tariflich unterschiedlich behandelt. Dabei werden zunächst die Rohstoffe und dann in aufsteigender Reihenfolge entsprechend der Intensität ihrer Bearbeitung die bearbeiteten Waren aufgeführt. So sind in Kap.15 GZT zuerst die Rohwaren, ab der Tarifnr. 15.08 aber zunehmend bearbeitete Waren genannt. Es entspricht dieser Systematik, daß weiter bearbeitete Fette zur Tarifnr. 15.12 und nicht zur Tarifnr. 15.01 GZT gehören.
Die Richtigkeit dieser Auffassung bestätigen die ErlNRZZ (ErlZT Kap.15 Teil I Rdnrn.1 und 2). Danach gehören zu diesem Kapitel "Fette und Öle tierischen und pflanzlichen Ursprungs, roh, gereinigt, raffiniert oder auf bestimmte Weise bearbeitet (z.B. gekocht, geschwefelt, gehärtet usw.)". Auch hier werden die Waren entsprechend ihrem zunehmenden Bearbeitungsgrad nacheinander aufgeführt und auseinandergehalten.
Die streitbefangene Ware ist, wie das FG für den erkennenden Senat bindend (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) festgestellt hat, hydriert (gehärtet) worden. Sie ist also einem die chemische Struktur der Ware verändernden Arbeitsgang unterworfen worden (vgl. auch Handbuch der Lebensmittelchemie, 4.Bd., Fette und Lipoide, S.225; ErlZT Tarifnr. 15.12 Teil I Rdnr.2). Eine solche Härtung ist eine Bearbeitung im Sinne der Systematik des Kap.15 (vgl. auch die zitierten ErlNRZZ in ErlZT, Kap.15 Teil I Rdnrn.1 und 2). So bearbeitete Fette sind keine Rohware im Sinne der Tarifnr. 15.01 mehr. Sie fallen nach dem klaren Wortlaut der Tarifnr. 15.12 GZT unter diese Vorschrift.
Zu Unrecht beruft sich das FG für seine Gegenauffassung auf die ATV 3a. Die ATV gelten nach ihrer Nr.1 nur insoweit, als in den Tarifnummern nichts anderes bestimmt ist. So aber ist es, wie ausgeführt, im vorliegenden Fall. Zudem gilt die ATV 3 nur, wenn zwei oder mehrere Tarifnummern "in Betracht" kommen. Das sind nur solche Tarifnummern, deren Tatbestandsvoraussetzungen von einer Ware erfüllt werden (vgl. auch die englische und französische Fassung der ATV 3). Im vorliegenden Fall kommt daher die Tarifnr. 15.01 GZT nicht "in Betracht", weil sie hydriertes Schweineschmalz nicht umfaßt. Die Frage nach der Tarifnummer mit der genaueren Warenbezeichnung (ATV 3a) stellt sich somit nicht.
Das FG vermißt "nachvollziehbare" Gründe für eine unterschiedliche Tarifierung von gehärtetem und nichtgehärtetem Schweineschmalz. Das Fehlen solcher Gründe liefert aber kein Argument für die Entscheidung über die Tarifierung der streitbefangenen Ware. Überdies liegen solche nachvollziehbaren Gründe hier auf der Hand. Sie ergeben sich aus der geschilderten Systematik des Kap.15 GZT. Demgegenüber verweist das FG zu Unrecht auf das unmittelbare wirtschaftliche Konkurrenzverhältnis von gehärtetem und nichtgehärtetem Schweineschmalz zueinander und auf den aufgrund der Augenscheinseinnahme feststellbaren Mangel an ersichtlichen Unterschieden. Das sind keine Kriterien für die Entscheidung über die Tarifierung einer Ware. Schon praktische Gründe schließen es aus, die Entscheidung über die Tarifierung einer Ware von der vorherigen Feststellung der Wettbewerbsverhältnisse und dem Fehlen augenscheinlicher Unterschiede zu anderen Waren abhängig zu machen.
Aus der Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers, Währungsausgleichsbeträge wohl für Waren der Tarifnr. 15.01, nicht aber für solche der Tarifnr. 15.12 GZT vorzusehen, ist entgegen der Auffassung des FG nichts für die Entscheidung über die Tarifierung der streitbefangenen Waren zu entnehmen. Vorschriften des GZT dürfen nicht unterschiedlich angewendet werden, je nachdem, ob es sich um die Einreihung zum Zwecke der Erhebung von Zöllen, die Anwendung des Systems der gemeinsamen Marktorganisationen oder desjenigen der Währungsausgleichsbeträge handelt (vgl. EuGH-Urteil vom 28.März 1979 Rs.158/78, EuGHE 1979, 1103, 1121, Absatz 18 der Gründe). Selbst wenn die Annahme des FG zuträfe, der gemeinschaftliche Normgeber sei bei der Festsetzung der Währungsausgleichsbeträge von einer anderen Tarifauffassung ausgegangen, könnte das also an dem aufgezeigten Ergebnis nichts ändern. Auch Kriterien für die Auslegung des GZT lassen sich im vorliegenden Fall aus dem Gemeinschaftsrecht über die Währungsausgleichsbeträge nicht gewinnen, da Wortlaut und Systematik der hier maßgebenden Vorschriften des GZT eindeutig sind.
Überdies ergibt sich aus den Vorschriften über die Währungsausgleichsbeträge nicht, der Verordnungsgeber sei davon ausgegangen, auch für gehärtetes Schweineschmalz seien Währungsausgleichsbeträge zu gewähren bzw. zu erheben. Die Regelung der Währungsausgleichsbeträge gilt nach Art.1 Abs.2 Buchst.a der Verordnung (EWG) Nr.974/71 (VO Nr.974/71) des Rates vom 12.Mai 1971 (ABlEG L 106/1 vom 12.Mai 1971) für Erzeugnisse, für die im Rahmen der gemeinsamen Agrarmarktorganisationen Interventionsmaßnahmen vorgesehen sind. Weiter gilt sie für andere Erzeugnisse, wenn die folgenden drei Voraussetzungen gegeben sind (vgl. Art.1 Abs.2 Buchst.b VO Nr.974/71; EuGH-Urteil vom 3.Februar 1981 Rs.95/80, EuGHE 1981, 317, 332): Die Erzeugnisse müssen unter eine Marktorganisation fallen oder Gegenstand einer spezifischen Regelung nach Art.235 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) sein; ihr Preis muß sich nach dem Preis einer Ware i.S. von Art.1 Abs.2 Buchst.a VO Nr.974/71 richten; im Handelsverkehr mit den betreffenden Agrarerzeugnissen müssen Störungen festgestellt worden oder vorhersehbar sein. Für gehärtetes Schweineschmalz fehlt es bereits an der ersten dieser Voraussetzungen.
Unter die gemeinsame Marktorganisation für Schweinefleisch fallen nach Art.1 Abs.1 Buchst.b VO Nr.2759/75 nur Erzeugnisse der Tarifst. 15.01 A GZT, nicht aber solche der Tarifnr. 15.12 GZT. Die Marktordnung für Fette gilt nach Art.1 Abs.1 VO Nr.136/66 (i.d.F. der Verordnung (EWG) Nr.1562/78 vom 29.Juni 1978, ABlEG L 185/1 vom 7.Juli 1978) nur für "Ölsaaten und ölhaltige Früchte sowie für pflanzliche oder aus Fischen oder Meeressäugetieren gewonnene Öle und Fette". Dementsprechend ist Art.1 Abs.2 VO Nr.136/66 auszulegen. Danach gilt diese Regelung u.a. für Erzeugnisse der Tarifnr. 15.12 GZT. Gemeint sind damit nur solche tierischen Fette und Öle, die aus Fischen und Meeressäugetieren gewonnen worden sind. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich auch nichts anderes aus dem Umstand, daß Art.1 Abs.2 VO Nr.136/66 die Tarifnr. 15.12 GZT ohne den Zusatz "ex" aufführt. Bei dem klaren Wortlaut des Art.1 Abs.1 VO Nr.136/66 bedurfte es dieser Klarstellung nicht unbedingt.
Hydrierte tierische Fette fallen also unter keine Marktorganisation. Sie sind auch nicht Gegenstand einer spezifischen Regelung nach Art.235 EWGV. Die Regelung über Währungsausgleichsbeträge der VO Nr.974/71 ist infolgedessen auf hydriertes Schweineschmalz nicht anwendbar. Die Kommission durfte daher für eine solche Ware keine Währungsausgleichsbeträge festsetzen. Bei dieser Rechtslage ist die Folgerung unzutreffend, der Gesetzgeber habe entgegen dem Wortlaut der entsprechenden Vorschriften hydriertes Schweineschmalz in die Währungsausgleichsregelung einbeziehen wollen.
2. Der erkennende Senat hat keine Zweifel an der Rechtsgültigkeit des so auszulegenden Gemeinschaftsrechts. Insbesondere sieht er keinen Anlaß, an dieser Rechtsgültigkeit deswegen zu zweifeln, weil möglicherweise zwischen hydriertem und unhydriertem Schweineschmalz Wettbewerb besteht. Es ist zumindest als zulässige Typisierung anzusehen, wenn der Gesetzgeber der Marktorganisationen für Schweinefleisch nur rohes und nicht auch bearbeitetes Schweineschmalz einbezog und der Gesetzgeber der Marktorganisation für Fette diese Marktorganisation bezüglich tierischer Fette auf solche beschränkte, die aus Fischen oder Meeressäugetieren gewonnen worden sind. Die Entscheidung der Kommission, für hydriertes Schweineschmalz keine Währungsausgleichsbeträge vorzusehen, war nach der oben geschilderten Regelung rechtlich zulässig.
3. Die Vorentscheidung ist nach den vorstehenden Ausführungen rechtsfehlerhaft und daher aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die angefochtenen Bescheide in der Fassung der Einspruchsentscheidungen sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klage ist daher abzuweisen.
++/ a) Nach den für den Senat bindenden (§ 118 Abs.2 FGO) Feststellungen des FG waren die ausgeführten Erzeugnisse hydriertes (gehärtetes) Schweineschmalz. Da das Gemeinschaftsrecht dafür Währungsausgleichsbeträge nicht vorsah, hat das HZA die Gewährung solcher Beträge für die letzten fünf Ausfuhrsendungen durch den Bescheid vom 29.November 1979 zu Recht abgelehnt.
b) Die Frage, ob der Rückforderungsbescheid vom 29.November 1979 rechtmäßig ist, richtet sich nach gefestigter Rechtsprechung des EuGH und des Senats nach nationalem Recht.
Die nationale Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Währungsausgleichs-Erstattungsbescheide ist im vorliegenden Fall allerdings zweifelhaft. Auf Abschn.VII der Bekanntmachung vom 30.Mai 1973 über die Gewährung von Währungsausgleichsbeträgen bei der Ausfuhr (Bundeszollblatt --BZBl-- 1973, 654), die keinen Rechtsnormcharakter trägt, kann die Rücknahme nicht gestützt werden (vgl. Urteil des Senats vom 28.August 1978 VII R 56/75, BFHE 126, 341, 344). Für die Zeit vor Inkrafttreten des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vom 25.Mai 1976 hat der erkennende Senat in vergleichbaren Fällen die Vorschriften für die Rückforderung von zu Unrecht gewährten Ausfuhrerstattungen entsprechend angewendet (Urteil vom 12.Februar 1980 VII R 35/77, BFHE 130, 97, 99; vgl. auch Urteile vom 2.November 1982 VII R 61/80, BFHE 137, 107, 110, und vom 18.Dezember 1979 VII R 18/77, BFHE 129, 450, 454, in denen der Senat auf den engen Zusammenhang zwischen der Gewährung von Währungsausgleichsbeträgen und der von Ausfuhrerstattungen hingewiesen hat). Diese Vorschriften verpflichteten --vorbehaltlich des etwa entgegenstehenden Grundsatzes von Treu und Glauben-- die Verwaltung zur Rücknahme (§ 12 der Verordnung Ausfuhrerstattungen EWG vom 24.Januar 1968 --VO AusfErst EWG 1968-- und § 14 Abs.1 der Verordnung Ausfuhrerstattung EWG vom 16.Dezember 1974 --VO AusfErst EWG 1974--; vgl. auch Urteil des Senats vom 3.Mai 1977 VII R 16/74, BFHE 123, 230). So ist auch die Rechtslage seit Erlaß der Verordnung über die Gewährung von Währungsausgleichsbeträgen bei der Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse (Ausfuhr-Währungsausgleich-Verordnung) vom 9.Dezember 1980 (BGBl I 1980, 2242, Vorschriftensammlung der Bundesfinanzverwaltung --VSF-- M 0940; vgl. § 10 der Verordnung).
Ob vor Inkrafttreten der letztgenannten Verordnung und nach Inkrafttreten des VwVfG sich die Rückforderung zu Unrecht gewährter Währungsausgleichsbeträge nach dem VwVfG richtete, hängt von der Auslegung des § 1 Abs.1 VwVfG ab. Danach gilt dieses Gesetz nur, soweit nicht Rechtsvorschriften des Bundes inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthalten. Es ist fraglich, ob danach eine durch Analogie aus den Bestimmungen über die Ausfuhrerstattungen gewonnene Rechtsnorm den Vorrang erhalten muß vor den Bestimmungen des VwVfG. Der Senat braucht diese Frage im vorliegenden Fall jedoch nicht zu entscheiden. Der angefochtene Rückforderungsbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung erweist sich nämlich auch dann als rechtmäßig, wenn man davon ausgeht, daß er nur unter den Voraussetzungen des § 48 VwVfG erlassen werden durfte.
Die durch den Rückforderungsbescheid zurückgenommenen Erstattungsbescheide waren rechtswidrige Verwaltungsakte, die eine einmalige Geldleistung gewährten. Sie durften nach § 48 Abs.1 Satz 2, Abs.2 Satz 1 VwVfG zurückgenommen werden, soweit das Vertrauen des Begünstigten auf den Bestand des Gewährungsbescheids unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen nicht schutzwürdig ist. So liegt es im Streitfall.
Nach gefestigter Rechtsprechung des Senats hinsichtlich der Ausfuhrerstattungen ist, falls solche zu Unrecht gewährt worden waren, mit ihrer Rückforderung in erster Linie ein ungerechtfertigter Wettbewerbs- oder Marktvorteil des Einzelnen gegenüber den übrigen Marktteilnehmern zu beseitigen. Das öffentliche Interesse daran, daß das geschieht und somit Erstattungen auch wirklich nur in den Fällen gewährt werden, für die sie vorgesehen sind, überwiegt in der Regel das schutzwürdige Interesse des Begünstigten an der Aufrechterhaltung der Erstattung. Daher ist eine zu Unrecht gewährte Erstattung grundsätzlich widerruflich (vgl. Urteil des Senats vom 9.April 1975 VII R 12/70, BFHE 116, 211, 216). Diese Würdigung der Interessenlage lag bzw. liegt dem § 12 VO AusfErst EWG 1968, § 14 Abs.1 VO AusfErst EWG 1974 und § 19 Abs.1 der Verordnung Ausfuhrerstattung EWG vom 19.März 1980 (VO AusfErst EWG 1980) zugrunde, wonach die Verwaltung verpflichtet ist, zu Unrecht gewährte Ausfuhrerstattungen zurückzufordern. Im Falle unrechtmäßiger Gewährung von Währungsausgleichsbeträgen ist die Interessenlage die gleiche (vgl. § 10 Ausfuhr-Währungsausgleich-Verordnung). Die gleiche Interessenabwägung hat nach Auffassung des Senats auch bei der Anwendung des § 48 Abs.2 VwVfG zu erfolgen. Sie führt zum Ergebnis, daß ein etwaiges Vertrauen des Begünstigten in den Bestand der Gewährungsbescheide nicht schutzwürdig ist.
Im vorliegenden Fall kommt ein besonderer Umstand hinzu, der es nicht erlaubt, das Interesse der Klägerin am Bestand der Gewährungsbescheide höher zu achten als das öffentliche Interesse an einer der Rechtslage entsprechenden Erstattung. Die Gewährung der Währungsausgleichsbeträge im vorliegenden Fall hing von der Entscheidung der Frage ab, wie die ausgeführten Waren in den GZT einzuordnen sind. § 23 des Zollgesetzes (ZG) sieht für Fälle, in denen es um die Einordnung einer Ware in den GZT geht, die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) der Verwaltung auf Antrag des Beteiligten vor. Die Klägerin hat sich eine solche vZTA nicht erteilen lassen. Ihr Vertrauen in ihre (unrichtige) Tarifauffassung, auf der die ursprünglichen Gewährungsbescheide beruhten, kann daher nicht als schutzwürdig angesehen werden. Daran vermag bei den Besonderheiten, die sich bei der Gewährung von Währungsausgleichsbeträgen ergeben, auch die Regelung des § 48 Abs.2 Satz 2 VwVfG nichts zu ändern, wonach das Vertrauen im Regelfall dann schutzwürdig ist, wenn der Begünstigte nicht mehr rückgängig zu machende Vermögensdispositionen getroffen hat.
Die Jahresfrist des § 48 Abs.4 VwVfG ist im vorliegenden Fall eingehalten worden.
c) Auf den Grundsatz von Treu und Glauben beruft sich die Klägerin im vorliegenden Fall zu Unrecht. Auch insoweit genügt es darauf hinzuweisen, daß es die Klägerin unterlassen hat, vor der Einfuhr eine vZTA einzuholen. Nach ständiger, neuerdings wiederum bestätigter Rechtsprechung des Senats steht in einem solchen Fall der Grundsatz von Treu und Glauben der Nachforderung von Eingangsabgaben wegen zunächst unrichtiger Tarifierung nicht entgegen (vgl. Urteil vom 9.März 1982 VII R 16/80, BFHE 135, 561). Das gleiche muß für den vorliegenden Fall gelten. Daran vermag der Umstand nichts zu ändern, daß die Klägerin in den Ausfuhranmeldungen angegeben hatte, daß die ausgeführte Ware gehärtetes Schweineschmalz war. Nur eine von ihr eingeholte vZTA, die die Ware der Tarifnr. 15.01 GZT zugewiesen hätte, hätte für die Klägerin eine ausreichende Vertrauensgrundlage abgegeben.
Die Entscheidung nach § 48 Abs.1 und 2 VwVfG ist eine Ermessensentscheidung. Diese war im vorliegenden Fall aber durch die Rechtsentscheidung über die Frage, ob die Währungsausgleichsbeträge zu Recht gewährt worden waren, so vorgeprägt, daß für den Regelfall nur eine Rückforderung der gewährten Währungsausgleichsbeträge in Frage kam. Es ist daher nicht zu beanstanden, daß die die Ermessensausübung bestimmenden Erwägungen des HZA nicht ausdrücklich im angefochtenen Rückforderungsbescheid enthalten sind (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs vom 13.April 1978 V R 109/75, BFHE 125, 126, 129, BStBl II 1978, 508). /++
4. Der Senat als letztinstanzliches Gericht ist nach Art.177 Abs.3 EWGV zur Anrufung des EuGH verpflichtet, wenn sich in einem bei ihm schwebenden Verfahren eine Frage nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts stellt. Wie der EuGH in Auslegung der genannten Vorschrift aber entschieden hat, besteht eine solche Vorlagepflicht nicht, wenn "die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, daß für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt" (Urteil vom 6.Oktober 1982 Rs.283/81, EuGHE 1982, 3415, 3431, Urteilstenor). Diese Voraussetzungen hält der erkennende Senat im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin hier für gegeben.
Ob die Anwendung des Gemeinschaftsrechts im Einzelfall offenkundig im genannten Sinn ist, ist nach Auffassung des EuGH "unter Berücksichtigung der Eigenheiten des Gemeinschaftsrechts, der besonderen Schwierigkeiten seiner Auslegung und der Gefahr voneinander abweichender Gerichtsentscheidungen innerhalb der Gemeinschaft zu beurteilen" (EuGHE 1982, 3415, 3431, Urteilstenor). Davon ist der erkennende Senat ausgegangen. Gerade die Berücksichtigung der Eigenheiten des Rechts des GZT, der als systematisches Verzeichnis von Waren und Warengruppen in besonderem Maße eine Auslegung nach Wortlaut und Systematik erfordert, führt zum Ergebnis, daß die richtige Anwendung des GZT hier offenkundig ist. Aus dem Umstand, daß der GZT in mehreren Sprachen abgefaßt ist, ergibt sich im vorliegenden Fall keine besondere Schwierigkeit; auch die Klägerin hat keine solche aufgezeigt. Der Senat hat auch berücksichtigt, daß gerade der GZT eine besondere, mit der nationalen nicht unbedingt übereinstimmende Terminologie aufweist und grundsätzlich im Zusammenhang mit dem gesamten Gemeinschaftsrecht zu sehen ist.
Die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts ist indessen nur dann "offenkundig" im Sinn der zitierten EuGH-Entscheidung, wenn sich der Senat davon überzeugt hat, daß "auch für die Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und den Gerichtshof die gleiche Gewißheit bestünde" (EuGHE 1982, 3415, 3430, Absatz 16 der Gründe). Der Senat hat diese Frage mit besonderer Sorgfalt geprüft in Anbetracht des Umstandes, daß er von der Vorentscheidung des FG abweicht. Zwar ist in diesem Fall die Frage nicht deswegen von Bedeutung, weil es gilt, die Einheitlichkeit der Anwendung des Gemeinschaftsrechts zu sichern; denn durch die vorliegende Entscheidung des Senats wird die Vorentscheidung des FG aufgehoben und dadurch die Einheitlichkeit der Anwendung des Gemeinschaftsrechts für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gesichert. Aber das Vorliegen einer abweichenden Entscheidung des FG kann ein Indiz dafür sein, daß auch Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten entsprechend entscheiden könnten.
Allerdings folgt der Senat nicht der Auffassung von Daig in Groeben/Boeckh/Thiesing/Ehlermann (Kommentar zum EWG-Vertrag, 3.Aufl., Art.177 Anm.42), bei Vorliegen einer abweichenden Gerichtsentscheidung sei die Anwendung des Gemeinschaftsrechts von vornherein nicht als offenkundig zu betrachten. Es ist vielmehr auf Inhalt und Begründung der abweichenden Entscheidung abzustellen. Hat dieses Gericht z.B. wesentliche Auslegungsgrundsätze des Gemeinschaftsrechts übersehen oder diese offenkundig unrichtig angewendet, so kann das letztinstanzliche Gericht zu der Überzeugung gelangen, daß entsprechende Entscheidungen der Gerichte anderer Mitgliedstaaten nicht zu erwarten sind. So liegt der Fall hier.
Das FG hat die für die Auslegung des GZT maßgebenden Auslegungsgrundsätze deutlich verkannt. Insbesondere hat es die hier wesentliche systematische Auslegung ganz außer acht gelassen. Es hat die ErlNRZZ nicht berücksichtigt, die wesentliche Aussagen zur entscheidenden Tarifierungsfrage enthalten und nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ein maßgebliches Erkenntnismittel bei der Auslegung des GZT bilden. Das FG hat vielmehr seine Entscheidung (auch) auf das Fehlen nachvollziehbarer Gründe, das Vorliegen eines unmittelbaren Konkurrenzverhältnisses zwischen rohem und gehärtetem Schweineschmalz und das gleiche Aussehen dieser beiden Warenarten gegründet, Argumente, die nach der Eigenart des GZT für die Tarifierung gerade keine Rolle spielen dürfen. In Anbetracht dieser Umstände ist der erkennende Senat zu der Überzeugung gelangt, daß Gerichte der übrigen Mitgliedstaaten und der EuGH nicht so wie die Vorinstanz, sondern wie im vorliegenden Urteil entscheiden würden.
Nach allem besteht nach Art.177 Abs.3 EWGV in der Auslegung des EuGH-Urteils in EuGHE 1982, 3415 für den erkennenden Senat keine Pflicht, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.
Fundstellen
Haufe-Index 61078 |
BFHE 145, 266 |
BFHE 1986, 266 |
BB 1986, 383-383 (S) |