Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Ein Gebäude, das zwar überwiegend, aber zu weniger als 80 % Wohnzwecken, im übrigen teils Fabrikations- und Lagerzwecken, teils - wenn auch nur geringfügig - anderen Zwecken dient, ist weder nach § 7b noch nach § 7e EStG 1949 und 1950 steuerlich begünstigt.
Normenkette
EStG §§ 7b, 7e; EStDV § 12
Tatbestand
Streitig ist die Inanspruchnahme der erhöhten Absetzungen für Wohngebäude oder für Fabrikgebäude nach § 7b bzw. § 7e des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die Veranlagungszeiträume 1949 und 1950.
Der Beschwerdeführer (Bf.), der die Korkenfabrikation betreibt, hat im Jahre 1949 ein Gebäude errichtet. Das Finanzamt stellte in übereinstimmung mit dem Bf. den Anteil der Wohnräume auf 55 %, der Fabrikations- und Lagerräume einschließlich üblicher Nebenräume auf 40 % und der sonstigen, nicht steuerbegünstigten Räume (Schweineställe) auf 5 % fest. Der Bf. beantragte, das Haus als Wohngebäude i. S. des § 7b EStG anzusehen, da der zu Wohnzwecken benutzte Teil überwiege, und der den Fabrikationszwecken dienende Gebäudeteil mehr als 20 % betrage. Der Pferdestall werde im Sommer als Lagerraum benutzt; er sei daher nicht als Nebenraum, sondern als Fabrikationsraum zu betrachten. Nach § 7e EStG in Verbindung mit § 12 Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) 1949 gelte das Gebäude als Wohngebäude i. S. des § 7b EStG. Das Finanzamt lehnte den Antrag ab, weil das Gebäude nicht zu mehr als 80 % Wohnzwecken diene, die Herstellungskosten der Nebenräume mehr als 20 % des nach § 7e EStG begünstigten Gebäudeteiles ausmachten (ß 12 Abs. 1 EStDV 1949 und 1950), und weil außerdem in dem Gebäude auch nichtbegünstigte Räume (Schweineställe) enthalten seien. Die Einsprüche blieben erfolglos.
In der Berufung führte der Bf. aus, daß der Pferdestall wegen der Benutzung während des Sommers als gewerbliches Lager als Nebenraum nur mit 5 % der Gesamtherstellungskosten berücksichtigt werden dürfe. Im übrigen dienten die in dem Neubau befindlichen Nebenräume auch der Fabrikation im Hauptgebäude, so daß die Herstellungskosten nicht allein zu den Baukosten des Neubaues in Beziehung gesetzt werden dürften. Wenn schließlich der Schweinestall auch nicht zu den in den §§ 7b und 7e EStG begünstigten Räumen zähle, so wäre eine Ablehnung der erhöhten Abschreibung trotzdem eine unzutreffende Auslegung des Gesetzes, zumal der frühere Schweinestall im Hauptgebäude zu Fabrikationsräumen umgewandelt worden sei. Durch den Neubau sei der Gesetzeszweck in vollem Umfange erfüllt, da dadurch im alten Gebäude zweckentfremdete Räume ihrem ursprünglichen Fabrikationszweck wieder zugeführt seien. Das Finanzamt erkannte in seiner Gegenäußerung die Ausführungen des Bf. über die Herstellungskosten und über die teilweise Benutzung des Pferdestalls als gewerblichen Lagerraum nicht an.
Die Berufung wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht führte aus, eine erhöhte Absetzung könne weder nach § 7b noch nach § 7e EStG gewährt werden. § 7b EStG entfalle, weil das Gebäude weder zu 80 % Wohnzwecken noch lediglich den in den §§ 7b und 7e EStG begünstigten Zwecken diene. § 7e EStG scheide aus, da auf die Fabrikations- und Lagerräume, selbst unter voller Einbeziehung des Pferdestalls, höchstens 40 % des Neubaues entfielen; zudem gewähre § 7e EStG 1949 für Lagerhäuser überhaupt keine Bewertungsfreiheit. Der Hinweis des Bf. auf den betrieblichen Zusammenhang des Neubaues mit den sonstigen Gebäuden sei unbeachtlich, da der Neubau lediglich nach seiner eigenen Verwendung zu beurteilen sei. Für Billigkeitserwägungen sei im steuergerichtlichen Verfahren kein Raum.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) beantragt der Bf., ihm für den Veranlagungszeitraum 1949 die Abschreibung nach § 7b EStG im Billigkeitswege zu gewähren, auch wenn die erhöhte Abschreibung nach § 12 Abs. 3 EStDV 1949, wie er jetzt anerkenne, durch das Vorhandensein nichtbegünstigter Räume ausgeschlossen sei. Die Herstellungskosten für den Schweinestall machten nur 5 % der Gesamtherstellungskosten aus.
Für den Veranlagungszeitraum 1950 begehrt der Bf. die Anwendung des § 7b EStG. Durch den Wegfall des § 12 Abs. 3 EStDV 1949 und die Fassung des § 12 Abs. 3 EStDV 1950 ergebe sich für den Veranlagungszeitraum 1950, daß bei gemischt-genutzten Grundstücken, die überwiegend, aber zu weniger als 80 % Wohnzwecken dienten, § 7b EStG Anwendung finde, auch wenn ein Teil der Räume für andere als die in den §§ 7b und 7e EStG genannten Zwecke bestimmt sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Die Anwendung des § 7b EStG ist aus rechtlichen Gründen für die beiden streitigen Jahre zu versagen.
Für das Jahr 1949 entfällt eine erhöhte Absetzung nach § 7b oder nach § 7e EStG, da das Gebäude nicht zu 80 %, sondern nur zu 55 % Wohnzwecken diente, und die Lagerräume im Veranlagungszeitraum 1949 überhaupt nicht nach § 7e EStG 1949 steuerbegünstigt sind. Außerdem stehen die sonstigen Zwecken dienenden Schweineställe einer erhöhten Absetzung entgegen. Der Bundesfinanzhof hat durch Bescheid vom 1. April 1952 und durch Urteil vom 1. Juli 1952 I 24/52 S, Slg. Bd. 56 S. 506, Bundessteuerblatt (BStBl) 1952 III S. 197, klargestellt, daß die durch § 7e EStG 1950 eingeführte Bewertungsfreiheit für nach dem 31. Dezember 1948 erstellte Lagerhäuser auf den Veranlagungszeitraum 1949 keine Anwendung findet. Diesem Standpunkt schließt sich der erkennende Senat an. Die Voraussetzungen für die Begünstigung von Lagerräumen nach § 12 Abs. 1 EStDV 1949 scheiden hier schon deshalb von vornherein aus, weil die 20 - % - Grenze überschritten ist. Zudem stellt, wie auch der Bf. einräumt, § 12 Abs. 3 EStDV 1949 eindeutig klar, daß die §§ 7b und 7e EStG 1949 nicht anzuwenden sind, wenn das Gebäude noch anderen Zwecken dient, wie es hier bei dem Schweinestall der Fall ist. Dies ergibt sich allerdings, wie oben ausgeführt, auch ohne die EStDV 1949 bereits aus dem Wortlaut der §§ 7b und 7e EStG unmittelbar.
Für das Jahr 1950 ist ebenfalls von den Vorinstanzen die Steuerbegünstigung mit Recht versagt worden.
Im Gegensatz zum Vorjahre fallen nunmehr 40 % des Gebäudes als Fabrikations- und Lagerräume unter § 7e EStG 1950, wobei es dahingestellt bleiben kann, inwieweit der Pferdestall als unmittelbar begünstigter Lagerraum oder als Nebenraum i. S. des § 12 Abs. 1 EStDV 1950 anzusehen ist, und ob etwa die dort vorgeschriebene 20 - % - Grenze überschritten wird. Denn in jedem Fall steht der Anwendung des § 7b in Verbindung mit § 7e EStG und § 12 EStDV das Vorhandensein des im Gebäude befindlichen Schweinestalls entgegen, selbst wenn man der begünstigenden Vorschrift des § 12 Abs. 3 EStDV 1950 Rechtswirksamkeit zuerkennt.
Die Anwendung des § 7e EStG entfällt, weil der Wohnzwecken dienende Teil mehr als 50 % des Gebäudes beträgt. Da der für Wohnzwecke genutzte Teil aber nicht 80 % überschreitet, kommt § 7b EStG ebenfalls unmittelbar nicht in Frage. In Verbindung mit § 7e EStG und § 12 Abs. 3 EStDV 1950 könnte der Bf. § 7b EStG nur dann in Anspruch nehmen, wenn der nicht zu Wohnzwecken genutzte Teil des Hauses den Voraussetzungen des § 7e EStG genügen würde. Diese Einschränkung, die sonstige, nicht nach den §§ 7b und 7e EStG begünstigte Räume als schädlich ansieht, gilt entgegen der Auffassung des Bf. trotz des Wegfalls des § 12 Abs. 3 EStDV 1949 auch für die Folgezeit. Sie ergibt sich sowohl aus den §§ 7b und 7e EStG unmittelbar als auch aus § 12 Abs. 3 EStDV 1950, wonach die im § 7b EStG vorgesehene 80 - % - Grenze nur zugunsten der nach § 7e EStG begünstigten Räume herabgesetzt wird. Bei gemischt-genutzten Grundstücken, die außer den in §§ 7b und 7e EStG angeführten noch dritten Zwecken dienen, kommt § 7b EStG nur zum Zuge, wenn sie zu mehr als 80 % für Wohnzwecke benutzt werden (so auch Einkommensteuer-Richtlinien 1950, Abschn. 77, Blümich-Falk, Einkommensteuergesetz, 7. Aufl., § 7b Anm. 2, und Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 5. Aufl., § 7e Anm. 16 und 17). Die Fiktion, daß 80 % = 100 % für die Berechnung der Absetzung für Abnutzung sind, gilt eben nur für den Wohnzweck. Da im vorliegenden Fall nur 55 % des Gebäudes für Wohnzwecke bestimmt sind, und die Schweineställe mit 5 % sonstigen, nicht unter die §§ 7d und 7e EStG fallenden Zwecken dienen, kann der Bf. die erhöhte Absetzung für Wohngebäude nach § 7b EStG auch nicht unter Bezugnahme auf § 12 EStDV 1950 in Anspruch nehmen.
Für die vom Bf. geltend gemachten Billigkeitserwägungen nach § 131 der Reichsabgabenordnung sind nicht die Steuergerichte, sondern die Verwaltungsbehörden zuständig.
Fundstellen
Haufe-Index 424178 |
BStBl III 1957, 102 |
BFHE 1957, 265 |
BFHE 64, 265 |