Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Bei einem überwiegend, aber weniger als zu 80 v. H. Wohnzwecken dienenden Gebäude kann die Steuervergünstigung des § 7 b EStG 1950 nur dann in Anspruch genommen werden, wenn hinsichtlich des nicht Wohnzwecken dienenden Teiles sämtliche Voraussetzungen des § 7 e EStG 1950 vorliegen. Zu diesen Erfordernissen gehört auch das Vorliegen einer ordnungsmäßigen Buchführung.
Normenkette
EStG § 7b/1, § 7e/1; EStDV § 12 Abs. 3
Tatbestand
Der Beschwerdegegner (Bg.) begann im Jahre 1950 mit der Errichtung eines Wohn- und Geschäftshauses, das nach seiner Fertigstellung zu mehr als 50 v. H., aber zu weniger als 80 v. H. Wohnzwecken und im übrigen ausschließlich seinem Buchdruckereibetrieb diente. Streit besteht darüber, ob das Gebäude im Jahre 1952 oder 1954 fertiggestellt wurde, ferner ob es zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken diente. Auf Grund einer Betriebsprüfung, die den Zeitraum II/1948 bis 1954 umfaßte, wurde die Buchführung des Bg. verworfen. Die gewerblichen Gewinne wurden durch Vermögensvergleich ermittelt. Die vom Bg. gemäß § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1950 begehrte erhöhte Abschreibung auf die bis zum 31. Dezember 1951 aufgewendeten Teilherstellungskosten des Gebäudes für die Veranlagungszeiträume 1950 bis 1954 wurde versagt. Im Berufungsverfahren wurde zunächst durch Zwischenurteil dahin entschieden, daß die Steuervergünstigung des § 7 b EStG dem Grunde nach zu gewähren sei. Das Finanzgericht ist der Auffassung, daß der Mangel der ordnungsmäßigen Buchführung, der eine Steuervergünstigung nach § 7 e EStG ausschließen würde, der vom Bg. erstrebten Steuervergünstigung nicht entgegenstehe. Da das Gebäude, für das die Steuervergünstigung erstrebt werde, ausschließlich Wohn- und Fabrikationszwecken diene, träfen hier die Voraussetzungen der §§ 7 b und 7 e EStG zusammen. Für einen solchen Fall ergebe sich aus § 12 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV), daß die Steuervergünstigung des § 7 b EStG 1950 zu gewähren sei, wenn das Gebäude überwiegend Wohnzwecken dient, während § 7 e a. a. O. beim überwiegen der Fabrikationszwecke (oder Lagerzwecke) anzuwenden sei. Nur für den letzteren Fall sei ordnungsmäßige Buchführung erforderlich, da § 12 EStDV für die Anwendung des § 7 e EStG 1950 ausdrücklich auch das Vorliegen der übrigen Voraussetzungen vorschreibe; für die Inanspruchnahme des § 7 b a. a. O. würden die übrigen Voraussetzungen des § 7 e a. a. O. in § 12 EStDV nicht gefordert. Diese Bestimmung sei nicht etwa eine Durchführungsbestimmung allein zu § 7 e EStG 1950. Sie sei vielmehr zu den §§ 7 a bis 7 e EStG ergangen und beziehe sich damit unmittelbar auch auf § 7 b a . a. O. Wenn § 12 EStDV für die Anwendung des § 7 b EStG, der eine ordnungsmäßige Buchführung nicht voraussetze, auch diese Voraussetzung des § 7 e a. a. O. hätte fordern wollen, so hätte diese ausdrücklich angeführt werden müssen.
Mit seiner Rechtsbeschwerde (Rb.) rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Rechtsauslegung. Er ist der Auffassung, daß § 12 EStDV ausdrücklich zu § 7 e EStG ergangen sei. Dies zeige sich bereits aus der überschrift. Deshalb müsse auch das Vorliegen einer ordnungsmäßigen Buchführung bei einem Zusammentreffen der §§ 7 b und 7 e EStG gefordert werden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Für die vom Bg. begehrte Steuervergünstigung kommt eine unmittelbare Anwendung des § 7 b EStG 1950 nicht in Betracht, da das Gebäude unstreitig nicht zu mehr als 80 v. H. Wohnzwecken dient. Auch wenn man der begünstigenden Vorschrift des § 12 EStDV 1950 Rechtswirksamkeit zuerkennt, so kann doch die begehrte Steuervergünstigung nur in Betracht kommen, soweit die den Voraussetzungen des § 7 b EStG nicht entsprechenden Gebäudeteile durch die Vorschrift des § 7 e a. a. O. als steuerbegünstigt angesehen werden können. Im Gegensatz zu § 7 b EStG erfordert § 7 e a. a. O. eine Vielzahl von Voraussetzungen. Diese Vorschrift verlangt nicht nur, daß das Gebäude zu mehr als 80 v. H. Fabrikations- oder Lagerzwecken dient, ihre Anwendung setzt vielmehr weiter voraus, daß der Bauherr ein Gewerbetreibender ist und daß das Gebäude ganz bestimmten eigengewerblichen Zwecken unmittelbar dient. Dabei werden ausdrücklich nur solche Gewerbetreibende begünstigt, die ordnungsmäßige Buchführung haben. Weitere Einschränkungen ergeben sich für Lagerräume. Wie der Senat bereits in seinem Urteil IV 350/55 U vom 24. Januar 1957 (Slg. Bd. 64 S. 265, Bundessteuerblatt 1957 III S. 102) ausgesprochen hat, muß bei einem Zusammentreffen der Steuervergünstigungen des § 7 b EStG mit denen des § 7 e a. a. O. die Steuervergünstigung auch des § 7 b a. a. O. (in Verbindung mit § 12 EStDV) versagt werden, wenn nicht alle Voraussetzungen, die § 7 e a. a. O. fordert, erfüllt sind. Dabei kann es keinen Unterschied machen, aus welchem Grunde bei den nicht Wohnzwecken dienenden Gebäudeteilen die Voraussetzungen des § 7 e EStG nicht gegeben sind. Bei dem Urteil IV 350/55 U war ein Raum nicht dem § 7 e EStG entsprechend verwendet. Das gleiche muß gelten, wenn der die Steuerbegünstigung begehrende Steuerpflichtige kein Gewerbetreibender ist, wenn er keine ordnungsmäßigen Bücher führt oder wenn die von ihm errichteten Fabrikations- oder Lagerräume nicht unmittelbar eigengewerblichen Zwecken dienen.
Das Finanzgericht kann sich auch nicht auf den Wortlaut des § 12 Abs. 3 EStDV 1950 berufen. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine Durchführungsverordnung, die infolge Fehlens einer so weit reichenden Ermächtigung nicht im Sinne einer Milderungsvorschrift auf im Gesetz ausdrücklich vorgeschriebene Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigung verzichten kann. Ein derartiger Verzicht hätte auch in der Verordnung deutlich zum Ausdruck gebracht werden müssen. Das ist aber nicht der Fall. Der Wortlaut des § 12 Abs. 3 EStDV 1950 läßt einen solchen Verzicht auf die Voraussetzungen des § 7 e EStG für den Fall, daß bei einem Zusammentreffen mit § 7 b a. a. O. der Wohnzwecken dienende Gebäudeteil überwiegt, auch nicht erkennen. Die hier getroffene Regelung ist als einheitliches Ganzes zu beurteilen; wenn in dem auf die überwiegenden Wohnzwecke bezogenen zweiten Halbsatz der Hinweis auf die übrigen Voraussetzungen des § 7 e EStG aus dem ersten Halbsatz nicht noch einmal wiederholt worden ist, so kann daraus ein Verzicht auf diese Voraussetzungen nicht hergeleitet werden.
Die Sache geht an das Finanzgericht zurück, das nunmehr abschließend zu entscheiden hat.
Fundstellen
Haufe-Index 408980 |
BStBl III 1958, 164 |
BFHE 1958, 419 |
BFHE 66, 419 |