Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerliche Förderungsgesetze
Leitsatz (amtlich)
Eine Haftung wird gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 LAG nur dann begründet, wenn mindestens der Veräußerer sich der Ungleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen bewußt ist und diese wegen der persönlichen Beziehungen zum Erwerber in Kauf nimmt.
Normenkette
LAG § 61 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Herr X. wurde mit einem Anteil an einer Erbengemeinschaft in Höhe von 13.900 DM zur Vermögensabgabe herangezogen. Er veräußerte diesen Anteil im Jahre 1956 für 15.000 DM an die übrigen Miterben, die sich zum Erwerb des Anteils zu einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen hatten.
Das Finanzamt zog diese Gesellschaft gemäß § 61 Abs. 1 Satz 2 LAG zur Haftung für die Vermögensabgabe des Herrn X. heran. Die Gegenleistung der Miterben sei mehr nach den persönlichen Beziehungen der Vertragsparteien als unter dem Gesichtspunkt ihrer wirtschaftlichen Gleichwertigkeit bemessen worden. Die Haftsumme ermittelte das Finanzamt wie folgt:
Gemeiner Wert der der Erbengemeinschaft gehörigen Grundstücke ....................... 224.765 DM abzüglich die damit in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden .............. 20.585 DM ............................................. 204.180 DM davon 1/8 (= gemeiner Wert des Anteils des Herrn X.) ................................ 25.522 DM abzüglich Kaufpreis .......................... 15.000 DM Haftsumme .................................... 10.522 DM Die Bg. wandten ein, § 61 Abs. 1 Satz 2 LAG enthalte keine Sonderregelung gegenüber § 61 Abs. 1 Satz 1 LAG. Die Anwendung dieser Vorschrift setze daher voraus, daß eine Bereicherung objektiv und subjektiv vorhanden sei. Ein Wille des Veräußerers, eine unentgeltliche Zuwendung zu machen, sei jedoch in ihrem Falle nicht erkennbar.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzamt führte aus, § 61 Abs. 1 Satz 2 LAG enthalte eine Ausnahmeregelung, durch die der Gesetzgeber einen unentgeltlichen Erwerb fingiere, um die Fälle erfassen zu können, in denen die für die Annahme einer Schenkung erforderlichen subjektiven Voraussetzungen fehlten. Diese Auffassung werde bestätigt durch die Ausführungen in Tz. 15 des Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 1. September 1955 betreffend Behandlung der Vermögensabgabe bei der Veräußerung von Vermögen und im Erbfall (BStBl 1955 I S. 441).
Das Finanzgericht hob die Einspruchsentscheidung und den Haftungsbescheid auf. Es könne dahingestellt bleiben, ob bei der Veräußerung der gemeine Wert des Erbanteils mehr als 15.000 DM betragen habe. Auch für die Anwendung des § 61 Abs. 1 Satz 2 LAG sei das Vorhandensein eines zumindest bedingten Bereicherungswillens des Veräußerers erforderlich. Der Veräußerer müsse bei der Bemessung der Gegenleistung mit Rücksicht auf seine persönlichen Beziehungen zum Erwerber wollen (in Kauf nehmen), daß die Gegenleistung nicht wirtschaftlich gleichwertig sei. Tz. 15 des genannten Erlasses des Bundesministers der Finanzen sei nicht zutreffend.
Im Streitfalle lasse sich ein solcher Wille des Veräußerers nicht feststellen. Nach den äußerungen des Notars und des Vertreters des Veräußerers habe dieser bei der Bemessung des Kaufpreises auf die verwandtschaftlichen Beziehungen keine Rücksicht genommen. Er habe ursprünglich die anderen - gleichwertigen - Erbanteile für je 12.500 DM erwerben wollen und, nachdem sein Angebot abgelehnt worden sei, für seinen Anteil 15.000 DM gefordert. Die Bg. hätten mit Recht darauf hingewiesen, daß der im Jahre 1956 vereinbarte Kaufpreis von 15.000 DM in Einklang stehe mit den Kaufpreisen von 9.000 DM und 12.000 DM, die 1952 und 1953 bei der Veräußerung gleichwertiger Anteile mit Nichtverwandten vereinbart worden seien. Die Voraussetzungen des § 61 Abs. 1 LAG seien daher nicht gegeben.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist unbegründet.
Nach § 61 Abs. 1 Satz 1 LAG haftet derjenige, der nach dem 20. Juni 1948 vom Abgabeschuldner Vermögen unentgeltlich erwirbt, neben dem Abgabeschuldner für dessen Abgabeschuld in Höhe des gemeinen Wertes der Bereicherung zur Zeit des Erwerbs (Haftsumme). Einem unentgeltlichen Erwerb steht ein Erwerb gleich, bei dem die Gegenleistung mehr nach den persönlichen Beziehungen als unter dem Gesichtspunkt ihrer wirtschaftlichen Gleichwertigkeit bemessen wird, z. B. bei einem Altenteilsvertrag (ß 61 Abs. 1 Satz 2 LAG).
Auf Grund der in § 61 Abs. 4 LAG enthaltenen Ermächtigung wurde in § 19 Abs. 1 der Vierzehnten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz vom 13. Juni 1955 (14. AbgabenDV-LA) dazu näher bestimmt, als unentgeltlicher Erwerb von Vermögen gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1 LAG sei eine Schenkung im Sinne des § 3 und eine Zweckzuwendung im Sinne des § 4 Nr. 2 ErbStG anzusehen, es sei denn, daß es sich nur um übliche Gelegenheitsgeschenke handle.
Schenkungen im Sinne des § 3 ErbStG sind vor allem die Schenkungen im Sinne des bürgerlichen Rechts und die sogenannten freigebigen Zuwendungen. Die Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechts setzt neben der objektiven Bereicherung die Einigung der Vertragsparteien über die Unentgeltlichkeit der Zuwendung voraus (ß 516 Abs. 1 BGB), die freigebige Zuwendung den Bereicherungswillen des Zuwendenden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs III 229/52 U vom 25. September 1953, BStBl 1953 III S. 308, Slg. Bd. 58 S. 43).
Ob ein solcher Bereicherungswille auch in den Fällen des § 61 Abs. 1 Satz 2 LAG erforderlich ist, erscheint fraglich. § 19 Abs. 1 der 14. AbgabenDV-LA, der auf das ErbStG verweist, bezieht sich nur auf den unentgeltlichen Vermögenserwerb im Sinne des § 61 Abs. 1 Satz 1 LAG, nicht auch auf den Vermögenserwerb im Sinne des § 61 Abs. 1 Satz 2 LAG. Der Verordnungsgeber hat dazu in der amtlichen Begründung auch ausdrücklich ausgeführt, daß durch die in § 19 Abs. 1 a. a. O. enthaltene Begriffsauslegung § 61 Abs. 1 Satz 2 LAG nicht berührt werde. Wenn eine Haftung nach § 61 LAG in Betracht komme, so liege erbschaftsteuerlich in den Fällen des § 61 Abs. 1 Satz 1 LAG in Verbindung mit § 19 Abs. 1 a. a. O. gleichzeitig eine Schenkung oder Zweckzuwendung vor, die - abgesehen von den Freibeträgen - zur Festsetzung von Erbschaftsteuer führe (Bundesrats-Drucksache Nr. 57/55 zu §§ 19 und 22 der 14. AbgabenDV-LA).
Die Frage, ob auch in den Fällen des § 61 Abs. 1 Satz 2 LAG gleichzeitig eine freigebige Zuwendung im Sinne von § 3 ErbStG vorzuliegen hat, bedarf jedoch im Streitfall keiner erschöpfenden Erörterung. Es ist dem Finanzgericht jedenfalls insoweit zuzustimmen, daß auch in diesen Fällen der Veräußerer wissen und in Kauf nehmen muß, daß mit Rücksicht auf seine persönlichen Beziehungen zum Erwerber die Gegenleistung wirtschaftlich nicht gleichwertig ist. Dies ergibt schon eine Auslegung des § 61 Abs. 1 Satz 2 LAG. Eine Gegenleistung ist nur dann mehr nach den persönlichen Beziehungen als unter dem Gesichtspunkt ihrer wirtschaftlichen Gleichwertigkeit "bemessen", wenn zwischen der Ungleichwertigkeit der beiderseitigen Leistungen und den persönlichen Beziehungen ein innerer Zusammenhang besteht. Der Umstand, daß Leistung und Gegenleistung sich wirtschaftlich nicht ausgleichen, muß auf den persönlichen Beziehungen der Vertragsparteien beruhen. Dazu ist erforderlich, daß mindestens der Veräußerer sich der Ungleichwertigkeit bewußt ist und diese wegen der persönlichen Beziehungen zum Erwerber in Kauf nimmt. Der in Tz. 15 des genannten Erlasses des Bundesministers der Finanzen enthaltenen Auffassung, der Beschenkte könne sich in den Fällen des § 61 Abs. 1 Satz 2 LAG bei einer objektiv vorhandenen Bereicherung nicht auf den mangelnden Bereicherungswillen des Veräußerers berufen, kann daher insoweit nicht gefolgt werden, als darin zum Ausdruck kommt, subjektive Voraussetzungen seien für die Entstehung der Haftung nach § 61 Abs. 1 Satz 2 LAG überhaupt nicht erforderlich.
An dieser Auffassung ist jedoch richtig, daß eine objektiv vorhandene Bereicherung, vor allem wenn sie ein geringfügiges Ausmaß überschreitet, ein wesentlicher Anhaltspunkt dafür ist, daß die Vertragsparteien die wirtschaftlich ungleichwertigen Leistungen mit Rücksicht auf die bestehenden persönlichen Beziehungen vereinbarten und daß daher in der Regel die Feststellung einer Ungleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung bei Vorliegen persönlicher Beziehungen für die Inanspruchnahme zur Haftung ausreicht. Nur wenn der Bereicherte darlegen kann, daß entgegen der durch die objektive Bereicherung begründeten Vermutung der Veräußerer sich der Ungleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung nicht bewußt war, oder daß er die Ungleichwertigkeit nicht wegen der persönlichen Beziehungen, sondern aus anderen Gründen in Kauf nahm, entfällt die Haftung des Erwerbers nach § 61 Abs. 1 Satz 2 LAG.
Das Finanzgericht hat das Vorliegen derartiger Gründe im Streitfall mit Recht bejaht. Es hat dazu ohne Rechtsverstoß festgestellt, daß in den Jahren 1952 und 1953 für gleichwertige Erbteile Preise von 9.000 DM und 12.000 DM mit Nichtverwandten vereinbart wurden. Auch hat Herr X. zunächst die übrigen gleichwertigen Erbteile für 12.500 DM erwerben wollen und erst, nachdem dieser Vorschlag von den Miterben abgelehnt worden war, seinen Anteil für 15.000 DM verkauft. Bei dieser Sachlage ist es schon fraglich, ob überhaupt objektiv die vom Finanzamt angenommene Bereicherung der übrigen Miterben vorliegt. Jedenfalls ist es nicht zu beanstanden, wenn auf Grund der dargelegten Umstände das Finanzgericht das Vorliegen der subjektiven Voraussetzungen für die Inanspruchnahme zur Haftung verneint hat.
Das Finanzgericht hat daher den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung des Finanzamts mit Recht aufgehoben.
Fundstellen
Haufe-Index 411117 |
BStBl III 1964, 224 |
BFHE 1964, 591 |
BFHE 78, 591 |