Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassene Hinzuziehung
Leitsatz (NV)
1. Wird im Klageverfahren beigeladen, so wird mit der Beiladung nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine gebotene und unterlassene Hinzuziehung im Einspruchsverfahren geheilt.
2. Hat das FG in Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine Heilungsmöglichkeit abgelehnt, ist die Vorentscheidung aufzuheben. Über die Notwendigkeit einer Beiladung hat das FG im Klageverfahren zu entscheiden.
Normenkette
FGO § 60 Abs. 3
Tatbestand
I. Die verheiratete Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erzielte in den Streitjahren 1992 und 1993 Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung im Inland. Aufgrund eines Forschungsauftrages für ihren Ehemann lebte sie in der Zeit vom 1. Juli 1991 bis 30. Juni 1993 in den USA. Die Eheleute hatten während dieser Zeit nach wie vor im Inland Zimmer zum Unterstellen von Möbeln und "als temporäre Wohnung" angemietet. Sie blieben auch im Inland mit Hauptwohnsitz gemeldet.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) veranlagte die Klägerin für den Veranlagungszeitraum 1992 und für das 1. Halbjahr 1993 als beschränkt Steuerpflichtige. Diese beantragte daraufhin im Einspruchsverfahren, mit ihrem Ehemann zusammen veranlagt zu werden, da sie und ihr Ehemann stets unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen seien. Diesen Antrag lehnte das FA ab, ohne den Ehemann der Klägerin zum Einspruchsverfahren hinzuzuziehen.
Die Klage, mit der die Klägerin nach wie vor Zusammenveranlagung mit ihrem Ehemann begehrte, hatte insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) die Einspruchsentscheidung mangels Hinzuziehung aufhob. Eine Beiladung des Ehemannes fand nicht statt.
Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung der §60 Abs. 3, §100 Abs. 1und §76 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Die Klägerin hat zur Revision des FA nicht Stellung genommen und keine Anträge gestellt.
Entscheidungsgründe
II. Auf die Revision des FA ist die Vorentscheidung aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen (§126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Wird im Klageverfahren beigeladen, so wird mit der Beiladung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) eine gebotene, aber unterlassene Hinzuziehung im Einspruchsverfahren geheilt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 28. Juni 1995 II R 35/94, BFH/NV 1996, 146; vom 19. Juli 1994 VIII R 59/93, BFH/NV 1995, 684, m.w.N.). Entgegen der Auffassung des FG hat daher der BFH in ständiger Rechtsprechung den Verlust der "Einspruchsinstanz" aufgrund der vollumfänglichen gerichtlichen Überprüfung der Sach- und Rechtslage als verfahrensrechtlich hinnehmbar beurteilt. Auch trägt der Beigeladene nach §135 Abs. 3 FGO entgegen der Auffassung des FG ein Kostenrisiko nur, soweit er Anträge stellt oder Rechtsmittel einlegt. Er kann daher durch eigenverantwortliches Verhalten das Kostenrisiko vermeiden.
Die Vorentscheidung beruht auf einem Rechtsirrtum des FG über die Rechtsfolgen eines von ihm ggf. erlassenen Beiladungsbeschlusses. Dies ist ein Verfahrensfehler, der von Amts wegen zu beachten ist, weil er die Grundordnung des Verfahrens betrifft. Er führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Dieses wird nunmehr in eigener Zuständigkeit über die Notwendigkeit der Beiladung im Klageverfahren zu entscheiden haben.
Fundstellen