Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindung für Auflösung des Geschäftsführervertrags mit Komplementär-GmbH kann für Mitunternehmer tarifbegünstigte Entschädigung sein
Leitsatz (NV)
1. Eine Abfindung, die der Mitunternehmer einer KG für die Auflösung eines Geschäftsführungsvertrags mit der Komplementär-GmbH erhält, ist als Sondervergütung Bestandteil der mitunternehmerisch erzielten Einkünfte.
2. Die Behandlung der Abfindung als Sondervergütung und das Fortbestehen der mitunternehmerischen Beteiligung stehen einer Behandlung der Abfindung als tarifbegünstigte Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nicht entgegen.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH & Co. KG, die zur X-Unternehmensgruppe gehört. Komplementärin und Geschäftsführerin ist die V-GmbH, Kommanditistin ist seit Beginn des Streitjahrs 1994 die O-KG, in die die früheren Kommanditisten ihre Anteile eingebracht hatten. An den Kommanditanteilen hatten Unterbeteiligungen der Kinder der Kommanditisten bestanden, die auch nach der Einbringung der Kommanditanteile in die O-KG bestehen blieben. Einer der Unterbeteiligten mit einem Kapitalanteil von 4 % ist der Beigeladene. Er war bis zum Ende des Streitjahrs Geschäftsführer der V-GmbH sowie aufgrund eines wortgleichen Anstellungsvertrags auch Geschäftsführer der L-GmbH und weiterer Gesellschaften der Unternehmensgruppe.
Wegen Meinungsverschiedenheiten über die Geschäftsführung wurden die Anstellungsverträge des Beigeladenen mit allen Unternehmen der Gruppe zum 31. Dezember 1994 aufgehoben. Als "Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes" sollte der Beigeladene einen bis zum Jahresende zahlbaren Betrag von 550 000 DM erhalten. Hiervon übernahm die Klägerin 275 000 DM. Gleichzeitig wurde für die beiden Folgejahre noch ein Beratungsvertrag mit einem Honorar von 48 000 DM bzw. 36 000 DM geschlossen.
In ihrer Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1994 hatte die Klägerin den Betrag von 275 000 DM als nach § 34 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) tarifbegünstigt angegeben. Dem war der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) zunächst gefolgt, änderte seine Meinung aber nach einer Außenprüfung und erließ einen entsprechend geänderten Feststellungsbescheid vom 30. Juni 1998. Nach erfolglosem Einspruch wies das Finanzgericht (FG) auch die Klage ab.
Mit der Revision macht die Klägerin weiter geltend, die Abschlusszahlung an den Beigeladenen sei nach § 24 Nr. 1 Buchst. a bzw. Buchst. b i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG tarifbegünstigt.
Sie beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Bescheid über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung 1994 vom 30. Juni 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11. November 2004 dahingehend zu ändern, dass die Abfindung von 275 000 DM als tarifbegünstigt ausgewiesen wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Die Abfindung in Höhe von 275 000 DM ist als Entschädigung gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG tarifbegünstigt. Dies ist in dem angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid festzustellen.
1. Nach § 34 Abs. 1 EStG ist die Einkommensteuer für im zu versteuernden Einkommen enthaltene außerordentliche Einkünfte nach einem ermäßigten Tarif zu bemessen. Ob nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO) gesondert und einheitlich festgestellte Einkünfte die Voraussetzungen für diese Tarifbegünstigung erfüllen, ist eine mit den Einkünften in Zusammenhang stehende Besteuerungsgrundlage, die nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO ebenfalls gesondert festzustellen ist.
2. a) Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte u.a. Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 EStG in Betracht. Gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zu den Einkünften i.S. des § 2 Abs. 1 EStG Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden. Eine solche Entschädigung liegt vor, wenn die bisherige Grundlage für den Erfüllungsanspruch weggefallen ist und der an die Stelle der bisherigen Einnahmen getretene Ersatzanspruch auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruht (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil des Bundesfinanzhof --BFH-- vom 16. Juni 2004 XI R 55/03, BFHE 206, 544, BStBl II 2004, 1055, unter II.1. der Gründe, m.w.N.). Zahlungen im Zusammenhang mit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses, die an die Stelle weggefallener Einnahmen treten und nicht Erfüllungsleistungen des ursprünglichen Arbeitsverhältnisses sind, sind Ersatzleistungen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG.
Weiter setzt der Begriff der Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG voraus, dass der Ausfall der Einnahmen entweder von dritter Seite veranlasst oder vom Steuerpflichtigen selbst unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck herbeigeführt worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 21. September 1993 IX R 32/90, BFH/NV 1994, 308); der Steuerpflichtige darf das schadenstiftende Ereignis nicht aus eigenem Antrieb herbeigeführt haben.
b) Die Abfindung, die der Beigeladene im Zusammenhang mit der Aufhebung des Anstellungsvertrags als Geschäftsführer der GmbH erhalten hat, erfüllt die vorstehenden Voraussetzungen einer Entschädigung.
aa) Der Aufhebungsvertrag begründet eine neue Rechtsgrundlage für die Abfindung des Beigeladenen; die Abfindung wird nicht in Erfüllung des bisherigen Dienstverhältnisses gezahlt. Zwar hat der Beigeladene an dem Aufhebungsvertrag mitgewirkt. Dabei stand er aber unter einem erheblichen rechtlichen und tatsächlichen Druck, weil anderenfalls der Anstellungsvertrag gekündigt worden wäre. Der Aufhebung des Anstellungsverhältnisses konnte sich der Beigeladene danach im Ergebnis nicht entziehen.
bb) Die Abfindung ist auch Ersatz für entgehende, also künftig nicht mehr entstehende Einnahmen. Es ist insoweit ohne Bedeutung, dass der Beigeladene weiter als Unterbeteiligter Einkünfte aus der mitunternehmerischen Beteiligung an der Klägerin erzielt. Zwar waren auch die Einkünfte aus der Tätigkeit als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG als Sondervergütungen in solche aus Gewerbebetrieb umzuqualifizieren und bildeten so einen Bestandteil der aus der mitunternehmerischen Beteiligung bezogenen Einkünfte (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juli 1999 VIII R 46/94, BFHE 189, 139, BStBl II 1999, 720, m.w.N.). Die Abfindung ist ebenfalls als Sondervergütung zu behandeln und in gewerbliche Einkünfte umzuqualifizieren. Ungeachtet der Beendigung des Anstellungsvertrags handelt es sich bei der Abfindung noch um eine durch die frühere Tätigkeit veranlasste und damit "für" eine Tätigkeit i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 2. Halbsatz EStG geleistete Vergütung.
Gleichwohl können die Einkünfte aus der Geschäftsführungstätigkeit von den anderen Bestandteilen der mitunternehmerisch bezogenen Einkünfte jedenfalls dann abgegrenzt werden, wenn der Mitunternehmer Geschäfte einer an der Mitunternehmerschaft beteiligten Kapitalgesellschaft führt (gl.A. im Ergebnis Brucker, Steuerwarte 2006, 154, 155; Paus, Die Information über Steuer und Wirtschaft 1997, 37, 38; Preuschoff, Betriebs-Berater 1999, 1464, 1468; a.A. FG Köln, Urteil vom 20. September 1995 12 K 3591/93, Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 9, rkr.). Das vom FG hervorgehobene Argument, die Umqualifizierung der Sondervergütungen stelle die Gleichbehandlung von Mitunternehmer und Einzelunternehmer sicher, weil Letzterer seine gewerblichen Einkünfte nicht durch schuldrechtliche Verträge mit sich selbst zum Teil anderen Einkunftsarten zuordnen könne, ist zwar für sich genommen zutreffend (vgl. etwa BFH-Urteile vom 27. April 2006 IV R 41/04, BFHE 214, 69, BStBl II 2006, 755, unter II.1.c der Gründe, und in BFHE 189, 139, BStBl II 1999, 720). Es betrifft aber hinsichtlich der hier zu entscheidenden Frage nach Meinung des erkennenden Senats nicht Anstellungsverträge mit einer Kapitalgesellschaft. Aus einer Geschäftsführungstätigkeit für eine Kapitalgesellschaft würde auch ein Einzelunternehmer Einkünfte aus einer eigenständigen Einkunftsquelle beziehen. Die Abfindung im Zusammenhang mit einer vorzeitigen Beendigung des Anstellungsverhältnisses würde für ihn eine Entschädigung i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG darstellen, auch soweit er selbst Anteilseigner der Kapitalgesellschaft wäre. Dass die betreffenden Vergütungen bei einem Mitunternehmer gleichwohl umqualifiziert werden, weil die Geschäftsführungstätigkeit mittelbar der Mitunternehmerschaft zugute kommt, ändert an der Abgrenzbarkeit für Zwecke des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG nichts.
3. Bei der Entschädigung handelt es sich schließlich auch um außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG.
Dafür ist grundsätzlich Voraussetzung, dass die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nur in solchen Fällen geboten, in denen neben einer Hauptentschädigungsleistung aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit ergänzende Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden, die auch betragsmäßig nur einen ergänzenden Zusatz zur Hauptleistung bilden, diese also bei weitem nicht erreichen (BFH-Urteil vom 28. Juni 2006 XI R 58/05, BFHE 214, 319, BStBl II 2006, 835, m.w.N.). Entschädigungen, die aus Anlass der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses gewährt werden, sind grundsätzlich einheitlich zu beurteilen (BFH-Urteil vom 14. Mai 2003 XI R 12/00, BFHE 203, 38, BStBl II 2004, 449).
Im Streitfall ist die Entschädigung von 275 000 DM geballt innerhalb eines Jahres gezahlt worden. Da die Entschädigung erheblich über dem ansonsten zu zahlenden Geschäftsführergehalt lag, bewirkt sie infolge des progressiven Tarifs die Anwendung eines erhöhten Steuersatzes. Die zugleich vereinbarten Leistungen in den beiden Folgejahren stehen der Annahme einer Zusammenballung in einem Veranlagungszeitraum nicht entgegen. Sie beruhen auf einer eigenständigen Rechtsgrundlage und sind Gegenleistung für künftig vom Beigeladenen zu erbringende Beratungsleistungen, gelten also nicht den Schaden aus der Aufhebung des Anstellungsvertrags ab.
4. Die Sache ist entscheidungsreif. Die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 1994 ist unter Aufhebung der Vorentscheidung dahin zu ergänzen, dass von den auf den Beigeladenen entfallenden Einkünften 275 000 DM tarifbegünstigte außerordentliche Einkünfte sind.
Fundstellen
Haufe-Index 2239429 |
HFR 2010, 63 |