Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstand des Erwerbsvorgangs bei mehreren Verträgen; Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude
Leitsatz (NV)
1. Sind die Erwerber eines Grundstücks bereits vor Abschluß des Grundstückskaufvertrages an ein von der Veräußererseite entwickeltes und angebotenes Bebauungskonzept gebunden, so erwerben sie bei objektiver Betrachtungsweise das Grundstück in bebautem Zustand.
2. § 41 Abs. 1 AO 1977 gilt nicht nur für den Grunderwerbsteuertatbestand, sondern auch für die Bestimmung des Gegenstands des Erwerbsvorgangs.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1; AO 1977 § 41 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Durch notariell beurkundete Erklärungen vom 22. August 1984 bot die A-AG den Abschluß von Kaufverträgen über noch zu bildende Grundstücke aus einer Teilfläche eines bestimmten Grundstücks an von Herrn B zu benennende Dritte an. Herr B war berechtigt, sich selbst als Käufer für die gesamte Teilfläche oder für einzelne Teilflächen aus dieser zu benennen. Der Kaufpreis sollte . . . DM je qm betragen. Sollte Herr B seiner Benennungspflicht bis zum 31. Oktober 1984 nicht oder nicht vollständig für das gesamte Flurstück nachkommen, so verpflichtete er sich, sich selbst als Käufer für die gesamte Teilfläche oder für Teile aus dieser zu benennen. Herr B übernahm gegenüber der Verkäuferin die Kaufpreisbürgschaft. Die Verkäuferin war an der notariellen Verhandlung nicht selbst beteiligt, sondern durch eine Vertreterin ohne Vertretungsmacht. Am Zustandekommen des Vertrages wirkte die C-GmbH mit, die dieselbe Adresse hat wie die Vertreterin ohne Vertretungsmacht. In dem Vertrag wurde der C eine Maklerprovision in Höhe von 4 v. H. zugestanden. Die C war von der Verkäuferin beauftragt. Die Maklerprovision sollte der Käufer tragen. Durch notariell beurkundete Erklärungen vom 28. September 1984 genehmigte die Verkäuferin die Erklärungen ihrer Vertreterin ohne Vertretungsmacht und vereinbarte mit Herrn B Modifizierungen des Vertrages vom 22. August 1984.
Am 14. September 1984 schlossen die Kläger mit Herrn D einen Architektenvertrag. Bei Abschluß des Vertrages wurde Herr D durch Herrn E vertreten. Der Vertrag bezog sich auf die Errichtung eines X-Hauses eines bestimmten Typs auf der genannten Grundstücksteilfläche. Das Honorar sollte . . . DM betragen. Am 17. September 1984 wurde für das Bauvorhaben auf dem genannten Grundstück ein Antrag auf Bewilligung öffentlicher Mittel zugunsten der Kläger gestellt. Am 19. September 1984 schlossen die Kläger mit Herrn F einen Vertrag, dessen Gegenstand wiederum die Errichtung eines X-Hauses eines bestimmten Typs auf einer Parzelle der genannten Grundstücksteilfläche war. Herr F verpflichtete sich, alle für die Beantragung öffentlicher Förderungsmittel notwendigen Leistungen zu erbringen. Sein Honorar betrug . . . DM. Durch notariell beurkundete Erklärungen vom 18. Oktober 1984 benannte Herr B, vertreten durch Herrn D, die Kläger als Käufer (als Miteigentümer je zur Hälfte) einer genau bezeichneten Teilfläche aus dem Grundstück. Die Kläger nahmen das Vertragsangebot an. Der Kaufpreis sollte . . . DM betragen. Die Kläger verpflichteten sich, darüber hinaus an Herrn B . . . DM zu zahlen. Am 26. Oktober 1984 schlossen die Kläger einen Vertrag mit der X-Haus GmbH. Diese war beim Vertragsabschluß vertreten durch den Verkäufer E. Die Kläger bestellten in diesem Vertrag ein X-Haus (Doppelhaushälfte) für die genannte Grundstücksparzelle zu einem Preis von . . . DM. Der Vertrag enthielt u. a. die Bestimmung, daß ,,Vertrag vom 11. 6. 84 . . . erlischt gegen Neuvertrag". Herr D und Herr E waren Verkäufer der X-Haus GmbH und Bevollmächtigte des Herrn B. Herr B war Geschäftsführer der X-Haus GmbH.
Das beklagte Finanzamt (FA) setzte gegen die Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von je . . . DM fest. Als Gegenleistung sah es dabei an den Kaufpreis für das Grundstück, den Kaufpreis für das Fertighaus, die Provision für Herrn B, die Maklerprovision, das Honorar für Herrn F und das Architektenhonorar. Das FA beurteilte die verschiedenen Verträge als einheitliches Vertragswerk, dessen Gegenstand das mit einem Haus bebaute Grundstück ist.
Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser machten die Kläger geltend, daß nur die Gegenleistung für das Grundstück, die Maklerprovision und die Zahlung an Herrn B zur Grunderwerbsteuer heranzuziehen seien. Es liege kein einheitliches Vertragswerk vor. Sie hätten nach Abschluß eines Vertrages durchaus noch die Möglichkeit gehabt, auf den Abschluß der anderen Verträge nach ihrem Willen und ihrer Überzeugung einzuwirken bzw. sich andere Vertragspartner zu suchen. Unzulässigerweise werde gleichzeitig Grunderwerbsteuer und Umsatzsteuer erhoben.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und die Steuerbescheide im angefochtenen Umfang aufgehoben. Gegenstand des Erwerbsvorgangs sei jeweils nur das unbebaute Grundstück gewesen. Das FG könne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu Bauherrenfällen zu einem Sachverhalt wie im Streitfall nicht in vollem Umfang folgen. Eine einheitliche Leistung, gerichtet auf den Erwerb eines bebauten Grundstücks, ergebe sich nicht notwendigerweise aus einem einheitlichen Vertrag und ein einheitlicher Vertrag liege wiederum nicht schon dann vor, wenn mehrere Verträge mit mehreren Vertragspartnern auf der Leistungsseite in ihrer Wirksamkeit voneinander abhängig seien. Die Benennung der Kläger als Erwerber sei von der vorher eingegangenen Bindung an einen Hauskaufvertrag abhängig gewesen. Ein rechtlich einheitlicher Vertrag liege gleichwohl nicht vor.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG hat zu Unrecht als Gegenstand des Erwerbsvorgangs das unbebaute Grundstück angesehen. Dementsprechend hat es zu Unrecht die Leistungen der Kläger für das Gebäude, insbesondere aus dem Fertighausvertrag selbst, nicht als Gegenleistung i. S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 betrachtet.
1. Die Begründung der Ansprüche auf Übereignung der Miteigentumsanteile an dem (noch zu bildenden) Grundstück zugunsten der Kläger ist ein jeweils der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 unterliegender Rechtsvorgang. Die Steuer dafür bemißt sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG 1983). Als Gegenleistung gelten bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983).
Zur Gegenleistung rechnet jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt gewährt für den Erwerb des Grundstücks in dem Zustand, in dem es Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist (ständige Rechtsprechung; vgl. BFH-Entscheidung vom 21. Dezember 1988 II B 47/88, BFHE 155, 419, BStBl II 1989, 333).
Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist im Streitfall das Grundstück mit (noch zu errichtendem) Gebäude.
Es kann dahingestellt bleiben, ob im Streitfall die Vereinbarungen über den Erwerb der Miteigentumsanteile an dem Grundstück und die auf Errichtung des Gebäudes abzielenden Verträge (Fertighausvertrag, Architektenvertrag und Vertrag über Beantragung öffentlicher Fördermittel) zuvilrechtlich als einheitlicher Vertrag anzusehen sind, da sie nach dem Willen der Parteien miteinander ,,stehen oder fallen" sollen. Wäre dies der Fall, so wäre schon aus diesem Grund das bebaute Objekt als Gegenstand des Erwerbsvorgangs anzusehen (vgl. BFH-Urteile vom 23. Juni 1982 II R 155/80, BFHE 136, 427, BStBl II 1982, 741, und vom 24. Januar 1990 II R 94/87, BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590).
Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist im Streitfall das Grundstück in bebautem Zustand jedenfalls deswegen, da zwischen dem Grundstücksvertrag und den auf Errichtung des Gebäudes zielenden Verträgen ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, daß die Erwerber (die Kläger) bei objektiver Betrachtungsweise als einheitlichen Leistungsgegenstand das bebaute Grundstück erhalten (vgl. BFH-Urteile vom 18. Oktober 1989 II R 85/87, BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181, und II R 143/87, BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183).
Nach der Feststellung des FG war die Benennung der Kläger als Käufer (und damit das Zustandekommen des Grundstückskaufvertrags) von einer ,,vorher eingegangenen Bindung an einen Hauskaufvertrag abhängig". An diese Feststellung ist der erkennende Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Sie steht im übrigen im Einklang und wird bestätigt durch die vor dem Grundstücksvertrag abgeschlossenen weiteren Verträge, die die Errichtung gerade dieses Fertighauses auf dem Grundstück mitermöglichen sollten. Die auf der Veräußererseite auftretenden Personen waren eng miteinander verbunden (als Geschäftsführer, Angestellte bzw. Bevollmächtigte des Fertighauslieferers bzw. von dessen Geschäftsführer). Die Verbindung dieser Anbieter zum Grundstückseigentümer ergibt sich aus dem Vertrag vom 22. August 1984. Mit diesem Vertrag hat der Veräußerer den Anbietern das Grundstück derart an die Hand gegeben, daß diese den ,,Zugang zum Grundstück" regulieren konnten (BFHUrteil vom 29. Juni 1988 II R 258/85, BFHE 154, 149, BStBl II 1988, 898). Bereits vor Abschluß des Grundstückskaufvertrages waren die Kläger daher an ein von einer untereinander verbundenen Veräußererseite entwickeltes und angebotenes Bebauungskonzept für das erworbene Grundstück gebunden. Sie konnten dieses nur noch - Vertragstreue vorausgesezt - bebaut mit dem bestimmten Fertighaus zu einem feststehenden Preis erhalten. Damit haben sie bei objektiver Betrachtungsweise aus ihrer Sicht als einheitlichen Leistungsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand erhalten (Entscheidungen in BFHE 158, 483 und 477, BStBl II 1990, 181 und 183, und in BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590).
Der Senat kann - wie das FG - offenlassen, ob die von den Klägern mit der Veräußererseite abgeschlossenen Verträge wegen teilweiser Nichtbeurkundung ganz oder teilweise formnichtig sind (§§ 313, 125 und 139 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Auf ein nur infolge unvollständiger Beurkundung unwirksames (nichtiges) Rechtsgeschäft ist § 41 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) auch für die Grunderwerbsteuer grundsätzlich anwendbar (BFH-Urteil vom 19. Juli 1989 II R 83/85, BFHE 158, 126, BStBl II 1989, 989). Dies gilt nicht nur für den Grunderwerbsteuertatbestand (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983), sondern auch für die Bestimmung des Gegenstands des Erwerbsvorgangs. Im Streitfall haben die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis der Rechtsgeschäfte gleichwohl eintreten und bestehen lassen mit der Folge, daß eine (möglicherweise vorliegende Teil-)Nichtigkeit der Verträge für die Besteuerung unerheblich wäre (§ 41 Abs. 1 AO 1977).
Die von der Revision geltend gemachte (teilweise) zusätzliche Besteuerung mit Umsatzsteuer steht dem Entscheidungsergebnis nicht entgegen, da diese vom GrEStG nicht ausgeschlossen wird.
Mit den von den Kläger allgemein - unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme im Schrifttum - vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Rechtsprechung zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs hat sich der erkennende Senat bereits befaßt. Er hat diese für nicht stichhaltig gehalten (Entscheidung in BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590).
Da Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück mit (noch zu errichtendem) Gebäude ist, gehören alle Leistungen der Kläger zum Erwerb des Grundstücks in diesem tatsächlichen Zustand zur Gegenleistung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983). Das FA hat daher zu Recht auch die Leistungen der Kläger aus den drei auf Errichtung des Fertighauses gerichteten Verträgen in die Gegenleistung und damit in die Bemessungsgrundlage miteinbezogen.
2. Die Entscheidung des FG beruht auf anderen Grundsätzen. Sie ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 417915 |
BFH/NV 1992, 624 |