Leitsatz (amtlich)
Stahlpfannenbleche fallen unter die im § 29 Abs. 2 Ziff. 9 b UStDB 1951 bezeichneten Gegenstände. An der gegenteiligen Auffassung des Urteils des Reichsfinanzhofs V 32/39 vom 23. Februar 1940 (RStBl 1940 S. 697, Slg. Bd. 48 S. 344) wird nicht festgehalten.
Normenkette
UStG § 4 Ziff. 4; UStDB 1951 § 29 Abs. 2 Ziff. 9 b
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Bf. im Veranlagungszeitraum 1956 für Großhandelslieferungen verzinkter Pfannenbleche Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 4 UStG zu gewähren ist. Die Vorinstanzen haben dies unter Berufung auf das Urteil des Reichsfinanzhofs V 32/39 vom 23. Februar 1940 (RStBl 1940 S. 697, Slg. Bd. 48 S. 344) verneint und die Lieferungen nach § 7 Abs. 3 UStG mit 1 v. H. zur Steuer herangezogen.
Entscheidungsgründe
Hiergegen richtet sich die Rb.; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.
Der Reichsfinanzhof kam zur Steuerpflicht, weil er die Liefergegenstände als eine besondere Art von Fertigerzeugnissen angesehen hat. Aus der wiederholten Betonung des Gesetzgebers, daß nur der Umsatz notwendiger Rohstoffe und Halb erzeugnisse umsatzsteuerfrei sein solle, ergibt sich nach Meinung des Reichsfinanzhofs die Steuerpflicht, wenn es sich nicht um Rohstoffe oder Halberzeugnisse handelt. Anderseits räumt dieses Urteil ein, daß der Unterschied zwischen steuerfreien Halberzeugnissen und steuerpflichtigen Fertigerzeugnissen technisch und wirtschaftlich nicht immer genau zu bestimmen sei. Nach Auffassung des erkennenden Senats hat aber gerade darum der Gesetzgeber angeordnet, daß die Bundesregierung die Gegenstände, die nach § 4 Ziff. 4 UStG steuerfrei geliefert werden können, zu bestimmen hat. Die von der Bundesregierung hiernach bestimmten Gegenstände sind im § 29 Abs. 2 UStDB 1951 aufgezählt. Die in diesem Verzeichnis aufgestellten Gegenstände sind begünstigt, ohne daß überhaupt zu prüfen ist, ob es sich noch um notwendige Rohstoffe oder Halberzeugnisse handelt (im gleichen Sinne Beck in Hübschmann-Grabower-Beck-v. Wallis, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz, § 4 Ziff. 4, Anm. 2, II 1 Abs. 3). Eine gegenteilige Auffassung würde angesichts der auch vom Reichsfinanzhof eingeräumten Schwierigkeit, Halberzeugnisse und Fertigerzeugnisse voneinander abzugrenzen, eine gleichmäßige Handhabung des § 4 Ziff. 4 UStG nicht gewährleisten. So kann denn auch die in dem oben angeführten Urteil vom 23. Februar 1940 gegebene Begründung, daß es sich bei den Liefergegenständen des Streitfalles um Fertigerzeugnisse handele, nicht überzeugen. Einmal ist es bedenklich, entscheidend auf den Verwendungszweck abzustellen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs V 211/55 U vom 30. Januar 1958, BStBl 1958 III S. 139, Slg. Bd. 66 S. 364). Zum anderen sei auf das in der gleichen Vorschrift (§ 29 Abs. 2 Ziff. 9 b UStDB 1951) aufgeführte Oberbaumaterial hingewiesen. Die hierunter fallenden Schienen, Unterlagsplatten, Laschen, Schienennägel u. a. brauchen selbst nicht mehr bearbeitet, sondern nur miteinander verbunden zu werden, um eine Gleisanlage zu erhalten, während bei den Pfannenblechen gegebenenfalls ein Zuschneiden oder Aufbiegen in Betracht kommt, um die Eindeckung eines Daches zu erreichen.
Hiernach hängt die Entscheidung des Streitfalles lediglich davon ab, ob Pfannenbleche zu den im § 29 Abs. 2 Ziff. 9 b a. a. O. aufgeführten Fein-, Mittel- oder Grobblechen gehören. Da die Vorentscheidung diese Rechtslage verkannt hat, ist sie aufzuheben.
Der Senat ist nach § 296 Abs. 3 AO in der Lage, die Streitfrage abschließend selbst zu entscheiden. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kommt es in erster Linie darauf an, ob nach der Verkehrsauffassung Pfannenbleche als (Fein-)Bleche angesehen werden. In Zweifelsfällen wäre der Zolltarif, wenn dieser zum Vergleich geeignete Begriffsbestimmungen enthält, heranzuziehen. Der Zolltarif kommt nicht nur für die Einreihung in die Freiliste 2 (Anlage 1 zu § 20 Abs. 2 Ziff. 1 UStDB 1951), wie das Finanzgericht meint, sondern überall dort, wo das Umsatzsteuerrecht ein Warenverzeichnis aufgestellt hat, in Betracht. Darüber hinaus kann der Senat ihm bekannte Gepflogenheiten des Handels sowie technische Gegebenheiten im Sinne einer bestehenden Verkehrsauffassung würdigen. So spricht der Umstand, daß Pfannenbleche, die in genormten Maßen von 2 m Länge -- also in keiner Weise den Dachpfannen (Dachziegeln aus Ton oder Zement) vergleichbar -- Walzwerkserzeugnisse wie auch die übrigen Bleche sind, daß sie ganz überwiegend im Eisenhandel umgesetzt werden und daß kein grundlegender Unterschied zu Wellblechen, gepreßten, gebuckelten, gelochten und gebogenen Blechen besteht, die seit je als Bleche im Sinne der Befreiungsvorschrift anerkannt werden (vgl. Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 23. Januar 1935 S 4138 -- 18 III, Umsatzsteuer-Kartei S 4338 f Karte 5) für die Auffassung des Bf. Der Bf. hat darüber hinaus mehrere Gutachten der beteiligten Wirtschaftskreise, darunter von Abnehmerverbänden, vorgelegt, die durchweg zu dem durch Anführung von Tatsachen erhärteten Ergebnis kommen, daß die Liefergegenstände des Streitfalles zu den Blechen im Sinne der Befreiungsvorschrift rechnen. So ist unter anderem angeführt, daß die Profilierung der Bleche durch Einpressen von Rippen nichts an dem Charakter der Bleche ändere, weil selbst Spezialprofile bei Stabeisen (Hespeneisen, Fensterrahmenprofile) immer noch als Stabeisen beurteilt würden, daß Pfannenbleche im Montanunionraum als "nicht weiter verarbeitete Materialien" bei den Blechen aufgeführt würden, daß Pfannenbleche die gleiche preisliche Behandlung erführen wie glatte Bleche oder Wellbleche, und schließlich verzinkte Pfannenbleche nicht nur zu Bedachungszwecken, sondern auch zu Wandbekleidungen, losen Abdeckungen, Verkleidungen von Rohrschächten, also ähnlich wie glatte Bleche oder Riffelbleche verwendet würden. Schließlich spricht auch die zolltarifliche Behandlung, wonach Pfannenbleche den gewellten Blechen gleichgestellt werden, für die Auffassung des Bf. (vgl. die Erläuterungen zum Zolltarif von 1951 zu Tarifnr. 7318 unter Ziff. 1 i).
Nach alledem kommt der Senat, da nach allgemeiner Auffassung auch die Verzinkung der Bleche der Vergünstigung nicht entgegensteht, zu dem Ergebnis, daß die Liefergegenstände des Streitfalles als Feinbleche im Sinne des § 29 Abs. 2 Ziff. 9 b UStDB 1951 anzusehen sind und deshalb nach § 4 Ziff. 4 UStG steuerfrei geliefert werden können. Auf die vom Bf. aufgeworfene Frage, inwieweit das Finanzamt bei der Veranlagung für 1956 an eine früher gegebene Auskunft gebunden sei, braucht deshalb nicht eingegangen zu werden.
Da die Voraussetzungen des § 4 Ziff. 4 UStG im übrigen nicht streitig sind, wird die Sache lediglich zur Berechnung der Umsatzsteuer 1956 unter Aufhebung der Vorentscheidungen an das Finanzamt zurückverwiesen. Dem Finanzamt werden auch die Kostenentscheidung und die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes übertragen (§§ 318 Abs. 2, 320 Abs. 3 AO).
Fundstellen
BStBl III 1961, 558 |
BFHE 1962, 804 |