Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
1 Ziff. 4 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau vom 4. März 1952 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Nordrhein-Westfalen 1952 S. 33, BStBl 1952 II S. 46) ist auch dann anwendbar, wenn das Eigenheim oder die Wohnung durch Geschwister, die einen einheitlichen Haushalt führen, in Gesellschaft des bürgerlichen Rechts zu Eigentum erworben wird.
Nordrhein-Westfälisches Gesetz über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau vom 4. März 1952 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Nordrhein-Westfalen 1952 S. 33, BStBl 1952 II S. 46) §
Normenkette
GrEStWGNW 1/4
Tatbestand
Durch Vertrag vom 20. März 1956 verkaufte die Beschwerdeführerin (Bfin.) das Wohnungseigentum an einer Wohnung, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad, Flur und Kellerraum, an zwei Schwestern. Die Erwerberinnen hatten zum Erwerb des Wohnungseigentums eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gegründet; sie erwarben das Wohnungseigentum als Gesamthandseigentum. Streitig ist, ob die Steuerbefreiung des § 1 Ziff. 4 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau vom 4. März 1952 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Nordrhein-Westfalen 1952 S. 33, BStBl 1952 II S. 46) auf den Erwerbsvorgang anwendbar ist.
Das Finanzamt hat die Anwendbarkeit dieser Steuerbefreiung verneint und die Steuer unter Zugrundelegung des Kaufpreises festgesetzt.
Einspruch und Berufung wurden als unbegründet zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) hat Erfolg.
Im § 1 Ziff. 4 des bezeichneten Gesetzes ist bestimmt: "Von der Besteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz sind ausgenommen:
3. ...
der Erwerb eines den Erfordernissen der Ziff. 1 entsprechenden Wohnhauses oder einer Wohnung zur ersten Nutzung durch eine Person, die das Haus als Eigenheim oder die Wohnung zu Eigentum übernimmt:
..." Richtig ist, daß der Reichsfinanzhof und ihm folgend der Senat in ständiger Rechtsprechung Offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften, Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und Erbengemeinschaften als selbständige Rechtsträger angesehen haben. Siehe unter anderem die Urteile des Senats II 46/56 U vom 14. November 1956 (BStBl 1957 III S. 19, Slg. Bd. 64 S. 51) und II 102/56 U vom 15. Mai 1957 (BStBl 1957 III S. 238, Slg. Bd. 65 S. 14). Gesellschaften des bürgerlichen Rechts sind demnach grunderwerbsteuerlich juristischen Personen grundsätzlich gleichzustellen. An dieser Rechtsprechung wird festgehalten. Aus dem Umstand, daß die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts grunderwerbsteuerlich eine selbständige Rechtsperson ist, kann aber nicht bereits gefolgert werden, daß die Steuerbefreiungsvorschrift des § 1 Ziff. 4 des bezeichneten Gesetzes unanwendbar ist.
Zuzugeben ist, daß die angeführte Befreiungsvorschrift die Worte "durch eine Person" enthält. Andererseits entspricht es Sinn und Zweck der in Betracht kommenden Befreiungsvorschriften, diese nicht besonders eng auszulegen. Wäre die Auffassung des Finanzgerichts richtig, so würden sogar Eheleute, die im gesetzlichen Güterstand leben und ein Grundstück in Gesellschaft des bürgerlichen Rechts erwerben, nicht unter die Steuerbefreiung fallen, obwohl es zweifelsfrei im Sinne der Befreiungsvorschrift liegt, diese auf Eheleute anzuwenden. Es kann nicht angenommen werden, daß die Steuerbefreiung Eheleuten, die vielleicht die Mittel zum Erwerb des Eigenheims oder des Wohnungseigentums in gemeinsamer Arbeit gleichmäßig aufgebracht haben, deshalb vorenthalten werden soll, weil sie - was keinesfalls selten ist - den Erwerb in Gesellschaft des bürgerlichen Rechts vornehmen.
Wäre die Auffassung des Finanzgerichts richtig, so wäre die Steuerbefreiung außerdem dann nicht anwendbar, wenn Eheleute ein Eigenheim oder ein Wohnungseigentum zu Bruchteilen erwerben. Wie keiner Erläuterung bedarf, ist es aber begründet, in solchen Fällen die Steuerbefreiung gleichfalls zu gewähren; es besteht kein innerer Grund, zu verlangen, daß Erwerber entweder der Ehemann oder die Ehefrau ist. Dies würde dem Sinn und Zweck der Steuerbefreiung widersprechen, zumal dann die Steuerbefreiungsvorschrift aus diesem Grunde in weitem Umfange überhaupt nicht anwendbar wäre.
Was aber gelten muß, wenn Eheleute ein Eigenheim oder das Wohnungseigentum in Gesellschaft des bürgerlichen Rechts erwerben, kann Geschwistern, die einen einheitlichen Haushalt unterhalten und gemeinsam das Eigenheim oder das Wohnungseigentum erwerben, nicht verweigert werden. Es besteht keine Veranlassung, in diesen Fällen die Anerkennung der Steuerbefreiung zu verneinen, sie Eheleuten aber zu gewähren. Sinn und Zweck der Vorschrift ist, den Eigenheimbau und die Schaffung von Wohnungseigentum besonders zu fördern. Nach Auffassung des Senats liegt es im Sinn der Vorschrift, die Steuerbefreiung nicht nur dann zu gewähren, wenn der Erwerber "eine" natürliche Person ist - was bei Eheleuten gleichfalls nicht zutrifft -, sondern auch dann, wenn eine Gesamthandsgemeinschaft, deren Mitglieder im Eigenheim oder in der Wohnung einen einheitlichen Haushalt unterhalten, das Eigenheim oder die Wohnung zu Eigentum erwirbt.
§ 1 Ziff. 4 des angeführten Gesetzes ist also dahin auszulegen, daß als Person nicht nur eine natürliche Person, sondern auch eine Gesamthandsgemeinschaft mit einheitlichem Haushalt zu verstehen ist.
Allerdings hat der Reichsfinanzhof im Urteil II 94/41 vom 18. Dezember 1942 (RStBl 1943 S. 316, Slg. Bd. 52 S. 297) im Hinblick auf den Ausdruck "Einfamilienhaus" im § 9 Abs. 3 der Verordnung über die Förderung von Arbeitswohnstätten vom 1. April 1937 (Reichsgesetzblatt I S. 437, 438) die Anwendbarkeit des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 c des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) dann verneint, wenn das Eigenheim von einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts übernommen wird. Im Streitfall handelt es sich nicht darum, ob die Steuerbefreiung des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 c GrEStG, sondern darum, ob die des § 1 Ziff. 4 des angeführten nordrhein-westfälischen Gesetzes anzuwenden ist.
Demgemäß war die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Die angefochtene Entscheidung, die Einspruchsentscheidung des Finanzamts und die Steuerfestsetzung des Finanzamts waren, da die Sache spruchreif ist, aufzuheben und die Bfin. von der Grunderwerbsteuer freizustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 409343 |
BStBl III 1959, 238 |
BFHE 1959, 626 |
BFHE 68, 626 |
StRK, GrEStG:1 R 56 |