Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen
Leitsatz (NV)
Versorgungsleistungen, die in sachlichem Zusammenhang mit der Übergabe existenzsichernden Vermögens (Dachdecker-Betrieb mit dazugehörendem Grundbesitz) im Wege vorweggenommener Erbfolge versprochen werden, sind abänderbar (dauernde Last), auch wenn im Übergabevertrag nicht ausdrücklich auf die Anwendbarkeit des § 323 ZPO hingewiesen wurde.
Normenkette
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 1a
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) führt die von seinem 1970 verstorbenen Vater bis zu dessen Tod betriebene Dachdeckerei weiter. Diesen Betrieb nebst dem dazugehörenden Grundbesitz übertrug die als Vorerbin eingesetzte Mutter des Klägers mit Vertrag vom 12. September 1974 im Wege vorweggenommener Erbfolge auf den als Nacherben eingesetzten Kläger. Nach § 8 dieses Vertrages verpflichtete sich der Kläger, an die Übergeberin eine lebenslängliche, bis zum 30. September 1979 gleichbleibende und ab Oktober 1979 wertgesicherte Rente von monatlich 1500 DM zu zahlen. Zur Sicherung dieser Rente wurde eine Reallast bestellt. Die Mutter behielt sich das - als Altenteil bezeichnete - lebenslängliche Wohnrecht an der von ihr bewohnten Wohnung im ersten Stock des ebenfalls übertragenen Wohnhauses vor.
Durch notariellen Vertrag vom 14. Januar 1976 änderten die Vertragsbeteiligten § 8 des Vertrages vom 12. September 1974 mit der Maßgabe, daß bei einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse die Rente gemäß § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO) anzupassen ist.
In den Einkommensteuerbescheiden für die Streitjahre 1980 und 1981 berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Zahlungen des Klägers in Höhe von jeweils 21 600 DM nur mit dem Ertragsanteil in Höhe von 21 v. H.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, allein entscheidend für die Beurteilung der Leistungen sei der Übergabevertrag. Ergebe sich daraus nicht ausdrücklich die Möglichkeit der Anpassung an geänderte wirtschaftliche Verhältnisse, sei die Verpflichtung als Leibrente zu beurteilen. Nachträgliche Veränderungen seien unbeachtlich.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Neufestsetzung der Einkommensteuer gemäß dem Klageantrag.
1. Bereits die im Übergabevertrag vom 12. September 1974 vereinbarten Leistungen sind, weil abänderbar, als dauernde Last abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG). Die Abänderbarkeit folgt hier zwar nicht aus einem ausdrücklichen Änderungsvorbehalt, aber aus der Rechtsnatur des Übergabevertrages als Versorgungsvertrag. Es kommt nicht darauf an, ob sich die Rechtsnatur der Aufwendungen infolge der Nachtragsvereinbarung vom 14. Januar 1976 verändert hat.
2. Als Sonderausgaben abziehbar sind die auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhenden Renten und dauernden Lasten, die nicht mit Einkünften in Zusammenhang stehen, die bei der Veranlagung außer Betracht bleiben (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a EStG). Dauernde Lasten sind in vollem Umfang abziehbar (§ 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 1 EStG). Leibrenten können - nach näherer Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 1 a Satz 2 EStG - nur mit dem Ertragsanteil abgezogen werden, der sich aus der in § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG aufgeführten Ertragswerttabelle ergibt.
3. Der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat sich in zwei Entscheidungen mit der Übergabe von Vermögen gegen Versorgungsleistungen befaßt.
a) In seinem Beschluß vom 5. Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, 326 f., BStBl II 1990, 847, dort unter C. II. 1. a) hat er die zivil- und steuerrechtliche Sonderstellung des Vermögensübergabevertrages hervorgehoben.
b) Mit Beschluß vom 15. Juli 1991 GrS 1/90 (BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78, unter C. II. 2. und 3.) hat der Große Senat zur Unterscheidung von Leibrente und dauernder Last entschieden:
In sachlichem Zusammenhang mit einer Vermögensübergabe vereinbarte wiederkehrende Geld- und Sachleistungen sind dauernde Lasten, wenn sie nicht gleichbleibend sind (unter C. II. 3.). Auch soweit Geldleistungen Inhalt eines solchen Vertrages sind, haben die Vertragschließenden die rechtlich anerkannte Möglichkeit, diese als abänderbar und damit als dauernde Last zu vereinbaren. Für eine steuerrechtlich zu beachtende Änderungsklausel genügt der ,,Vorbehalt der Rechte aus § 323 ZPO", weil dies so zu verstehen ist, daß der Vertrag nach Maßgabe des materiellen Rechts, auf das diese Vorschrift Bezug nimmt, abänderbar sein soll. Fehlt eine solche Bezugnahme auf § 323 ZPO, kann sich eine gleichwertige Änderungsmöglichkeit aufgrund eines Vertragsinhaltes ergeben, der eine Anpassung nach den Bedürfnissen des Vermögensübergebers und/oder der Leistungsfähigkeit des Übernehmers erlaubt (unter C. II. 3. c). Ein Anwendungsfall des Versorgungsvertrages kann der Altenteilsvertrag (Art. 96 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch - EGBGB -) sein (unter C. II. 1. d).
4. Im Anschluß hieran hat der erkennende Senat mit Urteil vom 11. März 1992 X R 141/88, BFHE 166, 564 entschieden: Die Verweisung auf Inhalt bzw. Rechtsnatur des anläßlich einer Vermögensübergabe vereinbarten Versorgungsvertrages führt dazu, daß Versorgungsleistungen, die in sachlichem Zusammenhang mit der Übergabe von existenzsicherndem Vermögen im Wege vorweggenommener Erbfolge vereinbart werden, im Regelfall abänderbar sind. Wegen der Begründung im einzelnen wird auf diese Entscheidung Bezug genommen.
5. Der Kläger und seine Mutter haben bereits in dem Vertrag vom 12. September 1974 eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen vereinbart, die ab Oktober 1979 abänderbar sein sollten. Die Ergänzung des Übergabevertrages durch notarielle Vereinbarung vom 14. Januar 1976 hat lediglich klarstellende Bedeutung.
a) Die Abänderbarkeit der im Vertrag vom 12. September 1974 vereinbarten Leistungen ergibt sich zwar nicht aus einer ausdrücklichen Bezugnahme auf § 323 ZPO; sie folgt jedoch bereits aus der Rechtsnatur des Übergabevertrages als Versorgungsvertrag. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich hier um einen Altenteilsvertrag i. S. der §§ 5 ff. des Niedersächsischen Ausführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (AGBGB) handelt. Auf die Zuordnung zum Altenteilsvertrag im Sinne des Landesrechts kommt es nicht an. Da existenzsicherndes Vermögen gegen Versorgungsleistungen übertragen worden ist, handelt es sich um einen Versorgungsvertrag, der dem landesrechtlich geregelten Altenteilsvertrag jedenfalls vergleichbar ist. Aus der zivil- und steuerrechtlichen Rechtsnatur der Versorgungsleistungen als vorbehaltene Vermögenserträge folgt hinsichtlich der Abänderbarkeit, daß die wirtschaftlichen Risiken des Vertrages nicht - vorbehaltlich eines nur unter besonderen Voraussetzungen anzunehmenden Wegfalles der Geschäftsgrundlage - ein für allemal unabänderlich nach den im ursprünglichen Vertrag festgelegten Bedingungen verteilt sind. Damit entspricht der Vertrag dem Typus des Versorgungsvertrages, den der Gesetzgeber dem Rechtsinstitut der dauernden Last zugeordnet hat.
b) Die Vertragsbeteiligten haben selbst angenommen, die Leistungen des Klägers seien nicht ein für allemal unabänderlich nach den im Vertrag festgelegten Bedingungen festgelegt. Dafür spricht, daß sie ausdrücklich für die Zeit bis zum 30. September 1979 die Abänderbarkeit der Leistungen des Klägers ausgeschlossen haben. Daraus und aus der ausdrücklichen Bezeichnung des Wohnrechts als ,,Altenteil" wird deutlich, daß die Vertragsbeteiligten selbst von dem schuldrechtlichen Regelstatut des Vermögensübergabevertrages mit der Folge abänderbarer Leistungen ausgegangen sind und lediglich für einen - hinsichtlich des Versorgungsbedürfnisses der Übergeberin und der Ertragskraft des übernommenen Betriebes - überschaubaren Zeitraum die Abänderbarkeit der Leistungen ausdrücklich ausschließen wollten. Wenn im Übergabevertrag für die Zeit nach dem 30. September 1979 nicht ausdrücklich ,,auf § 323 ZPO Bezug genommen" worden ist, so ist dies hier schon deswegen ohne Belang, weil der Vertrag aus einer Zeit datiert, da die - frühere - Rechtsprechung des BFH für die dauernde Last noch keinen ausdrücklichen Vorbehalt einer Änderung vorausgesetzt hatte.
6. Hiernach ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die angefochtenen Bescheide sind antragsgemäß zu ändern. Dem FA wird gemäß Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit aufgegeben, nach näherer Maßgabe der Entscheidungsgründe die Steuer zu errechnen.
Fundstellen
Haufe-Index 418364 |
BFH/NV 1992, 654 |