Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollrecht
Leitsatz (amtlich)
Zur Feststellung der Verkehrsanschauung.
Normenkette
GZT Allgemein
Tatbestand
Streitig ist, ob der von der Beschwerdeführerin (Bfin.) aus Amerika eingeführte, nicht durchwachsene Schweinespeck als frischer oder als gesalzener Schweinespeck zu verzollen ist. Der Speck war mit Salz stark bestreut und hatte in der Gesamtmasse einen Gehalt von 2,17 % Kochsalz. Das Zollamt hat den Speck als gesalzen nach Zolltarifnr. 0205 C zum Vertragssatz von 21 % des Wertes verzollt. Die Bfin. verlangt dagegen Verzollung des Specks als frischen Speck nach Zolltarifnr. 0205 A zum Satz von 10 % des Wertes.
Das Hauptzollamt hat auf den Einspruch der Bfin. gegen die Zollbescheide, und die Vorinstanz hat auf die Berufung der Bfin. gegen den Einspruchsbescheid des Hauptzollamts die Zollbehandlung des Specks als gesalzenen Speck bestätigt. Der Einspruchsbescheid stützt seine Entscheidung ebenso wie das vom Zollamt eingeholte Gutachten der Zoll-Lehranstalt auf die Erläuterungen zum Zolltarif von 1951, ohne die Verkehrsanschauung zu ermitteln. Die Vorinstanz weist darauf hin, daß für die Entscheidung der streitigen Frage nur die Verkehrsanschauung in Betracht komme, da die Erläuterungen eine Verwaltungsanweisung seien, die nur die Zollstellen binde.
Die Bfin. hat sich bereits in der Begründung ihrer Berufung auf § 3 Abs. 2 der Ausführungsbestimmungen D zum Fleischbeschaugesetz vom 29. Oktober 1940 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - I S. 1463) berufen, nach dem Speck erst dann nicht mehr als frisch gelte, wenn er in den etwa eingelagerten schwachen Muskelfleischschichten mindestens 6 % Kochsalz enthalte. In der Begründung ihrer Rechtsbeschwerde (Rb.) wiederholt sie dieses Vorbringen, behauptet, § 3 Abs. 2 a. a. O. entspreche der Verkehrsanschauung und beruft sich außerdem auf ein Gutachten des Verbandes der Deutschen Schmalzimporteure, das Speck mit einem Salzgehalt bis zu 6 % als frisch ansieht.
Entscheidungsgründe
Die Rb. hatte Erfolg.
Der Zolltarif enthält keine Begriffsbestimmungen für frischen Speck und für gesalzenen Speck. Für die Auslegung dieser Begriffe ist deshalb nach Ziff. 2 der Allgemeinen Tarifierungsvorschriften des Zolltarifs von 1951 allein die Verkehrsanschauung maßgebend. Die Erläuterungen zum Zolltarif von 1951, die Vorschriften für die Abgrenzung von frischem und gesalzenem Fleisch enthalten, haben, wie die Vorinstanz zutreffend ausführt, noch keine Gesetzeskraft. Für die Frage, was man unter Verkehrsanschauung versteht, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, der sich der Bundesfinanzhof angeschlossen hat, der Standpunkt der beteiligten Wirtschaft maßgebend, aus der heraus sich die Auffassung des Verkehrs bildet. Diese Auffassung, die im einzelnen Fall festzustellen ist, kann nicht durch bloße überlegungen eines Finanzgerichts oder einer Verwaltungsbehörde ersetzt werden. Diese überlegungen können zwar mit der Verkehrsanschauung übereinstimmen; sie sind aber nicht die allein maßgebende Verkehrsanschauung (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs V A 437/35 vom 4. Oktober 1935, Slg. Bd. 38 S. 283; V A 22/37 vom 26. Februar 1937, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1937 Nr. 231, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1937 S. 598, Slg. Bd. 41 S. 109; ferner StuW 1952, Rechtsprechung S. 367, und das Urteil des Bundesfinanzhofs V 87/52 U vom 6. März 1953, Bundessteuerblatt - BStBl. - 1953 III S. 162).
Die Vorinstanz hat in der angefochtenen Entscheidung den Speck zwar auf Grund der Verkehrsanschauung als gesalzenen Speck angesehen; sie hat zur Begründung dieser Feststellung aber nur folgendes ausgeführt: "Wenn Speck in den innersten Schichten über 2 % Salz enthält und außerdem stark mit Salz bestreut ist, ist er nicht mehr frisch. Ein überseetransport erfordert notwendig eine so starke Salzbehandlung des Specks, daß von einer frischen Ware nicht mehr gesprochen werden kann." Aus dieser Begründung läßt sich nicht erkennen, ob die Feststellung der Verkehrsanschauung auf überlegungen des Finanzgerichts oder einer Verwaltungsbehörde beruht, oder ob sie durch Gutachten der beteiligten Fachverbände usw. ermittelt ist. Diese Begründung genügt infolgedessen nicht (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V A 194/28 vom 23. Mai 1928, Mrozek-Kartei, Rechtsspr. 26 zu § 96 der Reichsabgabenordnung - AO - 1919), zumal gerade die Verkehrsanschauung streitig ist.
Wegen dieses wesentlichen Verfahrensmangels, der gemäß § 296 Abs. 2 AO als gerügt anzusehen ist, war die Entscheidung aufzuheben und zur Prüfung, ob der Speck nach der Verkehrsanschauung als frisch oder gesalzen anzusehen ist, an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 318 Abs. 2 AO, die Entscheidung über die Feststellung des Wertes des Streitgegenstandes auf § 320 Abs. 3 AO.
Fundstellen
Haufe-Index 407696 |
BStBl III 1953, 254 |
BFHE 1954, 668 |
BFHE 57, 668 |