Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermietung einer Wohnung an die Eltern als Mißbrauch i. S. d. § 42 AO 1977
Leitsatz (NV)
Verzichten die Eltern auf die Einräumung eines dinglich gesicherten Wohnungsrechts, verbunden mit der Vereinbarung, ihnen monatlich 600 DM zu zahlen und ihnen die Wohnung für monatlich 550 DM auf 20 Jahre zu überlassen ist ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i. S. des § 42 Satz 1 AO 1977 gegeben.
Normenkette
AO 1977 § 42; EStG § 21
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb mit Vertrag vom 3. Februar 1984 von seinen Eltern ein von diesen bewohntes Hausgrundstück. Die Eltern behielten sich ein lebenslängliches Wohnungsrecht an dem Grundstück vor. Darüber hinaus verpflichtete sich der Kläger, seine Eltern, soweit erforderlich, bis an ihr Lebensende zu pflegen, zu betreuen und zu versorgen. Wegen dieser Verpflichtung sollte eine Reallast auf dem Grundbesitz eingetragen werden.
In einem weiteren notariell beurkundeten Vertrag vom 20. September 1984 stimmten die Eltern einer Veräußerung des Grundstücks zu und verzichteten auf das ihnen eingeräumte Wohnungsrecht. In demselben Vertrag verpflichtete sich der Kläger, seinen Eltern an einem noch zu erwerbenden Wohnhaus ein lebenslängliches unentgeltliches und dinglich zu sicherndes Wohnungsrecht einzuräumen und auch die übernommene Pflegeverpflichtung auf dem neuen Grundstück dinglich abzusichern.
Der Kläger veräußerte dann ebenfalls am 20. September 1984 das von seinen Eltern übernommene Grundstück. Mit Vertrag vom 5. Oktober 1984 erwarb der Kläger ein Zweifamilienhaus, das er in der Folge zusammen mit seinen Eltern bewohnte. Während der Kläger die Erdgeschoßwohnung nutzte, bewohnten die Eltern die Dachgeschoßwohnung.
In einer privatschriftlichen Vereinbarung vom 1. Januar 1985 verzichteten die Eltern des Klägers auf ihre Rechte aus dem Vertrag vom 20. September 1984, insbesondere auf die Einräumung eines Wohnungsrechts. Statt dessen verpflichtete sich der Kläger, monatlich bis an das Lebensende der Eltern, beginnend mit dem 1. Januar 1985, ihnen "als dauernde Last" 600 DM zu zahlen und zur Sicherung dessen eine Reallast an seinem Grundstück zu bestellen. Hierbei wurde die Abänderbarkeit dieser Zahlungsverpflichtung entsprechend § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO) vereinbart. Über die Dachgeschoßwohnung seines Hauses schloß der Kläger ebenfalls am 1. Januar 1985 mit seinen Eltern einen Mietvertrag über 20 Jahre, in dem eine Warmmiete von 550 DM monatlich vereinbart wurde.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1985 erklärte der Kläger nach § 21 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelte Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, wobei er 7 200 DM als Werbungskosten ("dauernde Last") berücksichtigte und erhöhte Absetzungen gemäß § 7b EStG in Höhe von 12 500 DM geltend machte.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) sah in der Vereinbarung vom 1. Januar 1985 einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i. S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) und ermittelte die Einkünfte gemäß § 21a EStG. Die Absetzungen gemäß § 7b EStG berücksichtigte das FA nur bezüglich des selbstgenutzten Anteils.
Nach vergeblichem Einspruch erhob der Kläger Klage, die das Finanzgericht (FG) als unbegründet abwies.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1985 vom 13. Mai 1992 Einkommensteuer nach Maßgabe der erklärten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat zu Recht die Einkünfte des Klägers aus seinem Haus in X gemäß § 21a EStG ermittelt. Nach § 21a Abs. 1 EStG wird auch der Nutzungswert (vgl. § 21 Abs. 2 EStG) einer Wohnung im eigenen Haus, das kein Einfamilienhaus ist, aufgrund des Einheitswerts des Grundstücks ermittelt, es sei denn, eine weitere Wohnung im Hause ist u. a. zur dauernden Nutzung vermietet. Im Streitfall ist nicht davon auszugehen, daß die Dachgeschoßwohnung im Zweifamilienhaus des Klägers im Sinne dieser Vorschrift 1985 an die Eltern vermietet war.
Der Kläger hat zwar am 1. Januar 1985 mit seinen Eltern -- nachdem diese auf ihr Wohnungsrecht verzichtet hatten -- einen Mietvertrag abgeschlossen. Der Verzicht der Eltern auf die Einräumung eines dinglich gesicherten Wohnungsrechts, verbunden mit der Vereinbarung, ihnen monatlich 600 DM zu zahlen und ihnen die Wohnung für monatlich 550 DM auf 20 Jahre zu überlassen, können jedoch der Einkommensteuerveranlagung nicht zugrunde gelegt werden. Diese Vereinbarungen sind steuerrechtlich nicht anzuerkennen, weil sie einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts i. S. des § 42 Satz 1 AO 1977 darstellen.
Ein Rechtsmißbrauch gemäß § 42 AO 1977 ist gegeben, wenn eine Gestaltung gewählt worden ist, die, gemessen an dem erstrebten Ziel, unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 12. Juli 1988 IX R 149/83, BFHE 154, 93, BStBl II 1988, 942, und vom 23. Februar 1988 IX R 157/84, BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604).
Durch die Vereinbarungen vom 1. Januar 1985 sind die Eltern des Klägers im Ergebnis wirtschaftlich nur so gestellt worden, wie sie auch ohne diese Vereinbarungen gestanden hätten. Dann hätte der Kläger ihnen nämlich ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnungsrecht an einer Wohnung in seinem neuen Zweifamilienhaus einräumen müssen. In diesem Fall wäre allerdings keine der Alternativen des § 21a Abs. 1 Satz 3 EStG verwirklicht worden, insbesondere wäre die Wohnung nicht als "zur dauernden Nutzung vermietet" anzusehen gewesen; denn darunter fällt nur eine entgeltliche Überlassung (BFH-Urteil vom 19. Juni 1991 IX R 306/87, BFHE 165, 359, BStBl II 1992, 75; Troll in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 21a Rz. 28; vgl. auch Stephan in Littmann/Bitz/Hellwig, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 21a Rdnr. 57; Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 21a EStG Rz. 30). Außer der Steuerersparnis ist kein Grund für die an die Stelle des Anspruchs auf die Einräumung des Wohnungsrechts vereinbarten Rechte und Pflichten zu erkennen. Der Hinweis des Klägers auf die Möglichkeit der Anpassung der Rente vermag keinen wesentlichen Unterschied zur Miete zu begründen, weil auch die Miete (einschließlich Nebenkosten) im Rahmen des gesetzlich Zulässigen erhöht werden konnte (§ 2 Nr. 2 des Vertrages).
a) Nutzen danach die Eltern des Klägers die Wohnung in seinem Haus nicht aufgrund eines entgeltlichen Nutzungsvertrages, sondern aufgrund eigenen, vorbehaltenen Nutzungsrechts oder unentgeltlicher Nutzungsüberlassung (die Frage kann hier offenbleiben), dann kann der Kläger auch keine damit zusammenhängenden Aufwendungen -- hier 7 200 DM als dauernde Last -- als Werbungskosten geltend machen (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG).
b) Die erhöhten Absetzungen gemäß § 7b Abs. 1 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung haben FA und FG zu Recht auf den Teil der Anschaffungskosten beschränkt, der auf den vom Kläger selbst bewohnten Teil des Hauses entfällt (§ 21a Abs. 3 Nr. 2 EStG).
Erhöhte Absetzungen gemäß § 7b EStG kann der Steuerpflichtige nur insoweit geltend machen, als er das Gebäude zur Erzielung von Einnahmen im Rahmen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§§ 8 Abs. 1, 9 Abs. 1, 21 EStG) nutzt (vgl. BFH-Urteil vom 21. September 1993 IX R 96/88, BFH/NV 1994, 307). Als Einnahmen i. S. der §§ 8, 9 Abs. 1 EStG gilt auch der fiktive Wohnwert gemäß § 21 Abs. 2 EStG. Dessen Voraussetzungen sind im Streitfall jedoch nur hinsichtlich der vom Kläger selbst genutzten Wohnung im Erdgeschoß erfüllt.
Der Nutzungswert der von den Eltern bewohnten Wohnung im Dachgeschoß ist dem Kläger nicht gemäß § 21 Abs. 2 EStG zuzurechnen, weil die Eltern diese Wohnung mangels steuerrechtlicher Berücksichtigung der Vereinbarungen vom 1. Januar 1985 aufgrund vorbehaltenen oder zugewendeten Wohnungsrechts, mithin aufgrund einer gesicherten Rechtsposition nutzten (BFH-Urteil vom 29. November 1983 VIII R 215/79, BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366, zu 2. a).
Fundstellen
Haufe-Index 65432 |
BFH/NV 1996, 123 |