Leitsatz (amtlich)
Verfügungsbeschränkungen, denen der bürgerlichrechtliche Eigentümer soforthilfeabgabepflichtigen Vermögens als Vorerbe oder infolge Einsetzung eines Testamentsvollstreckers unterliegt, können weder zur Verneinung des wirtschaftlichen Eigentums noch zu einer niedrigeren Bewertung führen.
Normenkette
SHG § 2 Abs. 2; RBewG § 9 Ziff. 1, § 10 Abs. 3
Tatbestand
Durch notarielles Testament vom 17. Januar 1944 setzte Fräulein X den Beschwerdeführer (Bf.) zum Alleinerben ihres Nachlasses ein und bestimmte dazu, die Erbschaft solle eine befreite Vorerbschaft sein. Gleichzeitig ordnete das Testament die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers an, der mit weitgehenden Befugnissen ausgestattet wurde und u. a. bis zum Eintritt der Nacherbfolge die Rechte der Nacherben ausüben sollte. Der Bf. trat im Laufe des Jahres 1944 nach Ableben der Erblasserin die Erbschaft an.
Zu dem Nachlaß gehört ein Wohngrundstück in Freiburg i. Br., dessen Einheitswert zum 1. Januar 1935 auf 23 400 RM festgestellt worden war. Durch Zurechnungsfortschreibung zum 1. Januar 1936 war das Grundstück der Erblasserin zugerechnet worden. Eine Zurechnungsfortschreibung auf den Bf. hat ausweislich der Einheitswertakten bisher nicht stattgefunden. An der Wohnung im 2. Stock dieses Grundstücks hat die Erblasserin ihrer in der Schweiz wohnenden Cousine, die zur Nacherbin eingesetzt ist, ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht eingeräumt mit der Maßgabe, daß dieses Wohnrecht auch durch Vermietung oder Überlassung an Dritte sollte ausgeübt werden können.
Der Bf., der von den Vorbehörden als Eigentümer des Wohngrundstücks am Währungsstichtag zur Soforthilfeabgabe herangezogen wurde, bestritt seine Abgabepflicht. Bei billiger Auslegung des Soforthilfegesetzes und nach seiner tatsächlichen und rechtlichen Stellung auf Grund des Testaments hätte er nicht zur Soforthilfeabgabe herangezogen werden dürfen. Voraussetzung dafür sei zunächst die freie Verfügung über das Grundstück, an der er durch die Einsetzung des Testamentsvollstreckers verhindert sei. Außerdem sei das ihm zugefallene Grundstück durch die Einräumung des Wohnungsrechts an die Nacherbin und durch Ansprüche, die der Bruder der Erblasserin erhoben habe, im Wert wesentlich gemindert. Praktisch stehe ihm nur ein beschränkter Nießbrauch zu, das Grundstück gehöre in Wirklichkeit der Nacherbin.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) ist nicht begründet.
Da sich die bei der letzten Zurechnungsfortschreibung (zum 1. Januar 1936 an die Erblasserin) für die Zurechnung maßgeblichen Verhältnisse bis zum Währungsstichtag geändert haben (Erbfall im Jahre 1944), ist im Soforthilfeverfahren nach § 2 Absatz 2 des Soforthilfegesetzes (SHG) selbständig zu prüfen, wem das Grundstück zum Beginn des Währungsstichtags zuzurechnen ist. Der Bf. ist als befreiter Vorerbe unzweifelhaft mit dem Erbanfall Eigentümer des Grundstücks im Sinne des bürgerlichen Rechts geworden und bis zum Währungsstichtag geblieben. Es kann also nur noch geprüft werden, ob die vom Bf. angeführten Umstände zur Folge haben, daß er als eine Art Nießbraucher nicht als wirtschaftlicher Eigentümer angesehen werden kann. An sich hat der Vorerbe, wenn man seine Stellung wirtschaftlich betrachtet, eine Art Treuhänderstellung gegenüber dem Nacherben, die dem eines Nießbrauchers ähnelt, und zwar um so mehr, je mehr seine Sachherrschaft über die Erbschaft eingeschränkt ist, sei es, daß er die Stellung eines nicht befreiten Vorerben hat, sei es, daß zu der Vorerbschaft noch ein Testamentsvollstrecker eingesetzt ist. Die steuerliche Beurteilung der Vorerbschaft könnte daher mangels besonderer Regelung der Stellung des Vorerben für die Steuer zu Zweifeln sowohl in der Richtung der Zurechnung als auch bezüglich der Bewertung Anlaß geben. Daher bestimmte der § 98 Absatz 1 Satz 2 der Reichsabgabenordnung (AO) 1931 ausdrücklich, daß der Vorerbe, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, dem Eigentümer gleich zu behandeln sei. Die Bestimmungen des § 98 AO, die vom wirtschaftlichen Eigentum handelten, sind bei der Neufassung der Reichsabgabenordnung im Jahre 1934 ohne den Satz 2 des Abs. 1 in § 11 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) übernommen worden. Die Begründung zu § 11 StAnpG (Reichssteuerblatt -- RStBl. -- 1934 S. 1405) führt dazu aus, die Eigenschaft des Vorerben als Eigentümer ergebe sich bereits aus den Vorschriften des bürgerlichen Rechts. Die selbständige Bedeutung des bisherigen § 98 Absatz 1 Satz 2 AO beschränke sich daher darauf, daß die Eigentumsbeschränkungen des Vorerben bei der Besteuerung (Bewertung) nicht berücksichtigt würden. Die Vorschrift passe daher besser unter die allgemeinen Bewertungsvorschriften des 1. Teils des Reichsbewertungsgesetzes, wohin sie als § 9 des neuen Reichsbewertungsgesetzes (RBewG) übernommen wurde. Der in dieser Fassung noch gültige § 9 RBewG sagt unter anderem, daß Beschränkungen, denen ein Vorerbe unterliegt, bei der Bewertung nicht berücksichtigt werden. Aus diesen gesetzgeberischen Maßnahmen und aus dem Umstand, daß die Beschränkungen des Vorerben nicht einmal bei der Bewertung des Nachlasses steuerlich zu berücksichtigen sind, ergibt sich aber für das geltende Steuerrecht eindeutig, daß der Vorerbe bürgerlich-rechtlich und wirtschaftlich, als Eigentümer zu behandeln ist. Daß auch die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers daran und an der Bewertung des Nachlasses nichts ändern kann, ergibt sich aus § 10 Absatz 3 RBewG, wonach Verfügungsbeschränkungen, die auf letztwilligen Anordnungen beruhen, bei der Bewertung nicht zu berücksichtigen sind. Im gleichen Sinne hat bereits der Reichsfinanzhof im Urteil III A 230/33 vom 21. September 1933 (RStBl. 1934 S. 679) entschieden, indem er ausgeführt hat, daß die bestehende Verfügungsbeschränkung durch die Bestellung eines Testamentsvollstreckers, der mit weitgehenden Vollmachten versehen ist, an der Tatsache des Erbrechts und des Eigentums ebensowenig etwas ändern könne wie die Verfügungsbeschränkungen, denen ein Vorerbe unterliege, und daß diese Verfügungsbeschränkungen nicht zur Verneinung des wirtschaftlichen Eigentums führen könnten (ebenso Gutachten des Reichsfinanzhofs III D 1/36 vom 9. Juli 1936 -- RStBl. 1936 S. 795 --, das den Vorerben bei der Reichsfluchtsteuer als Eigentümer der Vorerbschaft behandelt).
Daß die vom Bf. weiter geltend gemachten Wertminderungen (Einräumung des Wohnungsrechts für die Nacherbin, Ansprüche des Bruders der Erblasserin) auf die Höhe der Soforthilfeabgabe ohne Einfluß sind, ergibt sich aus dem grundsätzlichen Verbot des Schuldenabzugs nach § 7 SHG. Über die vom Bf. geltend gemachten Billigkeitsgründe kann, wie schon das Finanzgericht hervorgehoben hat, nur im Verwaltungsweg und nicht bei der Auslegung des Soforthilfegesetzes durch die Rechtsmittelbehörden entschieden werden. Über etwaige Ansprüche des Bf. aus § 23 SHG bzw. nach den Bestimmungen des BGB haben die Zivilgerichte zu entscheiden.
Hiernach mußte die Rb. mit der Kostenfolge des § 307 AO als unbegründet zurückgewiesen werden. Der Streitwert war auf das Doppelte des Jahresbetrags der Soforthilfeabgabe festzusetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 407302 |
BStBl III 1951, 229 |
BFHE 1952, 567 |