Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Vermögensmehrungen, die durch Schulderlaß zum Zweck der Sanierung entstehen, unterliegen auch ohne eine dem § 11 Ziff. 4 KStG entsprechende einkommensteuerrechtliche Regelung nicht der Einkommensteuer.
Der mit einer verlustbringenden Sondermaßnahme des Schuldners zusammenhängende Forderungsverzicht eines einzigen Gläubigers führt insbesondere dann nicht zu einem steuerfreien Sanierungsgewinn des Schuldners, wenn dessen Hauptbetrieb nicht gefährdet war.
Normenkette
EStG §§ 4-5; KStG § 11 Ziff. 4
Tatbestand
Der Rechtsstreit geht um die Anerkennung eines steuerfreien Sanierungsgewinns. Während der Kohlenkrise im Jahre 1951 eröffnete der Bf. einen Kohlenschürfbetrieb (Kleinstzeche), um die durch Brennstoffmangel ins Stocken geratenen Materiallieferungen einer auswärtigen Fabrik an ihn als Dauerkunden wieder zu ermöglichen. Die Fabrik gab dem Bf. zum Ausbau des Stollens und zur Anschaffung des Maschinenparks Darlehen von 49 500 DM. Nach Normalisierung der Verhältnisse auf dem Kohlenmarkt wurde der Kohlenschürfbetrieb des Bf. stillgelegt. Im März 1953 strich die Gläubigerin ihre noch in Höhe von 28.868 DM bestehende Darlehnsforderung gegen den Bf. Dieser wies den Posten noch in der Bilanz vom 31. Dezember 1953 in unveränderter Höhe als Schuld aus.
Im Einkommensteuerbescheid 1953 wurde unter Berücksichtigung weiterer Feststellungen einer Fahndungsprüfung der Gewinn des Bf. um die erlassene Darlehnsschuld erhöht. In dem hiergegen erhobenen Einspruch begehrte der Bf. erstmals die Anerkennung des erlassenen Darlehnsrestes von 28.868 DM als steuerfreien Sanierungsgewinn. Finanzamt und Finanzgericht lehnten dies unter eingehender Würdigung der tatsächlichen Vorgänge nach Verneinung der rechtlichen Voraussetzungen für eine Sanierung ab.
Nach der Entscheidung der Vorinstanz ist schon die Sanierungsbedürftigkeit im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu verneinen. Es habe weder ein Vergleichs- noch ein Konkursverfahren stattgefunden. Würden wie hier Schulden von einem einzigen Gläubiger ganz oder zum Teil erlassen, so müsse nach der Rechtsprechung geprüft werden, ob außer der Sanierungsabsicht des Gläubigers auch die Sanierungsbedürftigkeit des Schuldners vorliege. Für die vom Bf. behauptete Existenzgefährdung sei objektiv nicht das geringste dargetan worden. Der 1952 stillgelegte Schürfbetrieb sei mit Beseitigung der Kohlenknappheit für dauernd unrentabel geworden. Der Hauptbetrieb des Bf. dagegen sei nach den Handelsbilanzen 1951 bis 1953 durchaus gesund gewesen und geblieben. Die wirtschaftliche Existenz des Bf. sei durch den Verlust des Schürfbetriebs nicht gefährdet worden. Der Bf. habe in den Jahren 1951 bis 1954 hohe Gewinne gemacht und entsprechend hohe Privatentnahmen vorgenommen. Von der Gläubigerin des Darlehens habe entsprechend dem in der Vergangenheit über jedes normale Maß hinausgehenden Entgegenkommen auch in der Zukunft keine Gefahr gedroht. Gegen die Sanierungsbedürftigkeit des Bf. spreche auch sein Versuch, zur Vermeidung der Gewinnrealisierung den Erlaß des Darlehens wieder rückgängig zu machen und es freiwillig durch eine Gegenleistung zu tilgen. Nicht außer acht zu lassen sei auch das ganze Verhalten des Bf., insbesondere seine von zwei amtlichen Prüfungen bestätigte mangelhafte Buchführung und die Erhöhung der Einkommensteuer 1951 bis 1953 um das drei- bis fünffache gegenüber seinen Steuererklärungen einschließlich eines Sicherheitszuschlages von 2 v. H. des Umsatzes. Da schon die Sanierungsbedürftigkeit zu verneinen sei, brauche auf die stark zu bezweifelnde Sanierungsabsicht der Darlehnsgläubigerin nicht eingegangen zu werden.
Entscheidungsgründe
Die Rb., die trotz zweimaliger Fristverlängerung nicht begründet worden ist, kann keinen Erfolg haben. Für den Begriff des Sanierungsgewinns fehlt eine ausdrückliche gesetzliche Regelung im EStG. Der VI. (Einkommensteuer-) Senat des Reichsfinanzhofs hat das steuerliche Problem des Vermögenszuwachses durch Schulderlaß im Weg der Rechtsprechung zu lösen versucht. Nach dem ersten hierzu ergangenen Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 297/27 vom 30. Juni 1927 (RStBl 1927 S. 197, Slg. Bd. 21 S. 263; vgl. ferner Becker, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1927 Sp. 894 und Mirre, Deutsche Steuer-Zeitung 1927 S. 770) handelt es sich um einen betriebsfremden Vorgang. In späteren Entscheidungen (z. B. VI A 1499/28 vom 12. Dezember 1928, RStBl 1929 S. 86, und VI A 968/31 vom 21. Oktober 1931, RStBl 1932 S. 160, Slg. Bd. 29 S. 315) hat der Reichsfinanzhof diese Auffassung eingeschränkt. Er hat eine Sanierung nur insofern als betriebsfremd bezeichnet, als der dabei erfolgte Nachlaß nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der erwerbenden Tätigkeit des Unternehmers stehe. Im übrigen wurde aber ein Zusammenhang mit dem Unternehmen durch die Annahme anerkannt, der Unternehmer bringe den durch den Gläubigerverzicht erlangten Vorteil aus seinem Privatvermögen in den Betrieb als Einlage ein. Dieser Auffassung hat sich der Körperschaftsteuer- Senat des Reichsfinanzhofs ausdrücklich nicht angeschlossen. Die Folge davon war die gesetzliche Regelung der Abzugsfähigkeit des Sanierungsgewinns durch § 11 Ziff. 4 KStG 1954. Nach Zitzlaff, StuW 1940 Sp. 871, wäre auch für das Einkommensteuerrecht eine gesetzliche Regelung für den Sanierungsgewinn entsprechend § 11 Ziff. 4 KStG erforderlich gewesen.
Bereits aus dem Urteil des Reichsfinanzhofs VI 633/39 vom 10. April 1940, RStBl 1940 S. 609, geht hervor, daß in der Sanierung kein betriebsfremder Vorgang zu erblicken ist. In neuerer Zeit überwiegen die Auffassungen, daß die Sanierung einen betrieblichen Vorgang darstellt (Urteil des Bundesfinanzhofs VI 35/61 U vom 4. August 1961, BStBl 1961 III S. 516, Slg. Bd. 73 S. 685; ebenso die Besprechungen hierzu von Hoffmann in Finanz-Rundschau 1961 S. 491; Eisenberg in Loepelmann und Heinemann in Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Einkommensteuergesetz, Anmerkung zu § 10d, Rechtsspruch 11). Die Tatbestände sind gleichgelagert und die gesetzgeberische Absicht bei Schaffung des § 11 Ziff. 4 KStG zielte gerade darauf ab, eine Gleichbehandlung der Körperschaftsteuer und der Einkommensteuer zu erreichen (amtliche Begründung zum KStG 1934, RStBl 1935 S. 85). Der erkennende Senat trägt kein Bedenken, sich der Auffassung des VI. Senats des Bundesfinanzhofs im Urteil VI 35/61 U anzuschließen, wonach der Gesetzgeber diese Rechtsprechung gebilligt habe. Vermögensmehrungen durch Schulderlaß zum Zwecke der Sanierung unterliegen demnach auch nach Aufgabe der ursprünglichen Konstruktion des Reichsfinanzhofs nicht der Einkommensteuer.
Unter Sanierung sind geeignete Maßnahmen zur finanziellen Gesundung eines notleidenden sanierungsbedürftigen Unternehmens zu verstehen. Eine geeignete Maßnahme in diesem Sinn ist der Erlaß von Schulden, so daß bei dem zu sanierenden Unternehmen eine buchmäßige Vermögensmehrung entsteht. Der Schulderlaß muß rechtsverbindlich von sämtlichen Gläubigern durch allgemeinen Akkord oder - unter bestimmten Voraussetzungen - von einem oder mehreren Gläubigern ausgesprochen werden.
Das Unternehmen muß objektiv sanierungsbedürftig sein. Die Prüfung in dieser Hinsicht erstreckt sich nach den Urteilen des Reichsfinanzhofs VI 95/38 vom 23. März 1938, RStBl 1938 S. 566; VI 194/38 vom 30. März 1938, RStBl 1938 S. 629, und I 240/41 vom 14. Juli 1942, RStBl 1942 S. 956, insbesondere auf die Ertragslage und die Höhe des Betriebsvermögens vor und nach der Sanierung, die Kapitalverzinsung durch die Erträge des Unternehmens, die Möglichkeiten zur Bezahlung von Steuern und sonstigen Schulden, das heißt auf das Verhältnis der flüssigen Mittel zur Höhe der Schuldenlast, die Gesamtleistungsfähigkeit des Unternehmens und die Höhe des Privatvermögens.
Es kommt entscheidend darauf an, wie sich das Unternehmen ohne den Schulderlaß weiterentwickelt hätte. Gelangt man dabei zu dem Ergebnis, daß ohne den Schulderlaß die für eine erfolgreiche Weiterführung des Betriebs und die Abdeckung der bestehenden Verpflichtungen erforderliche Betriebssubstanz nicht erhalten werden könnte, muß das Unternehmen als sanierungsbedürftig angesehen werden (so insbesondere das oben angeführte Urteil des Reichsfinanzhofs VI 95/38). Hat ein Unternehmer mehrere getrennte Betriebe, von denen für sich betrachtet nur einer oder einzelne sanierungsbedürftig sind, so muß von der Gesamtheit der Betriebe ausgegangen werden. Zur Sanierungsbedürftigkeit muß die Sanierungsabsicht der Gläubiger treten. Diese müssen mit dem Schulderlaß die Sanierung bezwecken. Diese Absicht muß mindestens mitentscheidend für den Erlaß sein. Dabei soll kein allzu strenger Maßstab angelegt werden (Urteil des Reichsfinanzhofs VI 300 und 308/42 vom 7. April 1943, RStBl 1943 S. 450).
Die Vorinstanzen haben mit Recht die Sanierungsbedürftigkeit des Bf. und den Sanierungswillen des einzigen Gläubigers, auf den es hier ankommt, verneint. Insbesondere war die wirtschaftliche Existenz des Bf. im ganzen trotz des erheblichen und beinahe schlagartig eingetretenen Verlustes aus dem Kohlenschürfbetrieb niemals ernstlich gefährdet. Das damit verbundene finanzielle Engagement darf nicht für sich, sondern nur im Rahmen des durchaus gesunden Hauptbetriebs des Bf. betrachtet werden. Mit Recht hat das Finanzgericht hervorgehoben, daß das mit dem verlustbringenden Kohlenschürfbetrieb verbundene Risiko von Anfang an zugunsten eines Gläubigers übernommen wurde, von dem für den Bf. angesichts der unentwegt guten Geschäftsbeziehungen keine Gefahr drohen konnte. Dafür spricht auch der nur aus der steuerlichen Situation verständliche Vorstoß des Bf. bei seiner Gläubigerin, den Schulderlaß wieder rückgängig zu machen und das Darlehen durch kaum ernst zu nehmende vereinbarte Leistungen zu tilgen.
Der Vorgang, der zu dem Darlehnserlaß geführt hat, hebt sich zwar deutlich aus der üblichen wirtschaftlichen Betätigung des Bf. in seinem Hauptbetrieb heraus. Sein Gewicht ist jedoch nicht so groß, daß er zu einer Sanierung im Sinne der Verkehrsauffassung, das heißt zu einer durchgreifenden Gesamtmaßnahme geführt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 410987 |
BStBl III 1964, 122 |
BFHE 1964, 308 |
BFHE 78, 308 |
BB 1964, 419 |
DB 1964, 427 |
DStR 1964, 202 |