Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Steuerfreiheit von "Antrittsgebühren", die Packern in Druckereien gezahlt werden.

 

Normenkette

EStG § 34a; LStDV § 32a; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tatbestand

Die Steuerpflichtige (Stpfl.), die eine Druckerei und einen Verlag betreibt, wurde vom Finanzamt (FA) als Haftende für nicht einbehaltene Lohnsteuer in Anspruch genommen. Nach Ansicht des FA hätte die Stpfl. auf die an ihre Packer im November 1962 gezahlten "Antrittsgebühren" Lohnsteuer einbehalten müssen. Die Stpfl. hält dagegen die Antrittsgebühren für steuerbefreite Zuschläge im Sinne des § 34 a EStG 1962 (§ 32 a LStDV).

Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, die nach § 6 Ziff. 6 des Manteltarifvertrags für das Graphische Gewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (MTV) gezahlten Antrittsgebühren seien zwar tarifliche Zuschläge im Sinne des § 34 a EStG. Nach § 6 Ziff. 6 a MTV hätten jedoch nur die "mit der Herstellung beschäftigten Arbeitnehmer" einen Anspruch auf Antrittsgebühren. Zu diesen Arbeitnehmern gehörten nicht die Packer, wie auch durch den Schiedsspruch des von den Tarifvertragsparteien vereinbarten Schiedsgerichts vom 17. August 1949 festgestellt sei. Weil den Packern nach den bis 1949 maßgebenden tariflichen Bestimmungen teilweise Antrittsgebühren gezahlt worden seien, hätten die Tarifvertragsparteien im Anschluß an den Schiedsspruch allerdings vereinbart: "Soweit bisher an Packer oder sonstige Arbeitnehmer, die nicht mit der Herstellung der Zeitung oder Zeitschrift im Sinne des gefällten Spruches befaßt sind, eine Antrittsgebühr gezahlt worden ist, haben diese einen Anspruch auf Weitergewährung dieser gezahlten Antrittsgebühr in der gleichen Höhe". Nach dieser Vereinbarung stehe aber ein tariflicher Anspruch auf Zahlung von Antrittsgebühren nur den Packern zu, die schon vor dem Inkrafttreten des MTV am 1. Juli 1949 eine Antrittsgebühr bekommen hätten. Diese Regelung sei personenbezogen und solle den Besitzstand der Packer wahren, die bis zum 30. Juni 1949 Antrittsgebühren erhalten hätten. Wenn die Stpfl. die Antrittsgebühr allen Packern zahle, so beruhe das, soweit jene Regelung überschritten werde, nicht auf tariflichen, sondern auf betriebsinternen Vereinbarungen. Zahlungen dieser Art seien aber nicht begünstigt. Das verstoße - entgegen der Ansicht der Stpfl. - auch nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG); denn es werde nicht ohne zureichenden Grund wesentlich Gleiches ungleich behandelt; es würden vielmehr nur die Packer, für die verschiedene Tarifverträge gälten, verschieden behandelt; Packer, für die der gleiche Tarifvertrag zur Anwendung komme, würden demgegenüber gleich behandelt.

Mit ihrer - nach Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnden - Rechtsbeschwerde rügt die Stpfl. unrichtige Anwendung des § 34 a EStG 1962 und die Verletzung des Gleichheitssatzes. Auf jeden Fall hätten auch die Packer einen Anspruch, die schon bei einer anderen Firma bis zum 30. Juni 1949 Antrittsgebühren erhalten hätten. Der Verband der graphischen Betriebe Nord e. V. lege denn auch die Vereinbarung so aus, daß die Packer, die den Arbeitsplatz nach dem 1. Juli 1949 gewechselt hätten, weiter den Anspruch auf die Antrittsgebühr behielten und daß darüber hinaus alle Packer in einem Betrieb, der vor dem 1. Juli 1949 Antrittsgebühren gezahlt habe, begünstigt seien. Nur diese Auffassung gewährleiste die Gleichbehandlung und den Arbeitsfrieden.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision kann keinen Erfolg haben. Wie das FG mit Recht ausgeführt hat, fallen unter § 34 a EStG (§ 32 a LStDV) nur tarifliche Zuschläge, d. h. nach der Auslegung, die der Senat diesem Begriff, vor allem in der Grundsatzentscheidung VI 162/62 S vom 25. Oktober 1963 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 78 S. 27 - BFH 78, 27 -, BStBl III 1964, 11) gegeben hat, Zuschläge, die auf Grund eines Tarifvertrags zu zahlen sind. Zuschläge, die ein Arbeitgeber von sich aus gewährt, sind keine tariflichen Zuschläge in diesem Sinn, auch wenn sie den in einem Tarifvertrag vorgesehenen Zuschlägen entsprechen. Der Senat hat zwar als tariflich auch Zuschläge angesehen, die ein tarifgebundener Arbeitgeber Arbeitnehmern zahlt, die keiner tarifgebundenen Gewerkschaft angehören (Urteil VI 162/62 S, a. a. O.). Das besagt aber nicht, daß auch eine Vereinbarung, durch die eine tarifvertragliche Regelung für Arbeitnehmer einer bestimmten Sparte auf Arbeitnehmer einer anderen Sparte ausgedehnt wird, als tarifliche Regelung im Sinne des § 34 a EStG anzuerkennen ist. Das Erfordernis der tarifvertraglichen Regelung, gegen dessen einschränkende Wirkung nach dem Urteil des Senats VI 50/61 S vom 22. Juni 1962 (BFH 75, 302, BStBl III 1962, 376) keine verfassungsmäßigen Bedenken bestehen, würde praktisch beseitigt, wenn man alle auf einen Tarifvertrag bezogene Vereinbarungen ohne weiteres als tarifliche Regelungen im Sinne des § 34 a EStG ansehen wollte.

Nach § 6 Ziff. 6 MTV stehen Antrittsgebühren allen "mit der Herstellung beschäftigten" Arbeitnehmern zu. Daß Packer nicht zu diesen Arbeitnehmern rechnen, ist unstreitig.

Ob die im Anschluß an den Schiedsspruch geschlossene Vereinbarung, die den MTV nicht auslegt, sondern etwas ihm Entgegenstehendes bestimmt, als tarifliche Regelung im Sinne des § 34 a EStG anzusehen ist, kann hier dahingestellt bleiben; denn jedenfalls ist der Vereinbarung, wie das FG zutreffend darlegt, nicht zu entnehmen, daß sie auch Packer erfassen soll, denen ihr Arbeitgeber nicht vorher schon Antrittsgebühren gezahlt hatte. Den Wortlaut der Vereinbarung bezeichnet das FG zu Recht insoweit als eindeutig. Wenn in der Vereinbarung unter Hinweis auf die bisher an Packer gezahlten Antrittsgebühren gesagt wird, daß "diese einen Anspruch auf Weitergewährung dieser gezahlten Antrittsgebühr in der gleichen Höhe haben, so kann damit nur gemeint sein, daß die Packer, die bisher von ihrem Arbeitgeber eine Antrittsgebühr erhalten hatten, diesen Anspruch gegenüber dem Arbeitgeber auch weiterhin behalten sollten.

Weil ihr eine sachliche Erwägung - nämlich die Erfüllung eines Rechtsanspruchs dem Arbeitgeber gegenüber - zugrunde liegt, verstößt jene Regelung und die ihr gegebene Auslegung nicht gegen den Gleichbehandlungssatz.

Daß die Stpfl. um des Arbeitsfriedens willen mehr oder weniger zwangläufig allen Packern die Antrittsgebühren zahlt, macht die gezahlten Antrittsgebühren nicht zu tariflichen Zuschlägen im Sinne des § 34 a EStG. Es steht den Tarifparteien frei, den maßgebenden Tarifvertrag insoweit zu ändern oder zu ergänzen. Wenn die Tarifparteien aber aus tarifpolitischen Gründen eine solche Regelung nicht treffen wollen, können die Steuergerichte nicht von sich aus die Beteiligten so stellen, als ob eine entsprechende Regelung in einem Tarifvertrag getroffen wäre.

 

Fundstellen

BStBl III 1967, 117

BFHE 1967, 321

BFHE 87, 321

StRK, EStG:34a R 19

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