Entscheidungsstichwort (Thema)
Einheitlicher Vertragsgegenstand bei Erwerb der Verwertungsbefugnis (§ 1 Abs. 2 GrEStG)
Leitsatz (NV)
1. Als Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn gilt jede Leistung, die der Erwerber für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1989 II R 95/86, BFHE 159, 255, BStBl II 1990, 186). Dies gilt sinngemäß auch beim Erwerb der Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG 1983. Zur Gegenleistung gehören dann alle Leistungen, die aufgewendet oder empfangen werden, um die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück zu erlangen.
2. Für die Höhe der Gegenleistung kommt es - wie beim rechtsgeschäftlichen Erwerb eines Anspruches auf Eigentumsübertragung - auch beim Erwerb der Verwertungsbefugnis an einem Grundstück entscheidend auf den vertraglich vereinbarten - möglicherweise zukünftigen - Zustand des Grundstücks (Vertragsgegenstand) an. Bezieht sich ein Auftrags- bzw. Treuhandverhältnis und damit der Erwerb der Verwertungsbefugnis auf ein bebautes Grundstück (Erbbaurecht), so gehören zur Gegenleistung insbesondere die zur Ausführung des Auftrags erforderlichen Aufwendungen des Treuhänders (Auftragnehmers), die diesem gemäß § 670 BGB vom Auftraggeber (Treugeber) zu erstatten sind, sowie - bei entgeltlicher Geschäftsbesorgung i.S. von § 675 BGB - auch das vom Auftraggeber an den Auftragnehmer zu zahlende Entgelt.
Normenkette
GrEStG Berlin § 1 Abs. 2 (= GrEStG 1983 § 1 Abs. 2); GrEStG Berlin § 2 Abs. 2 Nr. 1 (= GrEStG 1983 § 2 Abs. 2 Nr. 1); GrEStG Berlin § 6 Abs. 1 Nr. 9; GrEStG Berlin § 6 Abs. 1 Nr. 6d; GrEStG Berlin § 6 Abs. 1 Nr. 13; GrEStG Berlin § 20 Abs. 1 (= GrEStG 1983 § 8 Abs. 1); GrEStG Berlin § 21 (= GrEStG 1983 § 9)
Verfahrensgang
Tatbestand
A und B erklärten auf sogenannten ,,Zeichnungsscheinen" am 20. Dezember 1978, sich an der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einem Immobilienfonds in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), mit Einlagen in Höhe von 2755000 DM bzw. 145000 DM beteiligen und den ihnen im Text übergebenen Gesellschaftsvertrag der Klägerin anerkennen zu wollen. Die Zeichnungserklärungen sollten zu ihrer Wirksamkeit der Annahme durch die X-GmbH bedürfen. Diese war nach dem Inhalt des - von ihr vorformulierten - Gesellschaftsvertrags der Klägerin (,,Allgemeine Geschäftsbedingungen genannt") u.a. ermächtigt, die zur Bildung der Klägerin notwendigen Erklärungen mit Rechtswirkung für alle beitretenden Gesellschafter abzugeben und entgegenzunehmen (§ 2 Abs. 1). Am 24. Dezember 1978 nahm die X-GmbH die Zeichnungserklärungen von A und B an. Damit sollte der Beitritt von A und B rechtswirksam werden (§ 2 Abs. 2).
Nach dem Gesellschaftsvertrag, dessen Änderung nur mit Zustimmung von 3/4 der Gesellschafter sowie der X-GmbH möglich war (§ 3), sollte Gesellschaftszweck der Klägerin der Erwerb von Grundbesitz bzw. der Erwerb der wirtschaftlichen Stellung eines Eigentümers von Grundbesitz in Z-Stadt, dessen Bebauung und die anschließende Vermietung desselben sein (§ 4 Abs. 1). Hierzu bestellte die Klägerin die X-GmbH,,aus- schließlich und unwiderruflich" zu ihrer Treuhänderin und beauftragte sie mit der Geschäftsführung (§ 1 Abs. 2). Im Rahmen dieses Rechtsverhältnisses sollte die X-GmbH im eigenen Namen, jedoch für die Rechnung der Klägerin das Erbbaurecht an bestimmten Grundstücken erwerben, diese der Klägerin zuordnen, den Grundbesitz treuhänderisch für die Klägerin halten, in der entsprechenden Weise bebauen, die dafür notwendigen Fremdmittel einschließlich der Aufwendungsdarlehen unter dinglicher Sicherung an dem Grundbesitz beschaffen und zweckgerecht verwenden (§ 10 Abs. 1). Die Klägerin sollte frühestens nach Abschluß des Bauvorhabens und nach Eintragung sämtlicher für die Finanzierung des Bauvorhabens erforderlichen Belastungen das Auftragsverhältnis zur X-GmbH kündigen und die Abtretung des Erbbaurechts und eines evtl. Anspruchs auf Heimfallentschädigung an sich verlangen können (§ 7). Ferner wurde die X-GmbH durch die Klägerin ,,unabhängig von allen anderen Aufträgen" mit der Verwaltung des der Klägerin zugeordneten Grundbesitzes beauftragt. Hierbei war sie von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreit. Gegenstand der vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der X-GmbH sollten auch sog. ,,besondere Vertragsbedingungen" sein.
Gesellschafter der X-GmbH sind die Eheleute C und D. Die X-GmbH hatte bereits durch Vertrag vom 24. November 1978 einen Anspruch auf Bestellung eines Erbbaurechts an den Grundstücken in Z-Stadt erworben. In diesem Vertrag hatte sich die X-GmbH verpflichtet, auf dem Erbbaugrundstück ein mehrgeschossiges Wohngebäude nebst Tiefgaragen auf der Grundlage einer von ihr bereits am 1. September 1978 beantragten Baugenehmigung im öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau innerhalb von drei Jahren zu errichten.
Am 24. Dezember 1978 faßte die X-GmbH den privatschriftlichen ,,Beschluß", das ,,im bürgerlichen-rechtlichen Eigentum der Gesellschaft (X-GmbH) stehende Grundstück in Z-Stadt dem mit Gesellschaftsvertrag vom heutigen Tag gegründeten geschlossenen Fonds" (Klägerin) wirtschaftlich zuzuordnen. Am selben Tage schloß die X-GmbH mit der Firma E-Grundstücksgesellschaft mbH, deren Gesellschafter die Herren C und D sind, einen Generalunternehmervertrag über die Errichtung der geplanten Gebäude ab. Am 2. Januar 1979 schloß die X-GmbH mit der Firma F-Baubetreuungs-KG, deren Gesellschafter ebenfalls die Herren C und D sind, einen Vertrag über die wirtschaftliche Betreuung des Bauvorhabens ab.
Die Baugenehmigung für das beabsichtigte Bauvorhaben wurde am 22.Januar 1979 erteilt. Mit dem Bauvorhaben wurde im Frühjahr 1979 begonnen. Die X-GmbH wurde Ende 1979/Anfang 1980 als Erbbauberechtigte im Grundbuch eingetragen. Die Gebäude waren im Septemer 1980 bezugsfertig.
Der Beklagte und Revisionskläer (das Finanzamt - FA -) nahm an, die Klägerin habe durch den Zuweisungsbeschluß der X-GmbH vom 24. Dezember 1978 die Verwertungsbefugnis an dem Erbbaurecht erhalten. Gegenstand der von der Klägerin erworbenen Verwertungsbefugnis seien die Erbbaugrundstücke einschließlich der neuerrichteten Gebäude. Das FA setzte deshalb unter Zugrundelegung des von ihm ermittelten Gesamtaufwandes der Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Der hiergegen gerichtete Einspruch der Klägerin blieb erfolglos. Das FA setzte mit Einspruchsentscheidung vom 14. April 1986 die Steuer - nach vorherigem Hinweis gemäß § 367 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) - auf . . . DM herauf. Dabei ging es von einer Gegenleistung von . . . DM aus. Diese setzte sich zusammen aus dem vom FA ermittelten Gesamtaufwand für die Bebauung des Grundstücks sowie den von der Klägerin an die X-GmbH zu erstattenden Erbbauzinsen, deren Kapitalwert das FA mit . . . DM ermittelte.
Mit der Klage machte die Klägerin u.a. geltend, die Verwertungsbefugnis nur hinsichtlich des Erbbaurechts an dem unbebauten Grundstück erworben zu haben. Sie sei als Bauherrin des Gebäudes anzusehen, weshalb der gesamte Erwerb der nach § 6 Abs. 1 Nr.9 des früheren Grunderwerbsteuergesetzes Berlin (GrEStG) steuerfrei sei.
Das Finanzgericht (FG), welches der Rechtsauffassung der Klägerin folgte, hat den Grunderwerbsteuerbescheid des FA in Gestalt der Einspruchsentscheidung aufgehoben. Gegenstand des nach § 1 Abs. 2 GrEStG steuerbaren Erwerbs der Verwertungsbefugnis durch die Klägerin sei das Erbbaurecht an dem unbebauten Grundstück. Auszugehen sei dabei davon, daß es dem Willen und der damit im Einklang stehenden Erklärung der Vertragsbeteiligten entsprochen habe, die Bebauung der Klägerin zuzurechnen. Eine hiervon abweichende, gewissermaßen ,,korrigierende" Auslegung dieser Erklärung komme nicht in Betracht. Die Zurechnung der geplanten Bebauung auf die Klägerin stehe mit der gesetzessystematischen Regelung im Einklang, wie sie in dem zum Teil zwar allgemein formulierten, aber wesentlich auch geschlossenen Immobilienfonds betreffenden §§ 6 Abs. 1 Nr.6d, 6 Abs. 1 Nr.9 und 6 Abs. 1 Nr.13 GrEStG zum Ausdruck komme. Das FG lehne die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu den Bauherrenfällen für die Beurteilung geschlossener Immobilienfonds jedenfalls im Rahmen des GrEStG ab, da die spezielle landesrechtliche Wertung Vorrang habe.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung von § 1 Abs. 2, § 6 Abs. 1 Nr.9, § 20 Abs. 1 und § 21 Abs. 1 Nr.1 GrEStG. Gegenstand des nach § 1 Abs. 2 GrEStG steuerpflichtigen Erwerbsvorgangs sei das Grundstück (Erbbaurecht) mit dem noch zu errichtenden Gebäude. Entscheidend sei der objektive Zusammenhang. Danach müsse davon ausgegangen werden, daß die X-GmbH als Projektanbieter die Rechtsmacht gehabt habe, die vertragliche Verpflichtungen der Klägerin vorzuformulieren und der Klägerin als Vertragsgeflecht anzubieten. Bei objektiver Betrachtungsweise sei der Klägerin das bebaute Grundstück zugeordnet worden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG hat zwar zu Recht entschieden, daß die Klägerin aufgrund des Treuhandauftrages an die X-GmbH die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück (Erbbaurecht, § 2 Abs. 2 Nr.1 GrEStG) erlangt hat und dieser Vorgang nach § 1 Abs. 2 GrEStG (= § 1 Abs. 2 GrEStG 1983) der Grunderwerbsteuer unterliegt. Entgegen der Auffassung des FG hat die Klägerin die Verwertungsbefugnis jedoch an dem bebauten Grundstück (Erbbaurecht) erworben. Denn Gegenstand des zwischen der Klägerin und der X-GmbH verwirklichten Erwerbsvorgangs sollte der Erwerb des Erbbaurechts mit vom Veräußerer noch zu errichtendem Gebäude sein. Eine Freistellung des Erwerbs nach § 6 Abs. 1 Nrn.6d, 9 und 13 GrEStG kommt nicht in Betracht.
1. Gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG (= § 1 Abs. 2 GrEStG 1983) unterliegen (auch) Rechtsvorgänge der Grunderwerbsteuer, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Im Streitfall hat die Klägerin auf Grund des Auftrags- und Treuhandverhältnisses zur X-GmbH die Verwertungsbefugnis an dem Erbbaurecht erworben.
Das Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der X-GmbH ist zwar nicht allein durch den Zuordnungsbeschluß der X-GmbH vom 24. Dezember 1978 entstanden, wie FA und FG angenommen haben, sondern durch die Erklärungen der beitretenden Gesellschafter, A und B, in den ,,Zeichnungsscheinen" und die Annahme derselben durch die X-GmbH am 24. Dezember 1978 begründet worden. Denn die X-GmbH hat das Vertragswerk (Allgemeine und Besondere Vertragsbedingungen), welches den Gesellschaftsvertrag der Klägerin sowie die Vereinbarung über die Beauftragung der X-GmbH enthält, nicht nur vorformuliert und den Gesellschaftern der Klägerin zur Annahme vorgelegt, sie war vielmehr auch am Zustandekommen der Vereinbarungen einerseits als für sich selbst handelnd, andererseits aber auch für die Gesellschafter bzw. auf Grund der Übertragung der Befugnis zur Geschäftsführung als für die Klägerin handelnd (§§ 181, 714 BGB) tätig geworden.
Mit dem Zustandekommen der Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der X-GmbH am 24. Dezember 1978 wurde die der X-GmbH nach außen zustehende Rechtsposition intern gegenüber der Klägerin eingeschränkt. Diese Einschränkung betraf sowohl den Anspruch der X-GmbH auf Verschaffung des Erbbaurechts, wie auch - nach Eintragung als Erbbauberechtigte im Grundbuch - das Erbbaurecht selbst. Auch wenn bei Fälligkeit des Anspruchs der Klägerin, von der X-GmbH als Treuhänderin die Herausgabe des Erbbaurechts zu verlangen, bis zum Eintritt bestimmter Voraussetzungen, nämlich bis zur Fertigstellung der Bebauung, deren Herbeiführung nicht vom Willen der Klägerin abhängig war, hinausgeschoben war, so war doch der Anspruch der X-GmbH auf Verschaffung des Erbbaurechts, wie auch später das eingetragene Erbbaurecht der X-GmbH von Anfang an zugunsten der Klägerin ausgehöhlt. Denn die X-GmbH konnte über das Erbbaurecht - Vertragstreue vorausgesetzt - im Ergebnis nur mit Zustimmung der Klägerin verfügen und war an jeder Verwertung auf eigene Rechnung gehindert. Die tatsächliche Rechtsmacht, das Erbbaurecht der Substanz und dem Werte nach zu verwerten, lag nicht bei der X-GmbH, sondern allein bei der Klägerin. In diesem Zusammenhang ist es ohne Bedeutung, daß die Klägerin erst nach Fertigstellung der Bebauung berechtigt war, das Treuhandverhältnis zu kündigen und von der X-GmbH eine Verfügung über das Grundstück zu verlangen, die ihren, der Klägerin, Wünschen entsprach. Denn für die Verwertungsbefugnis genügt es, daß dem Treuhänder im Verhältnis zum Treugeber selbst die Rechtsmacht, über das Grundstück zu verfügen, fehlt (vgl. BFH-Urteil vom 17. September 1986 II R 105/85, BFH/NV 1987, 808, 809).
2. Die Grunderwerbsteuer berechnet sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 20 Abs. 1 GrEStG = § 8 Abs. 1 GrEStG 1983).
Für die Auslegung des grunderwerbsteuerrechtlichen Begriffs der Gegenleistung ist (zunächst) von den in § 21 GrEStG (= § 9 GrEStG 1983) zum Ausruck gekommenen Wertungen des Gesetzgebers auszugehen. Danach gilt als Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 6. Dezember 1989 II R 95/86, BFHE 159, 255, BStBl II 1990, 186). Dies setzt eine kausale Verknüpfung des Grundstückserwerbs und der Gegenleistung für den Erwerb voraus. Der so verstandene Gegenleistungsbegriff ist nicht auf schuldrechtliche Geschäfte oder auf die Tatbestände des § 1 Abs. 1 GrEStG/ GrEStG 1983 beschränkt. Dies gilt sinngemäß auch beim Erwerb der Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG/GrEStG 1983. Zur Gegenleistung gehören demnach im Streitfall alle Leistungen, die die Klägerin aufgewendet hat, um die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück zu erlangen.
Beim rechtsgeschäftlichen Erwerb eines Anspruchs auf Eigentumsübertragung an einem Grundstück (§ 1 Abs. 1 Nr.1 GrEStG/GrEStG 1983) hat es der Senat für den Umfang der Bemessungsgrundlage ferner als entscheidend angesehen, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 29. Juni 1988 II R 258/85, BFHE 154, 149, BStBl II 1988, 898; vom 24. Januar 1990 II R 94/87, BFHE 160, 284, BStBl II1990, 590, sowie - zu § 11 Abs. 1 Nr.1 GrEStG 1940 - vom 11.März 1981 II R 77/78, BFHE 133, 230, 231, BStBl II 1981, 537 m.w.N.). Dies gilt sinngemäß auch für den Erwerb der Verwertungsbefugnis an einem Grundstück. Auch insoweit ist entscheidend, was der Erwerber aufzuwenden hat, um die Verwertungsbefugnis an dem Grundstück in dem von den Vertragsbeteiligten bestimmten, möglicherweise zukünftigen Zustand zu erlangen. Bezieht sich auf Grund eines Auftrags- bzw. Treuhandverhältnisses der Erwerb der Verwertungsbefugnis auf ein bebautes Grundstück (Erbbaurecht) so gehören zur Gegenleitung insbesondere die zur Ausführung des Auftrags erforderlichen Aufwendungen des Treuhänders (Auftragnehmers), die diesem gemäß § 670 BGB vom Auftraggeber (Treugeber) zu erstatten sind, sowie - bei entgeltlicher Geschäftsbesorgung i.S. von § 675 BGB - auch das vom Auftraggeber an den Auftragnehmer zu zahlende Entgelt.
Im Streitfall zielte das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und der X-GmbH darauf ab, der Klägerin die Verwertungsbefugnis am bebauten Grundstück (Erbbaurecht) zu verschaffen. Dies ergibt sich aus dem Inhalt des Treuhandauftrages an die X-GmbH.
Danach wurde die X-GmbH von der Klägerin ,,ausschließlich und unwiderruflich" beauftragt, im eigenen Namen, jedoch für Rechnung der Klägerin ,,zu dem von ihr genannten Entgelt" das Erbbaurecht zuzuordnen und in entsprechender Weise zu bebauen. Die Klägerin hatte dabei während der Bauphase keine rechtliche Möglichkeit von sich aus den Inhalt des Treuhandauftrages an die X-GmbH zu ändern oder das Treuhandverhältnis zu beenden. Der Umstand, daß das Erbbaugrundstück im Zeitpunkt des Erwerbs der Verwertungsbefugnis an dem Erbbaurecht durch die Klägerin am 24. Dezember 1978 noch unbebaut war, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Denn - wie ausgeführt - kann sich die Verwertungsbefugnis - wie bei einem Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 1 GrEStG - auch auf ein Grundstück (Erbbaurecht) in einem zukünftigen, erst noch herzustellenden (z.B. unbebauten) Zustand beziehen. Beauftragt jemand - wie im Streitfall - einen anderen im Rahmen eines Treuhandverhältnisses mit dem Erwerb und der planmäßigen Bebauung eines Grundstücks (Erbbaurechts) im eigenen Namen, aber für Rechnung des Auftraggebers und zielt deshalb das Auftragsverhältnis darauf ab, dem Auftraggeber die Verwertungsbefugnis an dem bebauten Grundstück (Erbbaurecht) zu verschaffen, so ist für die Frage nach dem Gegenstand des Erwerbs der Verwertungsbefugnis und damit nach der Gegenleistung der zukünftige (bebaute) Zustand des Grundstücks (Erbbaurecht) maßgebend.
Soweit das FG - ohne jede weitere Begründung - darauf abgestellt hat, es habe dem Willen und der damit im Einklang stehenden Erklärung der Vertragsbeteiligten entsprochen, die Bebauung der Klägerin zuzurechnen, kann dem nicht gefolgt werden. Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin, der auch den Treuhandauftrag an die X-GmbH enthält, gibt keinerlei Anhaltspunkte für eine derartige Sachverhaltswürdigung. Im übrigen könnte - selbst wenn ein derartiger Wille der Beteiligten erkennbar wäre - dieser für die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung nur maßgeblich sein, soweit dieser objektiv verwirklicht werden könnte (vgl. BFH-Urteil vom 5. Februar 1992 II R 110/88, BFHE 166, 402, BStBl II 1992, 357).
Die vom FG angesprochene Frage, ob sich im Streitfall der Gegenstand des Erwerbsvorgangs (Verwertungsbefugnis) aus mehreren Verträgen ergeben könnte, die in einem rechtlichen oder objektiven sachlichen Zusammenhang miteinander stehen, stellt sich im Streitfall nicht. Vielmehr ergibt sich bereits aus dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin und dem hierin enthaltenen Treuhandauftrag an die X-GmbH, daß sich der Treuhandauftrag auf das bebaute Grundstück beziehen und die Klägerin die Verwertungsbefugnis am bebauten Grundstück erhalten sollte.
Auch kann dahinstehen, ob der Klägerin - wie vom FG angenommen - tatsächlich die Verwertungsbefugnis am Erbbaurecht durch die X-GmbH nicht habe wieder entzogen werden können. Denn nachträgliche, möglicherweise sich ergebende, aber keinesfalls eingeplante Umstände wären erst zu berücksichtigen, wenn sie tatsächlich eintreten (vgl. § 16 Abs. 3 GrEStG 1983). Aufgrund des tatsächlich verwirklichten Geschehensablaufs ist es deshalb unerheblich, ob die Klägerin - wie das FG möglicherweise annimmt - die Verwertungsbefugnis auch bei Kündigung des Auftragsverhältnisses zur X-GmbH hätte behalten können (vgl. Senatsurteile vom 18. Oktober 1989 II R 85/87, BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181 und 14. März 1990 II R 169/87 BFH/ NV 1991, 263).
3. Entgegen der Auffassung des FG kommt eine Befreiung des Erwerbs nach § 6 Abs. 1 Nr.9 GrEStG nicht in Betracht. Diese Steuervergünstigung setzt den Erwerb eines nicht bebauten Grundstücks zur planmäßigen Bebauung mit einem Gebäude voraus. Die Klägerin hat jedoch die Verwertungsbefugnis nicht an einem unbebauten, sondern einem bebauten Grundstück erworben.
Auch nach § 6 Abs. 1 Nr.13 GrEStG ergibt sich eine Steuerbefreiung des Erwerbs der Klägerin nicht. Weder handelt es sich um einen Erwerb der Verwertungsbefugnis an einem Grundstück (Erbbaurecht), welches zu einem Immobilienfonds gehörte, noch fand der Erwerb innerhalb von zwölf Jahren nach der Bezugsfertigkeit statt. Denn die Verwertungsbefugnis hat die Klägerin vor Beginn der Bebauung von der X-GmbH erworben, bei der es sich offensichtlich nicht um einen Immobilienfonds handelt.
Auch nach § 6 Abs. 1 Nr.6d GrEStG kommt eine Steuerbefreiung nicht in Betracht, denn diese Vorschrift setzt den Erwerb eines unbebauten Grundstücks zur Weiterveräußerung an Dritte ohne Gewinn voraus. Weder ist Gegenststand des vorliegenden Erwerbsvorgangs ein unbebautes Grundstück, noch hat die Klägerin ihre Verwertungsbefugnis ,,zur Weiterveräußerung" an einen Dritten erworben, der seinerseits die planungsmäßige Bebauung durchführt.
Soweit das FG angenommen hat, aus der Gesamtschau der angesprochenen Befreiungsvorschriften ergebe sich, daß der Erwerb der Verwertungsbefugnis durch die Klägerin steuerfrei sei, kann dem nicht gefolgt werden. Zu dieser Auffassung konnte das FG nur gelangen, weil es rechtsfehlerhaft angenommen hat, Gegenstand des Erwerbs der Klägerin sei das unbebaute Grundstück gewesen.
4. Die Sache ist nicht spruchreif.
Das FG hat - aus seiner rechtlichen Sicht verständlich - keine Feststellungen zur Höhe der Gegenleistung getroffen. Das FG wird deshalb im zweiten Rechtsgang unter Beachtung der oben genannten Rechtsgrundsätze und unter Heranziehung des Inhalts der besonderen Vertragsbedingungen festzustellen haben, welche Verpflichtungen die Klägerin der X-GmbH gegenüber eingegangen ist, um die Verwertungsbefugnis an dem bebauten Grundstück zu erlangen. Hierzu gehört einmal die Verpflichtung zum Ersatz der zur Ausführung des Auftrags erforderlichen Aufwendungen gemäß § 670 BGB, wie auch die Verpflichtung der Klägerin, an die X-GmbH die vereinbarte Vergütung für die Durchführung des Treuhandauftrages zu entrichten. Verpflichtungen der Klägerin, die erst nach Erlangung der Verwertungsbefugnis entstanden sind oder noch entstehen, sind für die Gegenleistung unerheblich, weil sie ggf. unmittelbar in der Person der Klägerin entstanden bzw. entstehen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 144, 475, BStBl II 1986, 28, 30). Zur Gegenleistung gehören jedoch die Erbbauzinsen, auch soweit diese erst nach dem Zeitpunkt der Erlangung der Verwertungsbefugnis durch die Klägerin fällig wurden, soweit sich die Klägerin gegenüber der X-GmbH schon vor diesem Zeitpunkt zur Zahlung derselben verpflichtet haben sollte.
Fundstellen
Haufe-Index 418856 |
BFH/NV 1993, 688 |