Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen Rente und Erwerb eines Betriebs
Leitsatz (NV)
Renten und dauernde Lasten stehen dann i.S. von § 8 Nr.2 GewStG in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Gründung oder dem Erwerb eines Betriebes, wenn durch die Begründung einer Rente oder dauernden Last die Entrichtung eines Kaufpreises zumindest teilweise ersetzt wird. Denn nur dann ist hierin ein Finanzierungsvorgang zu sehen, den diese Bestimmung gewerbesteuerrechtlich neutralisieren will.
Normenkette
GewStG § 8 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte bis zum 31. Juli 1977 in A eine Apotheke betrieben. Mit Vertrag vom 5. Juni 1977 pachtete er die B-Apotheke in D nebst Kundenstamm von der bisherigen Inhaberin Frau E. Der Vertrag war auf Lebenszeit der Verpächterin geschlossen. Der Kläger führte diese Apotheke ab dem 1. August 1977 fort. Das umsatzabhängige Pachtentgelt belief sich auf 35000 DM bis 40000 DM jährlich. Frau E ihrerseits hatte für die von ihr gemieteten Geschäftsräume eine jährliche Miete in Höhe von ca. 13000 DM zu zahlen.
Im Jahre 1980 erwarb der Kläger ein eigenes Gebäude in derselben Straße; dorthin verlegte er die Apotheke. Das Pachtverhältnis wurde mit Wirkung vom 31. Oktober 1980 aufgehoben. ,,Wegen der erheblichen Verdienste, die sich Frau E als Gründerin der Apotheke erworben hatte", und angesichts der Tatsache, daß sie durch die Aufhebung des Pachtvertrages ihre Einkommensquelle aufgab, sagte der Kläger ihr mit Vertrag vom 23. Oktober 1980 eine von ihm so bezeichnete betriebliche Versorgungsrente zu. Diese belief sich im Jahre 1980 auf 4000 DM und in den Jahren 1981 bis 1983 auf jeweils 24000 DM (monatlich 2000 DM).
Nach einer Außenprüfung rechnete der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die ,,Versorgungsrente" nach § 8 Nr.2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzu. Er vertrat die Ansicht, mit dieser Rente würden ,,die in den bisherigen Pachtzahlungen enthaltenen Versorgungsleistungen fortgeführt". Die Pachtzahlungen der Vorjahre seien nämlich aufzuteilen in Zahlungen für die Räumlichkeiten, für die Geschäftseinrichtung minderen Werts und in Zahlungen, die der Versorgung der Frau E gedient hätten. Da die Versorgungsrente an die Stelle der Umsatzpacht getreten sei, stehe sie ebenso wie diese wirtschaftlich im Zusammenhang mit der Gründung des Betriebes im Jahre 1977. Demgegenüber vertrat der Kläger die Ansicht, die Rente sei die Gegenleistung für die Aufgabe der Umsatzpacht; sie stehe weder rechtlich noch zeitlich im Zusammenhang mit der Gründung seines Betriebes.
Das Finanzgericht (FG) hat die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage als unbegründet abgewiesen. Die Vereinbarung einer Versorgungsrente als Ersatz für die Umsatzpacht hänge wie letztere wirtschaftlich mit der Gründung der Apotheke im August 1977 zusammen. Der Grund für die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung einer Rente an Frau E könne nur darin gesehen werden, daß diese ihm das Recht übertragen habe, die Apotheke zu betreiben und den Kundenstamm zu ,,nutzen". Der Kundenstamm sei auch noch bei Aufhebung des Pachtverhältnisses als wirtschaftlicher Wert vorhanden gewesen. Deswegen habe die Verpächterin einen Anspruch auf Zahlung der Rente als Ersatz für die weggefallene Umsatzpacht gehabt. Rechtsgrund der Rente ebenso wie der Umsatzpacht sei das durch Vertrag vom 5. Juni 1977 begründete Recht gewesen, die Apotheke zu betreiben.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 8 Nr.2 GewStG. Er trägt vor:
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), nach einhelliger Auffassung im Schrifttum und auch nach Abschn. 52 Abs. 1 Satz 3 der Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR) komme eine Hinzurechnung nach § 8 Nr.2 GewStG nur in Betracht, ,,wenn die Rentenverpflichtung oder dauernde Last durch den Gründungs- oder Erwerbsvorgang neu entsteht". In diesem Falle sei ,,neu entstanden" die mit Vertrag vom 5. Juni 1977 begründete Verpflichtung zur Zahlung einer Umsatzpacht, nicht jedoch die drei Jahre später begründete Rentenverpflichtung; letztere sei auf die Fortsetzung des Apothekenbetriebes an neuer Stelle zurückzuführen. Daran ändere nichts, daß die Umsatzpacht wie auch die im Wege der Novation begründete Rente der Versorgung der Frau E dienen sollten. Die Rente sei erst mehr als drei Jahre nach dem Beginn des Pachtverhältnisses vereinbart worden; dieser Zeitfaktor dürfe nicht außer acht gelassen werden. Die Rentenverpflichtung sei im Zusammenhang mit einem laufenden Geschäftsvorfall - der Betriebsverlegung ,,einige Häuser weiter" - begründet worden. Mit ihr werde - entgegen der Auffassung des FG - eine ,,Gegenleistung für eine Leistung der Empfängerin im laufenden Geschäftsgang" erbracht, nämlich für die Bereitschaft der Frau E zum Abschluß des Pachtaufhebungsvertrages und die dem Kläger damit ermöglichte Betriebsverlagerung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Das FG hat zu Unrecht die Klage abgewiesen. Die Auffassung, daß die wiederkehrenden Zahlungen an Frau E dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzuzurechnen seien, trifft nicht zu.
1. Nach § 8 Nr.2 GewStG werden Renten und dauernde Lasten, die wirtschaftlich mit der Gründung oder dem Erwerb des Betriebs (Teilbetriebs) oder eines Anteils am Betrieb zusammenhängen, dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt sind.
Die Beteiligten sind übereinstimmend davon ausgegangen, daß die wiederkehrenden Zahlungen an Frau E den Gewinn aus Gewerbebetrieb als Betriebsausgaben gemindert haben. Das FG ist ihnen hierin gefolgt. Dies ist nicht zu beanstanden.
Die wiederkehrenden Zahlungen können indes nicht nach § 8 Nr.2 GewStG hinzugerechnet werden.
2. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Zahlungen eine ,,Rente" bzw. ,,dauernde Last" im Sinne dieser Bestimmung sind und nicht vielmehr das Erfüllungsinteresse der Frau E aus der Aufhebung des auf ihre Lebenszeit abgeschlossenen Pachtvertrages darstellen. Die laufenden Zahlungen waren während der Dauer des Pachtvertrages vom 5. Juni 1977 - nach näherer Maßgabe des § 8 Nr.7 GewStG hinzurechenbare (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juni 1990 I R 160/85, BFHE 161, 152, BStBl II 1990, 913) - ,,Miet- und Pachtzinsen" und keine ,,Renten" oder ,,dauernde Lasten" i.S. des § 8 Nr.2 GewStG. Es spricht nichts dafür, daß die Fortzahlung eines Entgelts für einen Kundenstamm und/oder die Zahlung des Erfüllungsinteresses nachträglich eine andere gewerbesteuerrechtliche Rechtsqualität - nunmehr als Rente oder dauernde Last - erhalten könnte.
3. Jedenfalls hängen die wiederkehrenden Zahlungen nicht im Rechtssinne wirtschaftlich mit der Gründung des Betriebes am 1. August 1977 zusammen.
a) Der Grund für die Hinzurechnung nach § 8 Nr.2 GewStG wird darin gesehen, daß Renten und dauernde Lasten ähnlich wie Zinsen auf Dauerschulden Entgelte für die Überlassung des im Gewerbebetrieb arbeitenden Kapitals darstellen. Im Hinblick auf den - freilich nicht konsequent in das GewStG umgesetzten - Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer (vgl. hierzu Senatsurteil vom 24. Oktober 1990 X R 64/89, BFHE 163, 42, BStBl II 1991, 358) will diese Vorschrift sicherstellen, daß für die Höhe der Gewerbesteuer nicht der auf ein bestimmtes Steuersubjekt bezogene Gewinn, sondern der Ertrag maßgebend ist, den der - vom jeweiligen Rechtsträger losgelöste - Gewerbebetrieb als solcher abwirft (vgl. BFH-Urteil vom 28. Oktober 1987 I R 126/83, BFHE 151, 175, BStBl II 1988, 70 m.w.N.).
b) Das Gesetz unterscheidet zwischen der Gründung (Erwerb) eines Betriebes (Teil-betriebes, Anteils am Betrieb) und dersich anschließenden werbenden Tätigkeit (BFHE 151, 175, 180, BStBl II 1988, 70). Nicht von § 8 Nr.2 GewStG erfaßt wird die Rente, die nach Gründung bzw. Erwerb des Betriebes (Teilbetriebes) oder eines Anteils am Betrieb vereinbart wird (BFHE 151, 175, 178, BStBl II 1988, 70). Eine Begründung im laufenden Geschäftsbetrieb erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 8 Nr.2 GewStG (BFH-Urteil vom 4. Dezember 1962 I 71/60 S, BFHE 76, 259, BStBl III 1963, 93). Ein wirtschaftlicher Zusammenhang ist ferner verneint worden, wenn die Rente auch ohne die Gründung des Betriebes (bzw. des Anteilserwerbes) vereinbart worden wäre (BFH-Urteil vom 10. April 1990 VIII R 58/85, BFH/NV 1991, 477).
c) Unter Berücksichtigung des Gesetzeszweckes hat der BFH das Tatbestandsmerkmal des ,,wirtschaftlichen Zusammenhangs" dahin verdeutlicht, daß die Entstehung der Verpflichtung kausal mit dem Erwerbsvorgang verknüpft sein müsse (BFH-Urteile vom 12. November 1975 I R 135/73, BFHE 118, 44, BStBl II 1976, 297; vom 18. Januar 1979 IV R 194/74, BFHE 126, 560, 563f., BStBl II 1979, 266; in BFHE 151, 175, 180, BStBl II 1988, 70). In dieser Hinsicht stellt § 8 Nr.2 GewStG darauf ab, ob die Entrichtung eines Kaufpreises durch die Begründung einer Rente oder dauernden Last (teilweise) ersetzt wird (BFHE 126, 560, 564, BStBl II 1979, 266). Denn nur dann ist die Begründung einer Rente oder dauernden Last ein Finanzierungsvorgang, wie er durch § 8 Nr.2 GewStG gewerbesteuerrechtlich neutralisiert werden soll.
Einen solchen Finanzierungsvorgang hat die Rechtsprechung angenommen insbesondere in Fällen des Erwerbs eines Betriebs gegen Leibrente (BFH-Urteile vom 28. Oktober 1987 I R 153/83, BFH/NV 1988, 326 betr. Erwerbs-Leibrente; vom 11.Dezember 1987 III R 319/84, BFH/NV 1988, 522, betr. umsatzabhängige Erwerbs-Leibrente). Nach dem BFH-Urteil in BFHE 126, 560, 563, BStBl II 1979, 266 fallen unter § 8 Nr.2 GewStG Leistungen zur Erfüllung von Verbindlichkeiten, die Gegenleistung für eine Veräußerung sind.
Andererseits ist die ,,Entstehung der Rente" nicht durch den Erwerbsvorgang verursacht, wenn eine bereits bestehende Pensionsverpflichtung übernommen wird (BFHE 126, 560, 564, BStBl II 1979, 266) oder ein Anteil - kraft Erbrechts - unentgeltlich erworben wird (BFH-Urteil vom 10. Juni 1976 IV R 31/72, BFHE 119, 174, BStBl II 1976, 576).
d) Hiernach ist die Hinzurechnung der wiederkehrenden Leistungen zum Gewerbeertrag nicht Rechtens.
Der Änderungsvertrag vom 23. Oktober 1980 hat einen Bezug zur Gründung eines Betriebes am 1. August 1977 nur insofern, als er in zeitlichem Zusammenhang mit der Übernahme der B-Apotheke durch den Kläger geschlossen worden ist. Dies reicht indes für die Anwendung des § 8 Nr.2
GewStG nicht aus. Der Vertrag vom 5. Juni 1977 hatte nicht die wirtschaftliche Bedeutung eines Finanzierungsvorgangs. Gleiches gilt für den Änderungsvertrag vom 23. Oktober 1980.
Zudem ist die Vertragsänderung ein Vorfall des laufenden Geschäftsbetriebes: Die Vertragspartner haben auf eine geänderte wirtschaftliche Situation reagiert, indem sie einen Vertragszustand geändert bzw. noviert haben. Es ist ohne steuerrechtliche Bedeutung, daß das Nutzungsverhältnis anläßlich der Übernahme der B-Apotheke begründet worden war. Daß zwischen beiden Zeitpunkten nur wenige Jahre lagen, hing von Zufälligkeiten des Grundstücksmarktes ab.
3. Da das FG von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist und sich seine Entscheidung auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend erweist, war das angefochtene Urteil aufzuheben. Auf die spruchreife Klage hin waren die Gewerbesteuer-Meßbeträge antragsgemäß wie folgt herabzusetzen:. . .
Fundstellen
Haufe-Index 64078 |
BFH/NV 1993, 489 |