Leitsatz (amtlich)
Überläßt ein Arbeitgeber seinen Angestellten betriebliche Kraftwagen, die diese auch außerhalb des Dienstes für private Fahrten benutzen können und wahrscheinlich benutzen, so kann er sich im Lohnsteuer-Haftungsverfahren nicht darauf berufen, daß er den Arbeitnehmern die private Nutzung untersagt habe, sofern er nicht ernstlich auf die Beachtung des Verbots gedrungen hat.
Normenkette
EStG §§ 8, 38 Abs. 3; StAnpG § 2 Abs. 2, § 7 Abs. 1
Tatbestand
Die Steuerpflichtige hatte acht Angestellten, zwei Prokuristen und sechs Bauführern, Kraftwagen zur Benutzung auf Dienstreisen sowie für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zur Verfügung gestellt. die Angestellten nahmen die Wagen nach Dienstschluß, auch über das Wochenende und an Feiertagen, mit nach Hause. Das FA nahm an, daß die Angestellten die Wagen teilweise auch für Privatfahrten genutzt hätten und schätzte diesen geldwerten Vorteil bei einem VW auf 600 DM und bei einem Borgward und Ford auf je 800 DM jährlich. Es erließ wegen Nichteinbehaltung von Lohnsteuer und Kirchenlohnsteuer 1959 bis 1962 gegen die Steuerpflichtige als Arbeitgeberin einen Haftungsbescheid.
Die Steuerpflichtige bestritt, daß ihre Angestellten die Wagen für Privatfahrten benutzt hätten. Sie habe das wiederholt ausdrücklich untersagt.
Das FG gab der Berufung statt. Sein Urteil ist in EFG 1966, 8 veröffentlicht. Es führte aus, es sei zwar wahrscheinlich, daß die Angestellten trotz des Verbots die Wagen auch für private Fahrten genutzt hätten. Die Steuerpflichtige habe das erlassene Verbot nicht überwacht und keine Fahrtenbücher führen lassen. Bei drei Angestellten habe die Steuerpflichtige sogar nicht darauf gedrängt, daß sie während der Urlaubszeit die Wagen zurückgäben. Es könne dahingestellt bleiben, ob ein geldwerter Vorteil darin liege, wenn die Angestellten trotz des Verbots die Wagen auch für private Zwecke genutzt hätten; denn keinesfalls dürfe das FA die Steuerpflichtige für die zurückliegenden Jahre haftbar machen. Die Steuerpflichtige würde sich mit ihrem eigenen Verbot in Widerspruch setzen, wenn sie den Angestellten steuerlich die private Nutzung konzediert hätte.
Entscheidungsgründe
Ausden Gründen:
Die Revision, mit der das FA unrichtige Rechtsanwendung rügt, ist begründet.
Mit Recht führt das FG aus, daß bei jeder Inanspruchnahme des Arbeitgebers zu prüfen ist, ob das auch Recht und Billigkeit entspricht (§ 2 StAnpG) oder ob nicht der Arbeitnehmer als der eigentliche Steuerschuldner vor dem Arbeitgeber als Gesamtschuldner heranzuziehen ist (§ 38 Abs. 3 EStG, § 7 Abs. 1, 3 StAnpG). Die tatsächlichen Feststellungen des FG tragen indessen seine Entscheidung nicht, daß hier die Inanspruchnahme der Steuerpflichtigen ungerechtfertigt sei.
Zwar trifft es zu, daß es in der Regel nicht angebracht ist, den Arbeitgeber in Anspruch zu nehmen, wenn sich Arbeitnehmer unter Verstoß gegen die Gesetze oder ihre vertraglichen Pflichten wider den Willen des Arbeitgebers aus dem Betriebsvermögen durch Veruntreuungen bereichern. Anders liegt es aber, wenn der Arbeitgeber zwar ein Verbot erlassen, aber nicht ernstlich auf seine Beachtung gedrungen hat. In dem Urteil VI 4/63 vom 21. Februar 1964 (Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 38, Rechtsspruch 55) hat der Senat bereits ausgesprochen, ein Arbeitgeber könne sich auf ein Verbot nicht berufen, wenn er gegen Arbeitnehmer, die das Verbot nicht beachteten, nichts Ernstliches unternommen habe. In solchen Fällen müsse er sich beim FA erkundigen, wie er sich verhalten solle oder wenigstens das FA darauf hinweisen, daß er bei der Einbehaltung der Lohnsteuer Schwierigkeiten habe.
Die tatsächlichen Feststellungen des FG legen die Annahme nahe, daß die Steuerpflichtige von der ihrem Verbot widersprechenden Nutzung der Kraftwagen wußte aber gegen die Benutzung nichts Ernstliches unternahm. Es fehlte anscheinend an einer wirklichen Überwachung der Beachtung des Verbots. Fahrtenbücher wurden nicht geführt. Die Überwachung durch Fahrtschreiber war nach den Angaben der Steuerpflichtigen undurchführbar. Ihre Vermutung, die Fahrtschreiber seien gewaltsam beschädigt worden, mußte ihr die Annahme besonders nahelegen, daß die Wagen verbotswidrig benutzt wurden. Von besonderem Gewicht dürfte sein, daß die Steuerpflichtige drei Angestellten die Fahrzeuge auch während des Urlaubs überließ. In diesen Fällen muß es geradezu als unwahrscheinlich gelten, daß die Wagen nicht zu Urlaubsfahrten benutzt wurden.
Die Erwägung des FG, die Steuerpflichtige würde sich in Widerspruch zu ihrem eigenen Verbot gesetzt haben, wenn sie als Arbeitgeberin steuerlich doch eine private Nutzung konzediert hätte, könnte nur durchschlagen, wenn die Steuerpflichtige ihr Verbot wirklich ernstlich gemeint und durchgesetzt hätte. Darüber hinaus ist es möglich, daß die Steuerpflichtige nur oder in erster Linie die bürgerlich-rechtlichen Folgen der Benutzung der Wagen auf Privatfahrten gegenüber den Angestellten ausschließen wollte. Die vorgelegten "Rundschreiben" ergeben nicht, daß das Verbot ernsthaft durchgesetzt wurde. Sie behandeln nicht in erster Linie die private Nutzung der den acht Angestellten überlassenen Wagen, sondern die private Nutzung betrieblicher Fahrzeuge allgemein. Die vorgelegten Erklärungen der Prokuristen und Bauführer ergaben auch nur, daß diese von dem Verbot privater Nutzung der überlassenen Wagen Kenntnis hatten, nicht aber auch, daß sie das Verbot beachtet hätten.
Die Vorentscheidung war somit wegen möglicher unrichtiger Rechtsauslegung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif und wird nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO zur weiteren Aufklärung an das FG zurückverwiesen, das die Sache nochmals unter den angeführten rechtlichen Gesichtspunkten zu würdigen hat. Es muß auch feststellen, ob die acht Angestellten zur Einkommensteuer veranlagt werden. In diesem Fall ist zu erwägen, ob das FA die Steuerpflichtige heranziehen kann (Urteil des Senats VI 262/62 U vom 10. Januar 1964, BFH 78, 560, BStBl III 1964, 213).
Billigt das FG die Inanspruchnahme der Steuerpflichtigen ganz oder teilweise, so sind bei der Bewertung des geldwerten Vorteils die Grundsätze des Urteils des BFH VI 306/61 U vom 21. Juni 1963 (BFH 77, 191, BStBl III 1963, 387) zu beachten.
Fundstellen
Haufe-Index 67962 |
BStBl II 1968, 361 |
BFHE 1968, 410 |