Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachholung des Abzugs nicht ausgenutzter Grundförderbeträge nach § 10e EStG bei zwischenzeitlich weggefallener Anspruchsberechtigung
Leitsatz (amtlich)
Die Befugnis, den Abzug nicht ausgenutzter Grundförderbeträge nach § 10e Abs. 1 und 2 EStG innerhalb des Abzugszeitraums nachzuholen, hängt nicht davon ab, dass der Steuerpflichtige im Jahr der Nachholung noch zur Inanspruchnahme eines Abzugsbetrags berechtigt ist (Bestätigung des BFH-Urteils vom 29. November 2000 X R 13/99, BFHE 194, 93, BStBl II 2002, 132).
Normenkette
EStG § 10e Abs. 3 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb im Jahr 1991 zusammen mit seiner Ehefrau je zur Hälfte ein zu eigenen Wohnzwecken genutztes Einfamilienhaus. Seit seinem Auszug Ende August 1993 wird das Haus von der Ehefrau des Klägers und den gemeinsamen Kindern bewohnt.
Die Bemessungsgrundlage für die Steuerbegünstigung nach § 10e Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) betrug 262 613 DM. Die Abzugsbeträge für die Jahre 1991 bis einschließlich 1993 (3 x 13 130 DM = 39 390 DM) haben der Kläger und seine Ehefrau insgesamt nur in Höhe von 6 411 DM in Anspruch genommen. Für das Jahr 1994 beantragte der Kläger für sich und seine Ehefrau die einheitliche und gesonderte Feststellung der Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG in Höhe von 13 130 DM sowie die Nachholung der nicht ausgenutzten Abzugsbeträge aus den Jahren 1991 bis 1993 in Höhe von 32 979 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) stellte die Wohneigentumsförderung auf 23 054 DM (50 v.H. der Summe aus 13 130 DM und 32 979 DM) fest und rechnete sie in voller Höhe der Ehefrau des Klägers zu.
Der Einspruch des Klägers war erfolglos. Das FA war der Auffassung, in der Überlassung des Einfamilienhauses an die Ehefrau und die unterhaltsberechtigten Kinder liege keine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken i.S. des § 10e Abs. 1 Satz 2 EStG durch den Kläger. Nicht ausgenutzte Abzugsbeträge dürften nur nachgeholt werden, wenn die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Grundförderung auch im Nachholungsjahr gegeben seien.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage insoweit statt, als der Kläger die Feststellung der in den Jahren 1991 bis 1993 nicht ausgenutzten Abzugsbeträge in anteiliger Höhe begehrt. Es war der Auffassung, der Steuerpflichtige könne den Abzug der Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG, die er in den Jahren des Abzugszeitraums nicht ausgenutzt habe, gemäß § 10e Abs. 3 EStG bis zum Ende des vierten Jahres des Abzugszeitraums nachholen, auch wenn er im Nachholungsjahr die Wohnung nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt habe und somit der Anspruch auf die Grundförderung nach § 10e EStG entfallen sei. Im Übrigen wies es die Klage ab.
Der Leitsatz des Urteils des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1316 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10e Abs. 1 und Abs. 3 EStG. Es trägt vor: Die Nachholung von Abzugsbeträgen sei nur in Veranlagungszeiträumen und nur für Veranlagungszeiträume möglich, in denen der Steuerpflichtige die Wohnung zu eigenen Wohnzwecken genutzt habe. Bereits der Wortlaut der Vorschrift und der Sinn und Zweck der Regelung, die Förderung des selbstgenutzten Wohneigentums, gebiete, die Nachholung vom fortbestehenden Eigentum und der Selbstnutzung abhängig zu machen. § 10e EStG sei zudem § 7b EStG nachgebildet, für den nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Nachholung der erhöhten Absetzungen nur möglich gewesen sei, wenn die Voraussetzungen für die Geltendmachung der erhöhten Absetzungen auch im Jahr der Nachholung vorgelegen hätten (BFH-Urteil vom 22. April 1980 VIII R 62/78 BFHE 131, 202, BStBl II 1980, 688).
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das FG die vom Kläger nicht ausgenutzten Abzugsbeträge der Jahre 1991 bis 1993 im Streitjahr 1994 im Wege der Nachholung berücksichtigt.
Nach § 10e Abs. 3 Satz 1 EStG i.d.F. des Wohneigentumsförderungsgesetzes (WohneigFG) kann der Steuerpflichtige die Abzugsbeträge nach § 10e Abs. 1 und 2 EStG, die er in den ersten drei Jahren des Abzugszeitraums nicht ausgenutzt hat, bis zum Ende des vierten Jahres des Abzugszeitraums abziehen.
Für die Nachholungsregelung in § 7b Abs. 4 EStG 1971 hatte der BFH die Ansicht der Finanzverwaltung geteilt, dass erhöhte Absetzungen nur dann nachholbar seien, wenn die Voraussetzungen für die erhöhten Absetzungen auch im Jahr der Nachholung vorlägen; nicht erforderlich sei dagegen, dass diese Voraussetzungen während des ganzen Jahres der Nachholung gegeben seien (BFH in BFHE 131, 202, BStBl II 1980, 688).
Die Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ―BMF― vom 31. Dezember 1994 IV B 3 -S 2225 a- 294/94, BStBl I 1994, 887, Rz. 67 Satz 2) und Meyer in Herrmann/Heuer/ Raupach (Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 10e EStG Anm. 266) verlangen für die Nachholung, dass der Steuerpflichtige die Wohnung auch im Jahr der Nachholung zumindest teilweise noch zu eigenen Wohnzwecken nutzt.
Der erkennende Senat hat im Urteil vom 29. November 2000 X R 13/99 (BFHE 194, 93, BFH/NV 2001, 531) in Übereinstimmung mit einem Teil des Schrifttums (z.B. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl. 2001, § 10e Rz. 101; Blümich/Erhard, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 10e EStG Rz. 361; Stephan in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 10e EStG Rz. 88a) zu § 10e Abs. 3 Satz 1 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes 1992 (StÄndG 1992) entschieden, dass weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus dem mit der Nachholungsregelung verfolgten Zweck hergeleitet werden könne, der Steuerpflichtige dürfe den Abzug der Förderbeträge nur nachholen, wenn auch im Jahr der Nachholung noch alle Voraussetzungen für deren Inanspruchnahme erfüllt seien. Der Gesetzeswortlaut verlange für die Nachholung lediglich, dass der Steuerpflichtige ihm zustehende Abzugsbeträge nicht ausgenutzt habe und dass der Abzugszeitraum noch nicht beendet sei. Diese Auslegung des § 10e Abs. 3 Satz 1 EStG werde ferner durch § 10e Abs. 5a EStG bestätigt. Nach dieser Vorschrift sei die Nachholung der Grundförderbeträge auch in Jahren möglich, in denen die Einkunftsgrenzen überschritten seien.
Für § 10e Abs. 3 Satz 1 EStG i.d.F. des WohneigFG kann nichts anderes gelten, da sich die Vorschrift von § 10e Abs. 3 Satz 1 EStG i.d.F. des StÄndG 1992 nur hinsichtlich der Dauer des Nachholungszeitraums unterscheidet. Voraussetzung für die Nachholung der Grundförderung ist nur, dass der Steuerpflichtige ihm zustehende Abzugsbeträge nicht ausgenutzt hat und sie bis zum Ende des vierten Jahres des Abzugszeitraums beansprucht. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.
Fundstellen
Haufe-Index 935955 |
BFH/NV 2003, 975 |
BStBl II 2003, 577 |
BFHE 201, 434 |