Entscheidungsstichwort (Thema)
(Darlehen eines minderjährigen Kindes an einen Elternteil nach Schenkung der Geldmittel durch den anderen Elternteil als Gestaltungsmißbrauch)
Leitsatz (amtlich)
Geht dem Darlehen einer minderjährigen Tochter an einen Elternteil eine Schenkung des anderen Elternteils voraus und liegt diesen Rechtsgeschäften ein Gesamtplan der Eltern zur Schaffung von Werbungskosten zugrunde, so kann hierin ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 AO 1977) liegen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Nr. 1, § 12; AO 1977 § 42
Verfahrensgang
FG Münster (Entscheidung vom 21.01.1992; Aktenzeichen 6 K 2267/89 E) |
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Mit Vertrag vom 2. Oktober 1984 erwarben sie zu je einhalb Miteigentum an dem mit einer Doppelhaushälfte bebauten Grundstück, das sie zur Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung nutzen. Einen Teil des Kaufpreises von 200 000 DM finanzierten sie durch ein Bankdarlehen in Höhe von 150 000 DM. Am 10. November 1984 überwies der Kläger den Habensaldo des Kontos seiner minderjährigen Tochter von 49 556,09 DM auf sein eigenes Konto und verwendete davon 48 000 DM zur Bezahlung des Restkaufpreises am 20. November 1984. Die restlichen 1 556,09 DM zahlte er auf ein Sparbuch der Tochter ein.
Zuvor hatte die Klägerin im Mai 1984 48 161,50 DM von ihrem Konto auf das der Tochter umgebucht. Der Betrag war zunächst bis August 1984, dann bis November 1984 als Festgeld angelegt. Die Kläger waren über dieses Konto einzeln verfügungsberechtigt. Am 5. November 1984 hatte der Kläger mit seiner Tochter, vertreten durch einen Ergänzungspfleger, einen schriftlichen Darlehensvertrag über ein Darlehen von 48 000 DM mit einer jährlichen Verzinsung von 8,5 v.H., jeweils fällig zum Jahresende, geschlossen. Nach dem Vertrag konnte das Darlehen jährlich mit einer dreimonatigen Frist zum Jahresende gekündigt werden; ohne Kündigung verlängerte sich die Laufzeit jeweils um ein Jahr. Nach Kündigung sollte der Darlehensbetrag in voller Höhe fällig werden.
Zur Sicherung der Ansprüche der Tochter gegen den Kläger übernahm die Klägerin für die durch einen Ergänzungspfleger vertretene Tochter die selbstschuldnerische Bürgschaft. Das Vormundschaftsgericht genehmigte im Mai 1985 Bürgschafts- und Darlehensvertrag.
Die Darlehenszinsen von 544,03 DM für 1984 und von 4 080 DM für 1985 (Streitjahr) wurden im Januar und im Dezember 1985 auf das Sparbuch der Tochter eingezahlt.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) lehnte es ab, die im Streitjahr gezahlten Zinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) entsprach der Darlehensvertrag mangels ausreichender Sicherheit nicht den an Verträge zwischen nahen Angehörigen zu stellenden Anforderungen.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung des § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie des § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Die Kläger beantragen, die Vorentscheidung sowie die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und im Streitjahr Zinsen von 4 080 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Der am 28. April 1995 geänderte Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr wurde auf Antrag der Kläger Gegenstand des Verfahrens.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 FGO). Das FG hat im Ergebnis zu Recht den Abzug der geltend gemachten Zinszahlungen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung versagt.
Die vertragsmäßige Gestaltung stellt einen Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts (§ 42 der Abgabenordnung --AO 1977--) dar.
1. Eine Umgehung im Sinne dieser Vorschrift ist nach ständiger Rechtsprechung gegeben, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die --gemessen an dem erstrebten Ziel-- unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist (vgl. insbesondere Senatsurteile vom 16. Januar 1996 IX R 13/92, BFHE 179, 400, BStBl II 1996, 214; vom 12. Juli 1988 IX R 149/83, BFHE 154, 93, BStBl II BFHE 154, 93, BStBl II 1988, 942, sowie vom 23. Februar 1988 IX R 157/84, BFHE 152, 496, BStBl II 1988, 604). Das Bestreben, Steuern zu sparen, macht eine rechtliche Gestaltung nicht unangemessen (Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. November 1982 GrS 1/81, BFHE 137, 433, 444, BStBl II 1983, 272); auch Angehörigen steht es grundsätzlich frei, ihre Rechtsverhältnisse steuerlich möglichst günstig zu gestalten. Eine rechtliche Gestaltung ist dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Ziele nicht gebraucht, obwohl hierfür keine beachtlichen außersteuerlichen Gründe vorliegen, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel, Steuern zu sparen, nicht erreichbar sein soll (BFH-Urteil vom 16. Januar 1992 V R 1/91, BFHE 167, 215, 217, BStBl II 1992, 541, m.w.N.).
2. Nach diesen Grundsätzen sind die von den Klägern jeweils mit ihrer minderjährigen Tochter geschlossenen Vereinbarungen in ihrer Gesamtheit unangemessen i.S. von § 42 AO 1977.
Einem Kind ist es zwar nicht schlechthin versagt, seinen Eltern aus seinem Vermögen ein Darlehen zu gewähren. Eine unangemessene Gestaltung liegt jedoch dann vor, wenn dem Darlehen eine Schenkung der Eltern vorausgeht und den Vereinbarungen über Schenkung und Darlehenshingabe ein Gesamtplan der Eltern zugrunde liegt, der --wie im Streitfall-- nur vor dem Hintergrund der Schaffung von Werbungskosten verständlich wird.
Die von den Klägern mit ihrer Tochter getroffenen Vereinbarungen stehen --wie deren tatsächliche Abwicklung zeigt-- in einem so engen inneren, von den Klägern bestimmten Zusammenhang, daß wirtschaftlich davon auszugehen ist, daß die Kläger mit eigenen Mitteln gebaut haben. Die Schenkung der Klägerin zugunsten ihrer Tochter kann --die zivilrechtliche Wirksamkeit dieses Rechtsgeschäfts unterstellt-- trotz des zeitlichen Abstandes von etwa einem halben Jahr nicht losgelöst von dem anschließenden Darlehen gesehen werden. So entsprach insbesondere die Überweisung der Klägerin auf das Konto ihrer minderjährigen Tochter bis auf rd. 160 DM genau dem später benötigten Darlehensbetrag. Damit in Einklang steht die zeitliche Festlegung des Geldes allein entsprechend den Finanzierungsanforderungen der Kläger. Außersteuerliche Gründe, die den von den Klägern eingeschlagenen unangemessenen Weg der Schenkung mit anschließender Darlehensnahme in der vorliegenden Form rechtfertigen könnten, sind weder vom FG festgestellt noch sonst ersichtlich. Insbesondere bedurfte es nicht des Umwegs über Schenkung und Darlehen, um der Tochter einen den Guthabenzinsen entsprechenden Betrag zuzuwenden.
Die rechtsmißbräuchliche Gestaltung hat zur Folge, daß der Steueranspruch so entsteht, wie er bei einer wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstanden wäre (§ 42 Satz 2 AO 1977). Hätten die Kläger den dem wirtschaftlichen Ziel angemessenen Weg der Kaufpreiszahlung mit den zunächst vorhandenen eigenen Mitteln gewählt, wären an die Tochter zu zahlende Darlehenszinsen nicht angefallen. Die insoweit gezahlten Beträge sind Zuwendungen, die gemäß § 12 Nr.1 und 2 EStG nicht einkommensteuermindernd zu berücksichtigen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 66092 |
BFH/NV 1996, 319 |
BStBl II 1996, 443 |
BFHE 180, 330 |
BFHE 1997, 330 |
BB 1996, 1700 |
BB 1996, 1700-1701 (Leitsatz und Gründe) |
DB 1996, 1707 (Leitsatz und Gründe) |
DStR 1996, 1278-1279 (Kurzwiedergabe) |
DStZ 1996, 665 (Kurzwiedergabe) |
HFR 1996, 808-809 (Leitsatz) |
StE 1996, 527 (Kurzwiedergabe) |