Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Gewerbesteuerpflicht von Schaufenstergestaltern.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1; EStG §§ 15, 18
Tatbestand
Der Steuerpflichtige ist Gebrauchswerber (Schaufenstergestalter). Das Finanzamt hält ihn für gewerbesteuerpflichtig und hat den Steuermeßbetrag nach dem Gewerbeertrag festgesetzt.
Der Steuerpflichtige bestreitet seine Gewerbesteuerpflicht. Er hat eine Bescheinigung des Bundes Deutscher Schaufensterdekorateure und Plakatmaler vom 2. November 1951 überreicht, in der ihm bestätigt wird, daß er "als freiberuflicher Gebrauchswerber" dem Bund angehört. Er hat weiterhin eine Bescheinigung des Bundes der Schaufensterdekorateure Deutschlands e. V. vom 24. Oktober 1952 vorgelegt, in der ausgeführt wird, daß er auf Grund seiner Tätigkeit und Ausbildung als künstlerisch, eigenschöpferisch und freiberuflich tätiger Schaufensterdekorateur anzusehen sei. Schließlich hat der Steuerpflichtige auf ein Schreiben der Kunst- und Handwerkerschule A Bezug genommen zum Beweise dafür, daß er an ihr fortlaufend Unterricht als Fachlehrer für Dekoration und Schrift erteile. Vor allem sei der Unterricht in der Schrift als künstlerische Tätigkeit zu betrachten.
Nach erfolglosem Einspruch hat der Steuerpflichtige im Berufungsverfahren seine Einwendungen gegen die Auffassung des Finanzamts aufrechterhalten und zu ihrer Stützung u. a. wörtlich folgendes ausgeführt:
"Es ist die Aufgabe des künstlerischen Fenstergestalters, eine persönliche künstlerische Idee im Zuge der Werbung so zu verwirklichen, daß außer dem künstlerischen Geschmack der Werbung selbst reklamepsychologisch in den Verbraucherkreisen der Bedarf geweckt und zur Deckung dieses Bedarfes angereizt wird."
Das Finanzgericht ist der Rechtsauffassung des Finanzamts beigetreten. Es hat unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Obersten Finanzgerichtshofs seine Entscheidung damit begründet, daß die Tätigkeit eines Schaufensterdekorateurs infolge ihrer engen Verbindung mit der im Schaufenster ausgestellten Handelsware in ihrem Schwergewicht als eine werbende Tätigkeit und deshalb als eine gewerbliche Betätigung angesehen werden müsse. Die im Vordergrund der Betrachtung stehende Kundenwerbung müsse bei der Beurteilung der Tätigkeit eines Schaufensterdekorateurs den Ausschlag geben. Die Ausstellung der angebotenen Ware gehöre wesentlich zu den Mitteln der Schaufenstergestaltung. Das Gesamtbild werde also nicht durch Mittel oder Ausdrucksformen der reinen Kunst bestimmt. Die unmittelbare Verbindung von Kunst und Ware verbiete es, die in einem solchen Falle erzielte Gestaltung als den Erfolg einer künstlerischen Tätigkeit im Sinne der gesetzlichen Regelung anzusehen.
In der Rechtsbeschwerde (Rb.) hat der Steuerpflichtige die Begründung der Vorentscheidung für rechtsirrig erklärt. Die Wirtschaft müsse sich heute, um die Masse anzusprechen, der Kunst und ihrer Gestaltungsmöglichkeiten bedienen. Die Kunst stehe nur mittelbar mit der Ware, für die geworben werden soll, in Verbindung. Die Warenschauen in Schaufenstern, Ausstellungen und Messen übten neben ihrer werbenden Aufgabe "einen ganz entscheidenden Einfluß auf die künstlerische Geschmacksbildung breitester Kreise der Bevölkerung" aus und bildeten "ein wichtiges kulturförderndes Glied der menschlichen Gesellschaft". Es sei allgemein bekannt, daß eine Reihe namhaftester Künstler im In- und Ausland mit der Gestaltung von Schaufenstern betraut worden sei. Darunter fänden sich Künstlernamen von Weltruf wie Picasso, Salvadore Dali u. a., die den Beweis dafür lieferten, daß heute grundsätzlich das Schaufenster als Mittel betrachtet werde, neue Richtungen und Strömungen der Kunst in den Mittelpunkt der öffentlichen Kritik zu stellen. Das Kunstwerk verliere seine Eigenschaft nicht etwa dadurch, daß es irgendwelchen kommerziellen Zwecken diene. Andernfalls dürften alle Kunstwerke, die durch Kunsthändler veräußert würden, nicht mehr als Kunstwerke angesprochen werden, da das beim Händler ausgestellte Werk seinen kommerziellen Interessen diene.
Entscheidungsgründe
Der Rb. ist der Erfolg zu versagen.
Wie der erkennende Senat in dem Urteil IV 131/51 U vom 27. März 1952 (Slg. Bd. 56 S. 439, Bundessteuerblatt 1952 S. 170) ausgeführt hat, gehören zu den gewerbesteuerpflichtigen Einkünften im Sinne des § 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) grundsätzlich nicht die Einkünfte aus freien Berufen im Sinne des § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Zu letzteren rechnet insbesondere die wissenschaftliche, künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit sowie die Tätigkeit "ähnlicher Berufe". Nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Obersten Finanzgerichtshofs (vgl. insbesondere das Urteil des Reichsfinanzhofs VI 405/40 vom 13. November 1940, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1941 S. 179, sowie das Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs IV 4/49 vom 10. Mai 1949, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK - Rechtsspruch 2 zu § 18 EStG) ist es nicht angängig, der Aufzählung der freien Berufe im § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG einen allgemeinen Grundsatz zu entnehmen und alle Berufe, die unter den so gewonnenen allgemeinen Grundsatz fallen würden, als freiberufliche anzusehen. Vielmehr müßten die "ähnlichen Berufe" im Sinne der Gesetzesvorschrift tatsächlich einem bestimmten der im Gesetz einzeln aufgeführten Berufe ähnlich sein. Nur auf diese Weise sei eine einigermaßen bestimmte Abgrenzung möglich, die für das GewStG von großer Bedeutung sei.
Der Beruf des Gebrauchswerbers (Schaufenstergestalters) ist keinem der im § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG besonders aufgeführten Berufe ähnlich. Es bleibt daher die Prüfung der Frage übrig, ob der Steuerpflichtige eine künstlerische Tätigkeit ausübt. Für die künstlerische Eigenschaft ist die eigenschöpferische Begabung im Gegensatz zu der durch Schulung und übung erlernbaren, handwerksmäßigen Fertigkeit maßgebend.
In dem Schriftsatz vom 13. Januar 1953 hat der Vertreter des Steuerpflichtigen ausgeführt, daß es Aufgabe des Fenstergestalters sei, eine persönliche künstlerische Idee im Zuge der Werbung so zu verwirklichen, daß außer dem künstlerischen Geschmack der Werbung selbst reklamepsychologisch in den Verbraucherkreisen der Bedarf geweckt und zur Deckung dieses Bedarfs angereizt wird. Ein Schaufenstergestalter würde also den ihm gestellten Auftrag nicht erfüllen, wenn er sich lediglich darauf beschränkte, ein Kunstwerk zu schaffen. Der Unternehmer, der ihm einen Auftrag erteilt, verlangt vielmehr, daß der Schaufenstergestalter Zweck und Wesen seiner Tätigkeit darin sieht, für bestimmte Gegenstände Reklame zu machen, den Bedarf zu wecken und zur Deckung dieses Bedarfs anzureizen, also durch Kundenwerbung zur Erhöhung des Gewinns des Unternehmens beizutragen. Diese von dem Schaufenstergestalter verlangte Leistung ist keine künstlerische Tätigkeit im Sinne des § 18 EStG. Das gleiche bringt auch die Vorentscheidung zum Ausdruck, wenn sie ausführt, daß die Tätigkeit eines Schaufenstergestalters infolge ihrer engen Verbindung mit der im Schaufenster ausgestellten Handelsware in ihrem Schwergewicht als eine werbende Tätigkeit und deshalb als eine gewerbliche Betätigung zu betrachten ist. Bei der Entscheidung der Frage, ob die Tätigkeit eines Werbefachmanns freiberuflich ist, kommt auch der Oberste Finanzgerichtshof in dem Urteil IV 65/49 vom 28. Februar 1950 (StRK, Rechtsspruch 11 zu § 2 Abs. 1 GewStG) zu dem gleichen Ergebnis, indem er ausführt, daß der Hauptzweck die Kundenwerbung zum Nutzen des werbenden Lieferanten sei, und daß dies bei der Beurteilung der Tätigkeit des Werbefachmanns den Ausschlag gebe.
Die Rechtsauffassung des erkennenden Senats wird auch von Herrmann-Heuer (Kommentar zur Einkommensteuer, 5. bis 6. Aufl., Anm. 8 zu § 18 EStG) und Blümich-Falk (EStG 7. Aufl., Anm. 3 zu § 18) geteilt.
Der Senat verkennt nicht, daß bei der Tätigkeit eines Schaufenstergestalters auch ein Ineinanderfließen künstlerischer und gewerblicher Tätigkeit möglich ist. Das ist jedoch deshalb unbeachtlich, weil der eigenschöpferische Arbeitserfolg nur als Voraussetzung eines gewerblichen Erfolgs geleistet, also gewissermaßen gewerblichen Zwecken dienstbar gemacht wird. Vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI 178/42 vom 8. Juli 1942, RStBl 1942 S. 907.
Eine Tätigkeit greift über das eigentliche Kunstschaffen hinaus, wenn nach der Volksanschauung der vom Künstler hergestellte Gegenstand nicht mehr in erster Linie ein Kunstwerk, sondern ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens ist. Hiervon ausgehend hat das Urteil des Reichsfinanzhofs VI 265/39 vom 24. Mai 1939 (RStBl. 1939 S. 940) Reklamebilder für geschäftliche Werbezwecke zu Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens gerechnet. Entsprechendes gilt auch für die Tätigkeit der Schaufenstergestalter. Auch Schaufensterauslagen stellen nach der Volksanschauung keine Kunstwerke, sondern in erster Linie Mittel der Kundenwerbung dar.
Zu der Frage der Umsatzsteuerpflicht von Schaufenstergestaltern hat der V. Senat (Umsatzsteuersenat) des Bundesfinanzhofs bisher keine Stellung genommen. Das von dem Steuerpflichtigen in Bezug genommene Urteil V A 901/28 hat der V. Senat des Reichsfinanzhofs am 18. Juni 1929 zum Umsatzsteuergesetz 1926 gefällt (Amtl. Slg. Bd. 25 S. 201). Seine Rechtsausführungen sind daher für den erkennenden Senat nicht bindend.
Der Einwand des Steuerpflichtigen, daß Kunstwerke ihre Eigenschaft nicht dadurch verlören, daß sie kommerziellen Zwecken dienten, geht fehl. Kunstwerke, die von den Kunsthändlern veräußert werden, sind Objekte der kommerziellen Tätigkeit; im Streitfall geht es dagegen um die Frage, ob die Herstellung eines Werkes künstlerischer oder gewerblicher Natur ist.
Wenn sich der Beschwerdeführer nebenbei noch als Fachlehrer für Dekoration und Schrift an einer Kunst- und Gewerbeschule betätigt, so handelt es sich um eine im Rahmen seiner Gesamttätigkeit liegende Betätigung, die, sofern sie nicht in unselbständiger Arbeit geleistet wird, ebenfalls gewerbesteuerpflichtig ist. Siehe hierzu auch das Urteil des Reichsfinanzhofs VI 292/39 vom 24. Mai 1939 (a. E.), RStBl. 1939 S. 941.
Fundstellen
Haufe-Index 408194 |
BStBl III 1955, 225 |
BFHE 1956, 72 |
BFHE 61, 72 |