Entscheidungsstichwort (Thema)
Erbschaftsteuer. Steueranpassungsgesetz
Leitsatz (amtlich)
§ 3 Abs. 4 StAnpG betrifft nicht solche Fälle, in denen lediglich gemäß § 39 des Verschollenheitsgesetzes der Tod einer Person festgestellt ist, weil zwar der Zeitpunkt des Todes, nicht aber der eingetretene Tod selbst zweifelhaft ist.
Normenkette
ErbStG § 14 Abs. 1 Ziff. 1; StAnpG § 3 Abs. 4
Tatbestand
In dem Erbschaftsteuerfall der Beschwerdeführerin (Bfin.) und ihrer minderjährigen Kinder anläßlich des Ablebens ihres Ehemannes Sch. ist allein die Frage streitig, wann der Erblasser als gestorben anzusehen ist. Von der Entscheidung dieser Frage hängt es ab, ob der Steuerfall noch in die Zeit der Geltung des Kontrollratgesetzes Nr. 17 gehört und die Bfin. deshalb ihren Erbanteil trotz des Vorhandenseins von Kindern aus der Ehe zu versteuern hat, oder ob sie steuerfrei bleibt.
Das zuständige Amtsgericht hat durch Beschluß vom 27. Dezember 1949 festgestellt, daß der Erblasser am 15. März 1948 in X gestorben ist. Er hatte Ende 1945 versucht, von Berlin zu seiner Familie nach E. zu gelangen, wurde jedoch von den Russen festgenommen, in das Gefängnis von L. gebracht und von dort im Jahre 1946 in das Konzentrationslager von X überführt, wo er an Ruhr erkrankte und starb.
Das Schicksal ihres Mannes, von dem Verlassen Berlins an, ist der Bfin. ohne daß sie unmittelbare Nachricht von ihm erhielt, laufend durch Kameraden und deren Angehörige bekannt geworden.
Die Bfin. hat geltend gemacht, wenngleich ein Fall von Verschollenheit im Sinne des § 1 Abs. 1 des Verschollenheitsgesetzes nicht vorliege, sei doch der Todeszeitpunkt ungewiß gewesen, und für diesen Fall sei § 3 Abs. 4 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) entsprechend dahin anzuwenden, daß der Todesfall erst mit dem Eintritt der Rechtskraft des amtsgerichtlichen Feststellungsbeschlusses vom 27. Dezember 1949 als erfolgt anzusehen sei, weil auch in Fällen dieser Art der Zweckgedanke der genannten Gesetzesvorschrift Platz greife, die Verjährung von staatlichen Erbschaftsteueransprüchen zu verhüten.
Das Finanzgericht hat ebenso wie das Finanzamt § 3 Abs. 4 StAnpG für unanwendbar erklärt, weil es sich nicht um einen Verschollenheitsfall, sondern lediglich um die Feststellung des Todeszeitpunktes handle.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde (Rb.).
Entscheidungsgründe
Nach § 14 Abs. 1 Ziff. 1 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) entsteht die Steuerschuld bei Erwerben von Todes wegen mit dem Tode des Erblassers. Wenn § 3 Abs. 4 StAnpG für Verschollenheitsfälle bestimmt, daß der Tod bei Gerichtsentscheidungen über die Todeserklärung erst mit dem Eintritt ihrer Rechtskraft steuerlich als eingetreten gilt, so stellt dies eine besondere Regelung für die Bestimmung des Zeitpunktes des Todes dar, weil dies in solchen Fällen steuerlich der einzige praktische Weg zur Bestimmung des Todeszeitpunktes ist.
Im vorliegenden Falle fehlt es nach den Feststellungen des Finanzgerichts am Merkmal der Verschollenheit (vgl. Arnold in Monatsschrift für Deutsches Recht 1952 S. 11 f.). Nach § 1 Abs. 1 des Verschollenheitsgesetzes ist eine Person verschollen, wenn ihr Aufenthalt während längerer Zeit unbekannt ist, ohne daß Nachrichten darüber vorliegen, ob sie indieser Zeit noch gelebt hat oder gestorben ist, und ernstliche Zweifel an ihrem Fortleben nach den Umständen begründet sind. Ist dagegen der Aufenthalt der Person vor ihrem Ableben bekanntgewesen, und steht fest, daß sie gestorben ist, so liegt keine Verschollenheit vor. Im vorliegenden Falle haben von Anfang an glaubhafte Berichte über das Schicksal und schließlich den Tod des Erblassers vorgelegen. In der Tat hat auch das Gericht keine Verschollenheit als vorliegend erachtet und kein Todeserklärungsverfahren durchgeführt, sondern lediglich nach § 39 des Verschollenheitsgesetzes den Zeitpunkt des Todes festgestellt.
Der Todesfeststellungsfall des Ehemanns der Bfin. erfüllt demnach den Tatbestand der Verschollenheit nicht. § 3 Abs. 4 StAnpG auch auf die Todesfeststellungsfälle anzuwenden, ist um so weniger gerechtfertigt, als § 1 Abs. 2 des Verschollenheitsgesetzes die Fälle, in denen der Tod gewiß und lediglich der Zeitpunkt des Todes ungewiß ist, ausdrücklich von den Verschollenheitsfällen unterscheidet und § 3 Abs. 4 StAnpG lediglich die Verschollenheitsfälle betrifft. Es fehlt auch sachlich an hinreichendem Anlaß, die Todesfeststellungsfälle denen der Verschollenheit in Beziehung auf § 3 Abs. 4 StAnpG rechtlich gleichzustellen, während sie sonst rechtlich verschieden geregelt sind. Im Gegenteil könnte die Behandlung der Todesfeststellungsfälle im Sinne der Verschollenheitsfälle unter Umständen zu wenig sinnvollen Ergebnissen führen. Es kann in der vorliegenden Sache dahingestellt bleiben, ob etwas Abweichendes dann gilt, wenn ein früheres Todeserklärungsverfahren in ein Todesfeststellungsverfahren übergeleitet worden ist, weil sich der eingetretene Tod nachträglich als unzweifelhaft herausgestellt hat.
§ 3 Abs. 4 läßt sich hiernach auf den vorliegenden Erbschaftsteuerfall nicht anwenden. Vielmehr gilt der Erblasser auch erbschaftsteuerlich gemäß dem Todesfeststellungsbeschluß des Amtsgerichts als am 15. März 1948 verstorben. Nach dem damals geltenden Recht kann die Bfin. Steuerbefreiung nicht beanspruchen.
Die Rb. ist deshalb mit der Kostenfolge des § 307 der Reichsabgabenordnung als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1201300 |
BStBl III 1953, 237 |
BFHE 57, 618 |