Leitsatz (amtlich)
Eine personenbezogene Kapitalgesellschaft im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG bleibt an den Antrag, wie eine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG besteuert zu werden, gebunden, wenn aus Anlaß einer Betriebsprüfung aufgrund neuer Tatsachen gemäß § 222 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 AO der Steuerbescheid berichtigt wird; im Falle einer solchen Berichtigung des Steuerbescheides kann ein versäumter Antrag im Sinne des § 19 Abs. 4 KStG nicht nachgeholt werden.
Normenkette
KStG § 19 Abs. 4; AO § 222 Abs. 1 Nrn. 1-2
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) ist eine personenbezogene Kapitalgesellschaft in der Rechtsform der GmbH (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG). Die Körperschaftsteuer für das Streitjahr 1961 war ursprünglich durch rechtskräftigen Bescheid nach § 19 Abs. 1 Nr. 2 KStG auf 44 160 DM festgesetzt worden. Ein Antrag nach § 19 Abs. 4 KStG auf Besteuerung wie eine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG war nicht gestellt worden. Nach einer Betriebsprüfung wurde dieser Bescheid nach § 222 AO berichtigt und die Steuerpflichtige wiederum unter Anwendung des für personenbezogene Kapitalgesellschaften geltenden Tarifs zu einer Körperschaftsteuer von 62 074 DM veranlagt. Mit dem Einspruch beantragte die Steuerpflichtige gemäß § 19 Abs. 4 KStG, sie wie eine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 KStG zu besteuern und die Steuersätze von 15 % und 51 % anzuwenden.
Die Körperschaftsteuererklärungsfrist sei eine reine Ordnungsfrist. Sie solle dem FA die rechtzeitige Inangriffnahme und laufende Durchführung der Veranlagung ermöglichen. Die Steuererklärungsfrist könne allgemein oder von Fall zu Fall verlängert werden. Die Frist nach § 19 Abs. 4 KStG sei an die Steuererklärungsfrist geknüpft. Da die letztere verlängerbar sei, sei auch die Frist gemäß § 19 Abs. 4 KStG verlängerbar. Daraus folge, daß ihre Versäumung keine materiell-rechtlichen Nachteile wie den Verlust des Antragsrechts mit sich bringen könne.
Im übrigen geböten die Grundsätze von Treu und Glauben, der Steuerpflichtigen das Recht zur Antragstellung gemäß § 19 Abs. 4 KStG im Rahmen der Berichtigungsveranlagung erneut zuzubilligen. Die Besteuerungsgrundlagen, die für den Entschluß der Steuerpflichtigen, von ihrem Antragsrecht bei der ursprünglichen Veranlagung keinen Gebrauch zu machen, maßgeblich gewesen seien, hätten sich wesentlich verändert. Durch die Betriebsprüfung sei ein Mehreinkommen von 36 092 DM - 32 % des ursprünglich veranlagten Einkommens - festgestellt worden. Dieses Mehreinkommen habe bei Berücksichtigung der anzurechnenden Kapitalertragsteuer zu einer Mehrsteuer von 17 689 DM geführt. Diese Mehrsteuer belaufe sich auf etwa 40 % der ursprünglich veranlagten Steuer und müsse - ebenso wie das festgestellte Mehreinkommen - als sehr erheblich und von wirtschaftlicher Tragweite angesehen werden. Die Rechtsprechung habe den Grundsatz entwickelt, daß dem Steuerpflichtigen diejenigen Rechte, die ihm bei Abgabe der Steuererklärung und im Veranlagungsverfahren zustanden, erneut zuzubilligen seien, wenn sich infolge einer Betriebsprüfung die Grundlagen wesentlich verändert hätten, auf denen der Steuerpflichtige diese Rechte ausgeübt habe. Die bezeichneten Grundsätze habe die Rechtsprechung in der Hauptsache für den Bereich der Bilanzänderung aufgestellt. Es handele sich jedoch um allgemeine Grundsätze, die auch auf den vorliegenden Fall der Änderung des Tarifwahlrechtes angewendet werden müßten. Wenn eine neue Tatsache zur Wiederaufrollung des gesamten Steuerfalles berechtige, so müsse das auch zugunsten des Steuerpflichtigen mit der Folge gelten, daß ihm das Antragsrecht erneut zuzubilligen sei.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG behandelte die Frist des § 19 Abs. 4 KStG als Ausschlußfrist und spätere Anträge als unzulässig. Das Festhalten an dem durch den Fristablauf eingetretenen Verlust des Wahlrechtes verstoße auch nicht gegen Treu und Glauben.
Die von der Steuerpflichtigen bei der ursprünglichen Veranlagung getroffene Entscheidung, von dem Wahlrecht keinen Gebrauch zu machen, wirke sich nach Änderung der Besteuerungsgrundlage nicht ungünstiger aus als bei der ersten Veranlagung. Die Steuerpflichtige sei also durch die Veränderung der Besteuerungsgrundlagen - soweit es um das Tarifwahlrecht gehe - nicht schlechter gestellt worden, als sie bisher durch ihre eigene Entscheidung schon gestanden habe.
Die Steuerpflichtige hat Revision eingelegt. Das FG habe auf die Möglichkeit der Beurteilung, daß die in Rede stehende Frist eine Ausschlußfrist sei und Treu und Glauben nicht zum Zuge kämen, nicht hingewiesen; es sei auch auf die Ausführungen der Steuerpflichtigen nicht eingegangen und habe damit den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.
Die Frist des § 19 Abs. 4 KStG sei auch keine Ausschlußfrist, da sie an die Steuererklärungsfrist gekoppelt sei und die Steuererklärungsfrist eine Ordnungsfrist darstelle. Es sei unnatürlich, von zwei aneinander gekoppelten Fristen die eine als Ordnungsfrist und die andere als Ausschlußfrist zu betrachten. Der Gesetzgeber habe die Frist nach § 19 Abs. 4 KStG nicht als Ausschlußfrist bezeichnet. Der Sinn und Zweck der Antragsfrist nach § 19 Abs. 4 KStG sei lediglich, die Finanzämter in den Stand zu setzen, mit der Veranlagung rechtzeitig zu beginnen und sie laufend fortzuführen, nicht aber, den Antrag nach Ablauf der Frist nicht mehr zuzulassen. Aus der Tatsache einer Fristsetzung an sich könne nicht schon auf den Charakter der Frist, insbesondere den einer Ausschlußfrist, geschlossen werden.
Das Urteil des BFH I 66/64 vom 7. Juni 1966 (BFH 86, 371, BStBl III 1966, 514) wolle das Wort "unwiderruflich" in § 19 Abs. 4 KStG auf die Antragsfrist beziehen; dafür sei kein Raum, denn das Wort "unwiderruflich" beziehe sich auf den Antrag und wolle klarstellen, daß der einmal gestellte Antrag nicht widerrufen werden kann. Aus dem Wort "unwiderruflich" könne eine Ausschlußfrist nicht hergeleitet werden. Da das Tarifwahlrecht eine Vergünstigung sein solle, müsse sich das auch bei der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben auswirken. Aus diesem Grunde könne nicht davon ausgegangen werden, ob die getroffene Tarifwahl (Unterlassung oder Stellung des Antrags) Nachteile durch spätere Ereignisse wie Bilanzänderung oder Betriebsprüfung bringe. Vielmehr sei einzig und allein darauf abzustellen, ob sich die Besteuerungsgrundlage, die Grundlage für die Unterlassung oder Stellung des Antrags, geändert habe bzw. weggefallen sei.
Die Steuerpflichtige beantragt,
das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung und den berichtigten Körperschaftsteuerbescheid 1961 aufzuheben, soweit er mehr als 58 324 DM Körperschaftsteuer festsetzt.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Eine Beschränkung des rechtlichen Gehörs liegt hier nicht vor. Den Beteiligten war nicht verwehrt, alles vorzutragen, was den Ausgang des Rechtsstreites beeinflussen konnte. Auf die Beurteilung der Frist des § 19 Abs. 4 KStG als Ausschlußfrist brauchte die Steuerpflichtige nicht hingewiesen zu werden, da dies eine Rechtsentscheidung ist, um deretwillen das FG angerufen war und über die es zu entscheiden hatte. Im übrigen ist das FG auf das rechtserhebliche Vorbringen der Beteiligten in hinreichendem Umfang eingegangen.
In materiell-rechtlicher Hinsicht tritt der Senat dem FG darin bei, daß die in Rede stehende Frist eine Ausschlußfrist ist, wie er auch schon im Urteil I 66/64, a. a. O., angenommen hat. Daraus, daß die Frist des § 19 Abs. 4 KStG auf die Steuererklärungsfrist - einer verlängerbaren Ordnungsfrist - abgestellt ist, kann nicht gefolgert werden, daß auch diese eine Ordnungsfrist ist. Die Antragsfrist nach § 19 Abs. 4 KStG ist keine Erklärungsfrist im Sinne des § 83 Abs. 1 Satz 1 AO, denn sie ist weder eine rechtsfeststellende noch eine Wissenserklärung; sie wird auch nicht vom FA gesetzt. Diese Frist ist vom Gesetzgeber angeordnet und kann deshalb von der Steuererklärungsfrist nicht gelöst und selbständig verlängert werden.
Die Frist soll auch nicht - wie die Steuerpflichtige meint - lediglich die Finanzämter in den Stand setzen, mit der Veranlagung rechtzeitig zu beginnen. Die Fristsetzung und die Bindung auf fünf Jahre sollten vielmehr Bedenken gegen die Einräumung des Wahlrechts beseitigen (vgl. Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode, Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses zu Drucksache 2706, S. 6; Steinberg in Deutsche Steuer-Zeitung, Ausgabe A 1961 S. 207 [210]). Der Bericht des Finanzausschusses läßt a. a. O. erkennen, daß der Gesetzgeber zum Ausgleich einer möglichen Benachteiligung der personenbezogenen Kapitalgesellschaften diesen die Entscheidung gestatten wollte, ob sie die Vergünstigung des Wahlrechts verbunden mit dem Risiko einer Bindung in Anspruch nehmen wollten. Diese Entscheidung sollte getroffen werden, wenn den Steuerpflichtigen das Ergebnis des Steuerabschnitts bekannt und über die Ausschüttung beschlossen war; als diesen Zeitpunkt hat der Gesetzgeberden Ablauf der Steuererklärungsfrist bezeichnet. Da erkennbar ist, daß zu diesem Zeitpunkt die gewünschte Klarheit über die Besteuerung der personenbezogenen Gesellschaften bestehen soll, widerspricht die Annahme einer Verlängerungsfähigkeit dem Sinn und Zweck des Gesetzes.
Daraus folgt weiter, daß die Steuerpflichtige an einen gestellten Antrag auf Anwendung des Tarifs für Publikumsgesellschaften und ebenso an die Erklärung dann gebunden ist, wenn sich die Verhältnisse nach der Antragstellung verändern und sich die getroffene Wahl als ungünstig erweist. Nichts anderes gilt, wenn aus Anlaß einer Betriebsprüfung aufgrund neuer Tatsachen gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 AO der Steuerbescheid berichtigt wird. Wenn auch in einem solchen Falle die Veranlagung wieder aufgerollt wird, so hat dies keinen Einfluß auf den Lauf der Steuererklärungsfrist und somit auch nicht auf die Antragsfrist nach § 19 Abs. 4 KStG.
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob in dem Festhalten an der getroffenen Wahl ein Verstoß gegen Treu und Glauben liegen kann, denn im Ergebnis ist dem FG darin zuzustimmen, daß ein solcher Verstoß hier nicht vorliegt. Diese Entscheidung ist allerdings nicht dadurch begründet, daß sich die Wahl nach der Änderung der Besteuerungsgrundlagen nicht ungünstiger auswirkt als bei der ersten Veranlagung; denn auf diese Feststellung kann es aus den oben angeführten grundsätzlichen Erwägungen nicht ankommen. Auch für die Entscheidung, ob eine Verletzung von Treu und Glauben vorliegt, könnte es immer nur auf die erste Veranlagung ankommen. Eine solche Verletzung von Treu und Glauben ist aber weder dargetan noch aus den Akten erkennbar.
Fundstellen
Haufe-Index 68144 |
BStBl II 1968, 694 |
BFHE 1968, 139 |