Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinweis nach § 68 Satz 3 FGO a.F. nur „in“ der Rechtsbehelfsbelehrung
Leitsatz (NV)
- Die Monatsfrist des § 68 Satz 2 FGO a.F. wird entsprechend § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO durch die Jahresfrist ersetzt, wenn in einem Änderungsbescheid der nach § 68 Satz 3 FGO a.F. erforderliche Hinweis fehlt oder nicht "in" der Rechtsbehelfsbelehrung, sondern an anderer Stelle des Änderungsbescheides erfolgt (Bestätigung der Rechtsprechung).
- Ein in einem gesonderten Schreiben nachgeholter isolierter Hinweis nach § 68 Satz 3 FGO a.F. genügt, ebenso wie ein Hinweis an anderer Stelle des Bescheides, nicht den Anforderungen des § 68 Satz 3 FGO a.F.
Normenkette
FGO § 68 Sätze 1-3
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb im Kalenderjahr 1992 ein an sein Wohnhaus angrenzendes, unbebautes Grundstück in der vorgeblichen Absicht, es für eine spätere Vermietung zu bebauen. Die vom Kläger für die Kalenderjahre 1993 und 1994 (Streitjahre) geltend gemachten vorab entstandenen Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung ließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) nicht zum Abzug zu.
Im Laufe des anschließenden Klageverfahrens erließ das FA am 22. April 1997 gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre, mit denen vom Kläger nacherklärte Kapitalerträge berücksichtigt wurden. Den geänderten Bescheiden war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt; der gemäß § 68 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) in der bis zum 31. Dezember 2000 geltenden Fassung (§ 68 FGO a.F.) vorgeschriebene Hinweis, dass die Änderungsbescheide innerhalb eines Monats auf Antrag zum Gegenstand des Verfahrens gemacht werden können, war darin nicht enthalten. Mit Schreiben vom 28. April 1997 holte das FA lediglich den Hinweis über die Antragsmöglichkeit und die Antragsfrist nach. Gleichzeitig wies das FA in seinem Schreiben darauf hin, dass der Lauf der Einspruchsfrist gegen die Änderungsbescheide von der Ergänzung der Rechtsbehelfsbelehrung um den Hinweis nach § 68 FGO a.F. unberührt bleibe.
Mit Schreiben vom 27. Mai 1997 hat der Kläger gegenüber dem FA erklärt, die geänderten Einkommensteuerbescheide zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Mit Schreiben vom 18. Juni 1997 hat er unter gleichzeitiger Stellung eines Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 FGO den Antrag nach § 68 Satz 1 FGO a.F. gegenüber dem Finanzgericht (FG) wiederholt.
Durch Zwischenurteil vom 12. September 1997 hat das FG die Klage für zulässig erklärt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung formellen Rechts.
Das FA beantragt, das angefochtene Zwischenurteil des FG aufzuheben und die Klage als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet; sie ist nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger den Antrag nach § 68 Satz 1 FGO a.F. rechtzeitig gestellt hat.
1. Nach § 68 Satz 1 FGO a.F. wird, wenn der angefochtene Verwaltungsakt nach Klageerhebung durch einen anderen Verwaltungsakt geändert oder ersetzt wird, dieser auf Antrag des Klägers Gegenstand des Verfahrens. Ein solcher Antrag ist nach § 68 Satz 2 FGO a.F. innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des neuen Verwaltungsakts zu stellen. Hierauf ist in der Rechtsbehelfsbelehrung hinzuweisen (§ 68 Satz 3 FGO a.F.).
a) Der Kläger hat die in § 68 Satz 2 FGO a.F. vorgesehene Frist von einem Monat nicht eingehalten. Für die Wahrung dieser Frist ist nur ein form- und fristgerecht bei Gericht eingegangener Antrag geeignet (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 28. Juli 1999 X R 122/98, BFHE 189, 319, BStBl II 1999, 662). Auf den Eingang des Schreibens des Klägers vom 27. Mai 1997 bei dem FA kommt es daher nicht an.
b) Gleichwohl war der am 18. Juni 1997 an das FG gerichtete Antrag nicht verspätet. Da die Rechtsmittelbelehrung der Bescheide vom 22. April 1997 nicht den nach § 68 Satz 3 FGO a.F. vorgeschriebenen Hinweis enthielt, konnten die Änderungsbescheide entsprechend § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO noch innerhalb eines Jahres seit Bekanntgabe zum Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens gemacht werden. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung wird die Monatsfrist des § 68 Satz 2 FGO a.F. entsprechend § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO durch die Jahresfrist ersetzt, wenn in einem Änderungsbescheid i.S. des § 68 FGO a.F. der nach Satz 3 dieser Vorschrift erforderliche Hinweis fehlt oder nicht in der Rechtsbehelfsbelehrung, sondern an anderer Stelle des Änderungsbescheides erfolgt (BFH-Urteile vom 24. Januar 1995 IX R 22/94, BFHE 176, 315, BStBl II 1995, 328; vom 26. Oktober 1995 XI R 26/94, BFH/NV 1996, 444; vom 17. April 1996 X R 98/95, BFH/NV 1996, 900).
Nach dem Wortlaut des § 68 Satz 3 FGO a.F. hat der Hinweis "in der Rechtsbehelfsbelehrung", die nach § 157 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 dem Steuerbescheid "beizufügen" ist, zu erfolgen. Der Senat kann in diesem Zusammenhang die ―an sich vorrangige― Frage offen lassen, ob ein in einem gesonderten Schreiben nachgeholter Hinweis nach § 68 Satz 3 FGO a.F. den Anforderungen des § 157 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 genügen kann. Er braucht auch nicht zu entscheiden, ob eine den Hinweis nach § 68 Satz 3 FGO a.F. nicht enthaltende, im übrigen aber vollständige Rechtsbehelfsbelehrung die Einspruchsfrist des § 355 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 in Gang zu setzen vermag. Jedenfalls genügt der am 28. April 1997 in einem gesonderten Schreiben des FA nachgeholte isolierte Hinweis ―ebenso wie ein Hinweis an anderer Stelle des Bescheides― nicht den Anforderungen des § 68 Satz 3 FGO a.F. Zweck des § 68 Satz 3 FGO a.F. ist es, den Kläger zu schützen und zu verhindern, dass er gegen seinen Willen aus dem Verfahren gedrängt wird; diesem Schutzzweck liefe eine nicht am Wortlaut des § 68 Satz 3 FGO a.F. haftende Auslegung zuwider (BFH-Urteil in BFH/NV 1996, 444). Nur eine wortlautgetreue Auslegung gewährleistet, dass der Steuerpflichtige zeitgleich über sein Recht, Einspruch einzulegen oder den Antrag nach § 68 FGO a.F. zu stellen, belehrt wird und ihm somit eine "echte" Wahlmöglichkeit zwischen beiden Rechtsbehelfen offen steht.
2. Da der Kläger seinen Antrag gemäß § 68 FGO a.F. innerhalb der Jahresfrist entsprechend § 55 Abs. 2 Satz 1 FGO gestellt hat, kommt es auf die Frage einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) nicht an.
Fundstellen
Haufe-Index 642319 |
BFH/NV 2001, 1591 |
HFR 2002, 34 |