Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollrecht
Leitsatz (amtlich)
Augenscheinlich ist der Charakter als Werbemittel eines Werbedruckes dann, wenn er sich aus den gesamten Umständen unschwer erkennen läßt.
Normenkette
ZG § 69/1/24/a
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) ließ am 23. April 1954 eine Kiste mit 2 kg Arzneiwaren (X-Tabletten) verzollen und stellte gleichzeitig gemäß § 69 Abs. 1 Ziff. 24 a des Zollgesetzes (ZG) den Antrag auf Zollfreischreibung von 4.500 Stück Werbeprospekten (Separatabdrucken aus der Wiener Medizinischen Wochenschrift), die mit den Arzneiwaren in der Kiste verpackt aus österreich eingegangen waren. Die Zollzweigstelle ließ die Prospekte als Ware der Tarifnr. 4912 - B vorläufig zollfrei, forderte aber dann auf Grund des Untersuchungszeugnisses der Zolltechnischen Prüfungs- und Lehranstalt vom 15. April 1954, in welchem die Ware als "andere Drucke" im Sinne der Tarifnr. 4912 - D bezeichnet wurde, mit Berichtigungssteuerbescheid vom 14. Mai 1954 Eingangsabgaben in Höhe von 19,70 DM nach.
Die Anfechtung hatte keinen Erfolg, weil die Vorinstanz den Prospekten den augenscheinlichen Charakter als Werbemittel absprach und auch das Vorliegen der weiteren Voraussetzung der Ziff. 24 a des § 69 Abs. 1 ZG, den wesentlichen Zweck, zum Kaufe der X-Tabletten anzuregen, verneinte.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird geltend gemacht, daß die Abdrucke im Auftrage der Firma die Erzeugerin des in Betracht kommenden Heilmittels X sei, in österreich hergestellt und kostenlos zu Werbezwecken an die Bfin. geliefert worden seien und von dieser an ärzte, Krankenanstalten usw. kostenlos mit einem kurzen Begleitschreiben weitergegeben würden. Es sei in der pharmazeutischen Branche üblich, solche Sonderdrucke medizinischer Zeitschriften herzustellen und an ärzte und Krankenanstalten zu verteilen mit dem Ziele, diese Interessenten zur Verwendung und Verordnung der in den Abdrucken bezeichneten Medikamente anzuregen. Diese Art dezenter Reklame sei geradezu typisch für die pharmazeutische Branche, außerdem sei diese Art Reklame der klinischen Erprobung die beste und aussichtsreichste.
Eine medizinische Zeitschrift als Ganzes sei zwar kein Werbedruck, jedoch schließe die Tatsache, daß ihre Darlegungen sachlicher Natur seien, nicht aus, daß einzelne Abhandlungen, die sich mit neuen Arzneimitteln befaßten, werbenden Charakter hätten. Es sei eine augenscheinliche Reklame, wenn derartige Abhandlungen wegen ihrer Werbetendenz aus dem Sammelheft herausgenommen und in vielen Tausenden Exemplaren an Fachkreise verteilt würden. Wesentlicher Zweck der vorliegenden Druckschriften sei es daher, zum Kaufe des Heilmittels anzuregen. Dieser Zweck, den die Vertriebsfirma in Deutschland mit den Druckschriften verfolge, sei zu offensichtlich, als daß er besonderer Darlegungen bedürfte. Die saubere, im Interesse der Volksgesundheit liegende sachliche Reklame der pharmazeutischen Branche dürfe zollrechtlich nicht benachteiligt werden gegenüber einer massiven Werbung, die mehr eine marktschreierische Form wähle.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Die im Streitfalle zu beurteilende Druckschrift ist ein Aufsatz von Mitgliedern der Psychiatrisch-neurologischen Universitätsklinik Wien über die Behandlung von Rigidität und Spastizität mit X. In der Abhandlung stellen die Verfasser zum Schluß fest, daß das neue Präparat X eine wesentliche Beeinflussung der Rigidität und weniger deutlich auch der Spastizität bewirke, ohne Nebenerscheinungen vertragen werde und hiermit eine wertvolle Bereicherung therapeutischer Behandlungswege bei diesen Krankheitsbildern darstelle. Damit wird etwas über das Mittel X ausgesagt, was geeignet ist, zu seiner Verwendung anzuregen. Darin liegt auch eine Anregung zum Kaufe dieses Mittels. Das ist der typische Fall einer Werbung. Daß die Werbung in der Form eines wissenschaftlichen Aufsatzes geschieht, steht ihrem Charakter als Werbemittel nicht entgegen, zumal da auch die Bfin. unwiderlegt dargetan hat, daß es im pharmazeutischen Handelszweig üblich sei, in dieser Form zu werben.
Um die Zollbefreiung zu bewirken, ist nach § 69 Abs. 1 Ziff. 24 a ZG u. a. auch gefordert, daß der Charakter als Werbemittel augenscheinlich ist. Auch diese Voraussetzung bejaht der erkennende Senat. Der Begriff "augenscheinlich" ist nicht wörtlich zu verstehen. Es wäre überspitzt, zu fordern, daß das Erkennen des Charakters als Werbemittel bereits auf den ersten oberflächlichen Blick hin möglich sein müßte. Das Erfordernis der Augenscheinlichkeit kann nur bedeuten, daß die Schrift nach den gesamten Umständen unschwer als Werbemittel erkennbar sein muß. Eine Prüfung des Inhalts der Druckschrift muß den Charakter als Werbemittel offenbar werden lassen. Schon die oben dargestellte, am Schlusse der Abhandlung getroffene Feststellung, daß das Mittel X eine wertvolle Bereicherung therapeutischer Behandlungswege bei den näher bezeichneten Krankheiten darstelle, läßt mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, daß mit der Druckschrift für das Mittel geworben werden soll. Hinzu kommt, daß der 4 Seiten umfassende, ausdrücklich als "Separatabdruck" bezeichnete Aufsatz über die Behandlung mit X in 4500 Exemplaren zusammen mit dem Heilmittel, den X-Tabletten, und zwar in der gleichen Kiste verpackt, eingegangen ist. Absender des Heilmittels und der Prospekte war die pharmazeutische Fabrik in österreich, Empfänger die Apotheke in ..., die, wie aus der Rechnung vom 12. März 1954 zu ersehen ist, um die übersendung der Prospekte gebeten hatte. Bei dieser Sachlage konnten keine begründeten Zweifel an dem Charakter als Werbemittel bestehen, er war nach den gesamten Umständen offensichtlich. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift des § 69 Abs. 1 Ziff. 24 a ZG, die mit dazu beitragen soll, die Bestrebungen zur Völkerverbindung zu fördern (vgl. Siegert, Anmerkung 24 a zu § 69 ZG), kann der Begriff "augenscheinlich" nicht zu eng ausgelegt werden.
Au auch die weiteren Voraussetzungen der Ziff. 24 a des § 69 Abs. 1 ZG gegeben sind, hat die Bfin. einen Rechtsanspruch auf zollfreie Ablassung der eingeführten Prospekte.
Demnach war die Vorentscheidung und der Berichtigungssteuerbescheid der Zollzweigstelle vom 14. Mai 1954 aufzuheben und die Bfin. freizustellen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 309 der Reichsabgabenordnung.
Fundstellen
BStBl III 1955, 311 |
BFHE 61, 295 |
StRK, ZG:69/1/24a R 1 |