Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerrechtliche Verwendung gebietsfremder Anhänger
Leitsatz (NV)
1. Ein zum vorübergehenden Verkehr zugelassener gebietsfremder Anhänger konnte auch unter der Geltung des KraftStG 1972 nicht widerrechtlich benutzt werden.
2. Für die kraftfahrzeugsteuerrechtliche Beurteilung der Verwendung eines ausländischen Kraftfahrzeuganhängers, für den nach seiner Auslandszulassung ein regelmäßiger Inlandsstandort begründet wurde, gelten die Grundsätze des Senatsurteils vom 14. Mai 1986 VII R 173/83 (BFHE 147, 184, BStBl II 1986, 765).
Normenkette
KraftStG 1972 § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 5 Nr. 3; IntKfzV § 1 Abs. 1, § 5; StVZOAusnV 24 § 1 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin mietete von einem inländischen Unternehmen durch Mietvertrag vom 1. Juli 1975 einen in den Niederlanden zugelassenen Sattelauflieger, der während der Mietzeit hinter im Inland zugelassenen Zugmaschinen geführt und im Nahost-Verkehr eingesetzt wurde. Das Fahrzeug kehrte regelmäßig etwa alle drei Wochen für kurze Zeit in das Inland zurück. Es wurde nach einverständlicher Aufhebung des Mietvertrags Mitte 1977 an den Vermieter zurückgegeben. Dieser hatte die Zulassung des Fahrzeugs in den Niederlanden bewirkt.
Das Finanzamt - FA - sah in der Verwendung des Fahrzeugs eine widerrechtliche Benutzung und setzte gegen die Klägerin für die Zeit vom 1. Juli 1975 bis 7. Juli 1977 Kraftfahrzeugsteuer fest. Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, eine widerrechtliche Benutzung liege nicht vor, da die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 der 24. Ausnahmeverordnung (AusnVO) zur Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung vom 9. September 1975 (BGBl I 1975, 2508) vorgelegen hätten. Die Merkmale des ,,vorübergehenden Verkehrs" seien jedenfalls deshalb erfüllt gewesen, weil die Jahresfrist nach § 5 Buchst. b der Verordnung über internationalen Kraftfahrzeugverkehr (IKVO) vom 12. November 1934 (BGBl III, Gliederungsnr. 9232-4) mit jedem einzelnen Grenzübertritt neu zu laufen begonnen hätte. Es könne somit offen bleiben, ob wegen der Art der Benutzung des Fahrzeugs oder wegen der Mietdauer von mehr als 12 Monaten ein Inlandsstandort begründet worden sei, ob es etwa beim Straßenverkehrsamt G - Sitz der Klägerin - hätte angemeldet werden müssen. Allein abzustellen sei auf die tatsächliche Zulassung in den Niederlanden. Auch unter dem Gesichtspunkt eines Gestaltungsmißbrauchs könne die Klägerin nicht in Anspruch genommen werden. Wäre sie als Halter anzusehen, so wäre das Halten des Fahrzeugs nach dem geltenden zwischenstaatlichen Recht - deutsch/niederländisches Gegenseitigkeitsabkommen - von der Kraftfahrzeugsteuer befreit.
Mit der Revision gegen dieses Urteil machte das FA zunächst geltend, die Anwendung der IKVO setze einen ausländischen regelmäßigen Standort voraus; werde der Standort in das Inland verlegt, so seien die inländischen Verkehrsvorschriften anwendbar. Diesen Standpunkt hat das FA später aufgegeben und nur noch vorgetragen, das FG habe nicht festgestellt, ob das Fahrzeug schon bei seiner Zulassung in den Niederlanden einen Inlandsstandort gehabt hätte.
Entscheidungsgründe
Die Sachrüge des FA, an der dieses festhält, obgleich es seinen ursprünglich zur Begründung vorgebrachten Rechtsstandpunkt aufgegeben hat, führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Bei der nach Ansicht des Senats gebotenen sachlich-rechtlichen Beurteilung des Streitfalles schuldet die Klägerin Kraftfahrzeugsteuer jedenfalls für einen Teil des vom FA angenommenen Besteuerungszeitraums. Soweit es sich um die Besteuerung im übrigen handelt, ist die vom FG ausgesprochene Rechtsfolge nicht durch die erforderlichen tatsächlichen Feststellungen gedeckt (materiell-rechtlicher Mangel; vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl. 1987, § 115 Anm. 27 mit Hinweisen).
Richtig ist der Ausgangspunkt des FG. Solange ein im Ausland zugelassenes Fahrzeug - gebietsfremder Anhänger hinter inländischer Zugmaschine - zum vorübergehenden Verkehr i. S. von § 1 Abs. 1, § 5 IKVO, § 1 Abs. 1 AusnVO zugelassen ist, kann es nicht im kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Sinne widerrechtlich benutzt werden (Senat, Urteil vom 14. Mai 1986 VII R 173/83, BFHE 147, 184, 186, BStBl II 1986, 765; vgl. auch Urteil vom 10. Februar 1987 VII R 152/84, BFHE 149, 329, 331, BStBl II 1987, 510); das gilt auch bei der Beurteilung der Frage, ob eine widerrechtliche Benutzung i. S. des hier maßgebenden § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) 1972 vorliegt (zum Begriff Senat, Urteil vom 4. März 1986 VII R 166/83, BFHE 146, 282, 284, BStBl II 1986, 531). Zum vorübergehenden Verkehr ist auch ein Kraftfahrzeuganhänger (mit ausländischem Zulassungsschein) zugelassen, für den nach seiner Auslandszulassung ein regelmäßiger Standort im Inland begründet wird, indessen nur für die Dauer eines Jahres, beginnend mit dem der Standortbegründung vorangegangenen Grenzübertritt, nicht jeweils neu mit jeder einzelnen Wiedereinfahrt. Nach Ablauf der Jahresfrist wird der zuvor zum vorübergehenden Verkehr zugelassene Anhänger, obgleich er gebietsfremdes Fahrzeug bleibt, widerrechtlich benutzt (vgl. Klein/Olbertz, Kraftfahrzeugsteuergesetz, 2. Aufl. 1987, § 1 Anm. 3, § 2 Anm. 2), mit der Folge entsprechender Kraftfahrzeugsteuerpflicht (§ 5 Nr. 3 KraftStG 1972). Diese besteht mangels einer Zulassung zum vorübergehenden Verkehr bereits von vornherein, wenn der Anhänger schon bei seiner verkehrsrechtlichen Zulassung im Ausland einen regelmäßigen Standort im Inland hatte. Bei widerrechtlicher Benutzung greift das deutsch/niederländische Kraftfahrzeugsteuer-Gegenseitigkeitsabkommen nicht ein (zu allem Senat in BFHE 147, 184, 186 f., 189, BStBl II 1986, 765; siehe auch Niedersächsisches FG, Urteil vom 29. Oktober 1987 III 258/83, Entscheidungen der Finanzgerichte 1988, 207).
Das FG hat - von seinem Standpunkt aus (Fristbeginn neu mit jedem Grenzübertritt) folgerichtig - ausdrückliche Feststellungen über den Standort des Fahrzeugs nicht getroffen, es vielmehr offen gelassen, ob ,,für den Sattelauflieger im Inland ein Standort . . . begründet wurde". Gleichwohl läßt sich den Feststellungen der Vorinstanz über die von dem inländischen Vermieter in den Niederlanden bewirkte Zulassung, die Vermietung selbst und ihre Dauer entnehmen, daß das Fahrzeug seinen regelmäßigen Standort im Inland hatte, und zwar entweder schon bei dem Vermieter oder erst bei der Klägerin als Mieterin (vgl. hinsichtlich beider Möglichkeiten Senat, Urteil vom 12. August 1986 VII R 169/83, BFHE 147, 269, 272, 274, BStBl II 1986, 821). Nicht ersichtlich ist jedoch, ab wann der Inlandsstandort bestanden hat. Hatte das Fahrzeug schon bei seiner Auslandszulassung seinen regelmäßigen Standort im Inland (dann beim Vermieter), so bestand die Steuerpflicht der Klägerin schon ab 1. Juli 1975. Erhielt es den Inlandsstandort erst später, so begann die Jahresfrist mit dem der Standortbegründung vorangegangenen Grenzübertritt, mit der - möglichen - Folge entsprechend späteren Einsetzens der Kraftfahrzeugsteuerpflicht, soweit die Jahresfrist nicht schon durch den Vermieter verbraucht gewesen sein sollte (vgl. Senat in BFHE 149, 329, 332, BStBl II 1987, 510).
Das FG wird die hiernach erforderlichen Feststellungen nachzuholen und auf dieser Grundlage unter Berücksichtigung der vorstehend entwickelten Grundsätze erneut zu entscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 415910 |
BFH/NV 1989, 259 |