Entscheidungsstichwort (Thema)
Prüfung der Frage einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung bei Ansatz des Pauschbetrages von 0,42 DM je km für auf Dienstreisen entstandene Kfz-Kosten
Leitsatz (amtlich)
1. Beträgt die Jahresfahrleistung eines PKW mindestens 40 000 km, so besteht Anlaß zur Prüfung der Frage, ob der Ansatz des Pauschbetrages von 0,42 DM je km lt. Abschn.25 Abs.8 LStR 1984 für auf Dienstreisen entstandene Kfz-Kosten von den tatsächlich entstandenen Aufwendungen so wesentlich abweicht, daß die Anwendung des Pauschbetrages zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führt.
2. Dies ist z.B. der Fall, wenn bei einem bereits abgeschriebenen Kfz die Kosten nur rd. 0,216 DM je gefahrenen km betragen (Ergänzung des BFH-Urteils vom 25.Oktober 1985 VI R 15/81, BFHE 145, 181, BStBl II 1986, 200).
Normenkette
EStG 1981 § 9 Abs. 1 S. 1; LStR 1984 Abschn. 25 Abs. 8; LStR 1990 Abschn. 38 Abs. 2 S. 7
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr 1984 als Isolierklempner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Bei seiner Tätigkeit benutzte er wie in früheren Jahren einen PKW, den er im Jahre 1978 erworben hatte. Vor dem Streitjahr 1984 war der Kläger zwei Jahre im Ausland tätig; während dieser Zeit wurde das Fahrzeug vom Vater des Klägers gefahren, der damit rd. 3 000 km zurücklegte. Insgesamt betrug die Fahrleistung des PKW in den Jahren 1978 bis 1984 215 000 km.
Im Streitjahr 1984 fuhr der Kläger mit dem PKW rd. 40 000 km. Davon entfielen
9 220 km auf Privatfahrten,
3 032 km auf Fahrten von seiner Wohnung zum Firmensitz und
27 748 km auf Fahrten von seiner Wohnung zu wechselnden
Einsatzstellen (Dienstfahrten).
Im Einkommensteueränderungsbescheid 1984 vom 9.April 1987 berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) auf Grund vorgelegter Rechnungen die Aufwendungen des Klägers für die Benutzung des PKW bei Dienstfahrten von 27 748 km ohne Ansatz einer Absetzung für Abnutzung (AfA) mit 0,216 DM je gefahrenen Kilometer. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der der Kläger den Abzug von Kfz-Kosten mit dem Pauschbetrag von 0,42 DM/km entsprechend Abschn.25 Abs.8 Satz 4 der Lohnsteuer-Richtlinien 1984 (LStR) begehrte, als unbegründet ab. Es führte u.a. aus:
Die für Fahrten zwischen Wohnung und ständig wechselnden Einsatzstellen maßgebende Km-Pauschale von 0,42 DM je gefahrenen Kilometer sei im Streitfall nicht anzuwenden, da dies zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führe. Das FA habe die tatsächlichen PKW-Aufwendungen des Klägers zutreffend mit 0,216 DM je km ermittelt. Die Höhe der Kosten würde vom Kläger nicht beanstandet. Sie machten etwa die Hälfte des Pauschsatzes aus. Bei Anwendung der Km-Pauschale würden rd. 5 600 DM als Werbungskosten behandelt, die dem Kläger nicht entstanden seien. Die Steuerminderung würde rd. 2 000 DM betragen; dies entspräche rd. 25 v.H. der für 1984 festgesetzten Einkommensteuer.
Eine AfA auf das Kfz sei nicht zu berücksichtigen, da der im Jahre 1978 angeschaffte PKW bei der üblichen Abschreibungsfrist von vier bis fünf Jahren im Streitjahr 1984 bereits abgeschrieben gewesen sei. Dies sei selbst dann anzunehmen, wenn man im Hinblick auf den zweijährigen Auslandsaufenthalt des Klägers und die in dieser Zeit erbrachte Fahrleistung von 3 000 km die Abschreibungszeit in einem gewißen Ausmaß verlängere. Der Kläger habe trotz Aufforderung des FA nicht dargelegt, daß auf Grund eines besonderen Kfz-Typs oder sonstiger Umstände eine Verlängerung der Abschreibungszeit gerechtfertigt sei.
Der Kläger hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Er rügt sinngemäß die unzutreffende Anwendung des § 9 Abs.1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1982. Er bringt hierzu u.a. vor:
Der Ansatz der Km-Pauschale von 0,42 DM diene der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens. Es gehe nicht an, den Steuerpflichtigen in Abschn.25 LStR zu gestatten, Fahrtkosten mit einer besonderen Pauschale ohne Nachweis anzusetzen, dann aber, wenn das FA erkenne, daß die Pauschale nach Ablauf der Abschreibungszeit möglicherweise nicht mehr zutreffe, die Kfz-Kosten nach den tatsächlichen Aufwendungen zu berechnen. Dies widerspräche dem Grundsatz von Treu und Glauben.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und ständig wechselnden Einsatzstellen unter Zugrundelegung eines Pauschsatzes von 0,42 DM je km mit 10 174 DM als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Führt ein Arbeitnehmer Dienstreisen mit seinem PKW durch, so kann er die ihm hierdurch anteilig entstandenen Aufwendungen als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit absetzen (§ 9 Abs.1 Satz 1 EStG; Abschn.25 Abs.6 Nr.1 LStR). Nach Abschn.25 Abs.8 Satz 4 LStR kann der Arbeitnehmer auf einen Einzelnachweis der Kosten verzichten und statt dessen einen Pauschbetrag von 0,42 DM je gefahrenen Kilometer geltend machen. Nach Satz 6 dieser Anweisungen sind damit grundsätzlich alle mit dem Betrieb des Fahrzeugs verbundenen Aufwendungen abgegolten; die Berücksichtigung außergewöhnlicher Aufwendungen wird hierdurch allerdings nicht ausgeschlossen (Abschn.25 Abs.8 Satz 6, 2.Halbsatz i.V.m. Abschn.24 Abs.2 Satz 4 bis 6 LStR). Der vorgenannte Km-Satz ist nach Abschn.25 Abs.8 Satz 7 LStR aber nicht anzuwenden, wenn er zu einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung führen würde, so z.B., wenn offensichtlich ist, daß die Km-Sätze gemessen an der Jahresfahrleistung erheblich zu hoch sind.
2. Der Senat hat diese typisierende Regelung in ständiger Rechtsprechung respektiert. Er anerkennt sie als vertretbare Schätzung der Verwaltung, die der Arbeitsvereinfachung für Arbeitgeber, Arbeitnehmer und für die Finanzbehörden sowie der Gleichmäßigkeit der Besteuerung dient (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30.November 1979 VI R 129/78, BFHE 129, 354, BStBl II 1980, 141, und die dort erwähnte Rechtsprechung, sowie BFH-Urteil vom 25.Oktober 1985 VI R 15/81, BFHE 145, 181, BStBl II 1986, 200, 206). Der Senat betonte in den Urteilen vom 17.Oktober 1973 VI R 26/73 (BFHE 111, 69, BStBl II 1974, 186) und in BFHE 129, 354, BStBl II 1980, 141, daß mit dem Km-Satz insbesondere die gewöhnliche AfA abgegolten werde. Im Urteil in BFHE 145, 181, BStBl II 1986, 200, 206 ist er auch der Auffassung der Verwaltung in den LStR gefolgt, daß die Km-Pauschale im Einzelfall bei besonders hohen Fahrleistungen wegen der in die Berechnung einbezogenen fixen Kosten zu einer unzutreffenden Besteuerung führen kann. In dem dort vom Senat entschiedenen Fall betrug die Jahresfahrleistung des PKW im Streitjahr 48 000 km. Der Senat hob hervor, daß "in Fällen mit so hohen Fahrleistungen wie im Streitfall" Anlaß zur Prüfung bestehe, "ob die Kilometerpauschale die tatsächlich entstandenen Kilometerkosten erheblich übersteigt".
3. An diesen Grundsätzen hält der Senat fest. In Anlehnung an die Verfügung der Oberfinanzdirektion (OFD) Köln vom 9.Februar 1987 S 2525 - 8 - St 12 A und S 2352 - 104 - St 124 (Steuererlasse in Karteiform --StEK--, Einkommensteuergesetz, § 9 Nr.435) und an die Anweisungen des im Streitfall nicht anwendbaren Abschn.38 Abs.2 Satz 7 LStR 1990 hält der Senat es für geboten, die Frage einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung zu prüfen, wenn die Gesamtfahrleistung des Kfz im Kalenderjahr mindestens 40 000 km beträgt.
Mit dieser für den Regelfall gezogenen Grenze von 40 000 km Jahresfahrleistung, ab der ein Vergleich mit den tatsächlich angefallenen Kosten vorzunehmen ist, unterliegt der Steuerpflichtige nicht der Willkür der Verwaltung. Eine solche vom Kfz-Typ und Alter des Kfz unabhängige Typisierung dient vielmehr der Gleichmäßigkeit der Besteuerung; auf sie kann sich jeder Steuerpflichtige einstellen.
4. Die Vorentscheidung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Das FG ist im Streitfall von 27 748 km Dienstreisen und von einer Jahresfahrleistung des vom Kläger gefahrenen PKW in 1984 von 40 000 km ausgegangen. Diese Feststellungen werden vom Kläger nicht angegriffen. Entsprechend den vorstehenden Grundsätzen bestand Anlaß, die Frage zu prüfen, ob die überschlägig zu ermittelnden tatsächlichen Kosten in erheblichem Umfang von der Pauschale von 0,42 DM je km abweichen. In eine solche Überprüfung sind FA und FG --wenn auch aufgrund anderer Veranlassung-- eingetreten. Das FG ist der Berechnung des FA gefolgt, nach der sich anhand der vom Kläger vorgelegten Rechnungen ein Kostensatz ohne Berücksichtigung der AfA von nur 0,216 DM je km ergibt. Diese Berechnung wird vom Kläger nicht in Zweifel gezogen.
Strittig ist nur der Ansatz einer AfA auf den PKW. Dies wurde vom FG abgelehnt, weil das im Jahr 1978 angeschaffte Kfz unter Berücksichtigung einer üblichen Abschreibungsfrist von vier bis fünf Jahren zu Beginn des Streitjahres 1984 auch dann vollständig abgeschrieben war, wenn man berücksichtigt, daß der Wagen in der Zwischenzeit zwei Jahre lang vom Vater des Klägers nur 3 000 km gefahren worden war. Diese Würdigung ist gemäß nachstehenden Ausführungen möglich. Der Senat ist an sie gebunden, da der Kläger hiergegen keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht hat (§ 118 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die Nutzungszeit des PKW betrug von 1978 bis Ende 1983 sechs Jahre. In dieser Zeit hat der Kläger den PKW vier Jahre lang insgesamt 172 000 km, d.h. durchschnittlich 43 000 km jährlich genutzt. Sollte er für diese Jahre eine Einzelabrechnung der auf Dienstreisen entstandenen Kfz-Kosten dem FA vorgelegt haben, so ist mangels anderer Anhaltspunkte davon auszugehen, daß das FA bei den Einkommensteuerveranlagungen entsprechend den Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 23.Februar 1978 IV B 2 - S 2190 - 4/78 (Betriebs-Berater --BB-- 1978, 434) i.V.m. Teil I B V 2 a der Amtlichen "AfA"-Tabelle für die allgemein verwendbaren Anlagegüter (OFD-Kartei Düsseldorf-Köln- Münster, Teil I, Konto: AfA) einen Abschreibungssatz von 25 v.H. der Anschaffungskosten unter Zugrundelegung einer PKW-Nutzungsdauer von vier Jahren angewandt hat. Der PKW wäre dann zu Beginn des Streitjahres 1984 abgeschrieben gewesen. Dasselbe gilt, wenn der Kläger für die Vorjahre dementsprechende Werbungskosten --Pauschbetrag für Kfz-Kosten nach Abschn.25 Abs.8 Satz 8 LStR 1978/81 von 0,36 DM je gefahrenen Kilometer-- in Anspruch genommen haben sollte, da durch ihn die übliche AfA --hier also 25 v.H.-- abgegolten wäre.
Zu demselben Ergebnis gelangt man, wenn man entsprechend einer durchschnittlichen Jahresfahrleistung von 43 000 km von einer fünfjährigen Abschreibungszeit ausgehen sollte. Denn entsprechend den zutreffenden Ausführungen des FG ist dem Umstand mit Rechnung zu tragen, daß eine technische wie wirtschaftliche Abnutzung auch in den zwei Jahren eingetreten ist, in denen der PKW vom Vater des Klägers nur 3 000 km gefahren wurde.
Der Unterschied zwischen dem beim Ansatz der tatsächlichen Kosten sich ergebende Km-Satz von 0,216 DM und dem Pauschsatz nach Abschn.25 Abs.8 Satz 4 LStR von 0,42 DM ist so erheblich, daß FA und FG zu Recht von einer offensichtlich unzutreffenden Besteuerung bei Anwendung des letztgenannten Km- Satzes ausgegangen sind. Dabei läßt der Senat die Frage dahingestellt, ob entsprechend der vorgenannten Verfügung der OFD Köln eine offensichtlich unzutreffende Besteuerung bei einer Gesamtjahresfahrleistung von 40 000 km nur zu bejahen ist, wenn die überschlägig ermittelten tatsächlichen Kosten des Kfz die Km-Sätze der LStR um 3 000 DM übersteigen. Denn nach den nicht angegriffenen Feststellungen des FG würden bei Ansatz des Km-Satzes von 0,42 DM je km im Streitfall 5 600 DM zu Unrecht als Werbungskosten behandelt.
Fundstellen
Haufe-Index 63782 |
BFH/NV 1992, 14 |
BFH/NV 1992, 3 |
BStBl II 1992, 105 |
BFHE 165, 374 |
BFHE 1992, 374 |
BB 1991, 2427 |
BB 1991, 2427-2428 (LT) |
DStR 1991, 1653 (KT) |
HFR 1992, 132 (LT) |
StE 1991, 424 (K) |