Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Nach Ablauf eines Kalenderjahres (Veranlagungszeitraumes) kann der Steuerabzug nach § 50 Abs. 6 EStG nicht mehr mit Wirkung für dieses Kalenderjahr angeordnet werden.
Normenkette
EStG § 50 Abs. 6, § 50a/7
Tatbestand
Der in Dänemark wohnende Beschwerdeführer (Bf.) A. ist Ingenieur und Erbauer von Expansionsventilen. Er hat im Jahre 1935 dem Inhaber eines inländischen Unternehmens X in B. vertraglich die Fabrikationsrechte an seinen Erfindungen gegen eine nach der Stückzahl der hergestellten Ventile zu berechnende und in dreimonatigen Abständen an eine dänische Bank in dänischen Kronen zahlbare Lizenzgebühr überlassen. Die Transferierung der Lizenzgebühren unterblieb seit 1943 infolge der Devisenbestimmungen und ab 1945 auf Grund der Gesetze der Militärregierung (MilRegG) Nr. 52 und 53. Das Unternehmen X ermittelte jeweils die Lizenzgebühren zum Jahresschluß in dänischen Kronen und schrieb den Gegenwert in RM / DM dem Lizenzschuldenkonto des Bf. gut. Für II / 1948 wurden 10.146 DM, für 1949 15.211 DM gutgebracht.
Zur Einkommensteuer wurden die überwiesenen Gebühren ab 1. April 1939 gemäß Art. 12 und 19 des vorläufigen deutsch-dänischen Doppelbesteuerungsabkommens vom 16. Dezember 1938 / 11. März 1939 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - 1939 II S. 221; Reichssteuerblatt - RStBl. - 1939 S. 444) nicht mehr herangezogen. Unter dem 22. Februar 1951 sandte das für das Unternehmen X zuständige Finanzamt folgendes Schreiben an das Unternehmen:
"Betr.: Lizenzgebühren für Herrn Ing. A. Gewerbliche Lizenzgebühren, die ins Ausland fließen, unterliegen gemäß § 49 Ziffer 6 Einkommensteuergesetz der beschränkten Einkommensteuerpflicht. Die Einkommensteuer-Richtlinien II / 1948 und 1949 Abschnitt 235 schreiben hierfür den Steuerabzug vor.
Gemäß § 50 Absatz 6 Einkommensteuergesetz wird deshalb hiermit die Erhebung der Einkommensteuer von den Einkünften, die Herrn A. als gewerbliche Lizenzgebühren zufließen, im Wege des Steuerabzugs angeordnet. Gemäß § 50 Absatz 5 Einkommensteuergesetz wird der pauschale Steuersatz auf 25 v. H. der Lizenzgebühren festgesetzt.
Sie haben für Rechnung des Herrn A. den Steuerabzug in dem Zeitpunkt vorzunehmen, in dem die Lizenzgebühren ihm zufließen (Zahlung, Verrechnung, Gutschrift). Die einbehaltene Steuer ist unter der Bezeichnung "Steuerabzug von beschränkt steuerpflichtigen Einkünften für Herrn A." an das Finanzamt in B. abzuführen."
Rechtsmittelbelehrung: Beschwerde. Gleichzeitig erhielt der Vertreter des Bf. in B. eine Abschrift mit dem Bemerken, daß diese Abschrift als ein formloser mit dem Einspruch anfechtbarer Steuerbescheid zu betrachten sei. Das Unternehmen X erhob Beschwerde, über die nach dem Aktenbefund bisher nicht entschieden worden ist. Der Vertreter des Bf. legte Einspruch ein (Blatt 57, 59 der Einkommensteuer-Akte) mit der Begründung, daß 1.) das Doppelbesteuerungsabkommen als nicht außer Kraft gesetzt anzusehen sei und schon deshalb eine Einkommensbesteuerung der Lizenzgebühren nicht in Frage komme, 2.) Lizenzgebühren in II / 1948 und 1949 dem Bf. noch nicht "zugeflossen" seien. Der Einspruch, der als gegen die Anordnung des Steuerabzugs nach § 50 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vom 22. Februar 1951 gerichtet behandelt wurde, blieb erfolglos. Auch die Berufung wurde als unbegründet zurückgewiesen. Im Rubrum des Urteils des Finanzgerichts wurde das Verfahren als die Einkommensteuer II / 1948 und 1949 betreffend gekennzeichnet.
Für die Veranlagungszeiträume 1950 und 1951 hat der Bf. im September bzw. Dezember 1952 Jahressteuererklärungen abgegeben. Für 1950 ist er vorläufig veranlagt worden unter Zugrundelegung der in der Steuererklärung als verbucht bezeichneten Lizenzgebühren.
In seiner Rechtsbeschwerde rügt der Bf. unter Verzicht auf die Geltendmachung irgendwelcher Verfahrensmängel unrichtige Rechtsanwendung und hebt dabei, wie schon bisher, die Beachtlichkeit des Doppelbesteuerungsabkommens sowie das Fehlen der Voraussetzung eines Zufließens im Sinne von § 11 EStG hervor.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
Unabhängig von Verfahrensrügen des Bf. sind von Amts wegen die wesentlichen Voraussetzungen des Verfahrensganges zu prüfen.
Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist die Anordnung des Finanzamts vom 22. Februar 1951. Sie stützt sich auf § 50 Abs. 6 EStG. Hiernach kann das Finanzamt die Einkommensteuer von beschränkt steuerpflichtigen Einkünften, soweit diese nicht bereits dem Steuerabzug unterliegen, im Wege des Steuerabzugs erheben, wenn dies zur Sicherstellung des Steueranspruchs zweckmäßig ist. Das Finanzamt bestimmt hierbei die Höhe des Steuerabzugs.
Es handelt sich um eine in das Ermessen der Finanzbehörden gestellte und nur vorläufige Maßnahme, die ihrem Wesen nach einer Vorauszahlungsregelung gleicht. Die Einkommensteuer, zu deren Sicherung der Steuerabzug angeordnet ist, ist in jedem Falle noch festzusetzen. überzahlte Abzugsbeträge sind dabei zu erstatten (ß 47 Abs. 3 EStG). Vgl. dazu Blümich-Falk, 6. Aufl. Anm. 7 zu § 50 EStG.
Als eine Vorauszahlungsmaßnahme konnte die Anordnung, einen Steuerabzug vorzunehmen, nicht mehr nach Ablauf des jeweiligen Veranlagungszeitraums erfolgen. Es müssen sinngemäß dieselben Grundsätze gelten, die für die Festsetzung erhöhter Vorauszahlungen nach § 35 EStG maßgebend sind. Auch diese Maßnahme kann nach Verstreichen des letzten Vorauszahlungstermins in einem Kalenderjahr nicht mehr rückwirkend getroffen werden, zum mindesten nicht ohne Zustimmung des Steuerpflichtigen (vgl. z. B. Blümich-Falk, Anm. 5 zu § 35 EStG; Herrmann-Heuer, Anm. 14 zu § 35 EStG; Heinig, Der Betriebs-Berater - BB - 1950 S. 811; ferner BB 1951 S. 327). Danach hätte das Finanzamt lediglich für die Veranlagungszeiträume ab 1951 die fragliche Anordnung treffen können, nicht aber mehr für die im gegenwärtigen Verfahren umstrittenen früheren Zeiträume II / 1948 und 1949.
Der Sachstreit über die Steuerbefreiung der Lizenzeinkünfte und über das Zufließen der Lizenzen in den Jahren II / 1948 und 1949, für dessen Behandlung auf die Bekanntmachung des Bundesministers des Auswärtigen über die Wiederanwendung deutsch-dänischer Vorkriegsverträge vom 30. Juni 1953 (Bundesgesetzblatt II S. 186, Bundessteuerblatt - BStBl. - II S. 266) und auf das Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 474/34 vom 29. Mai 1935, Slg. Bd. 38 S. 69. RStBl. 1935 S. 1173, hingewiesen sei, konnte mithin nur noch im Rahmen einer Veranlagung für diesen Zeitraum durchgeführt werden. Als eine solche sieht der Senat das allgemein gehaltene Schreiben des Finanzamts vom 22. Februar 1951 nicht an.
Aus den vorstehenden Gründen waren die Vorentscheidung sowie der Einspruchsbescheid ersatzlos aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 408009 |
BStBl III 1955, 63 |
BFHE 1955, 162 |
BFHE 60, 162 |