Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Berufsrecht
Leitsatz (amtlich)
Zur Nachprüfung der Aufgabenstellung in der schriftlichen Steuerberaterprüfung. Inwieweit ist die Bewertung schriftlicher Prüfungsarbeiten nachprüfbar?
Normenkette
FGO § 40 Abs. 1; StBerG § 4 Abs. 1; DVStBerG § 19
Tatbestand
Der Kläger, ein Diplom-Kaufmann und Wirtschaftsprüfer, erstrebt die Bestellung als Steuerberater. Er wurde von dem zuständigen Finanzsenator zur Steuerberaterprüfung 1962 zugelassen. Im November 1962 schrieb er drei Klausurarbeiten, und zwar je eine aus dem Gebiet des Buchführungs- und Bilanzwesens, des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts und des Umsatzsteuerrechts. Der bei dem Finanzsenator gebildete Prüfungsausschuß beurteilte alle drei Prüfungsarbeiten des Klägers mit mangelhaft (Note fünf), und zwar zwei Arbeiten einstimmig, die dritte Arbeit mit fünf Stimmen gegen eine Stimme. Die beiden anderen Teilnehmer der schriftlichen Prüfung erhielten für je zwei Arbeiten die Note drei, für je eine Arbeit die Note vier. Auf Grund der Beurteilung der drei Arbeiten mit der Note fünf wurde der Kläger zur mündlichen Steuerberaterprüfung 1962 nicht zugelassen. Ein entsprechender schriftlicher Bescheid wurde ihm am 13. Dezember 1962 zugestellt. Der Kläger legte alsbald Berufung ein. Er beantragte, die Feststellung zu treffen, daß der Beschluß des Prüfungsausschusses des Senators für Finanzen in seiner Sitzung vom 10. Dezember 1962, ihn auf Grund des Ergebnisses der von ihm gefertigten Prüfungsarbeiten von der mündlichen Prüfung auszuschließen, nicht zu Recht gefaßt worden sei, ferner: seine Prüfungsklausuren durch Sachverständige neu zu bewerten und den Finanzsenator zu verurteilen, seinen Beschluß vom 10. Dezember 1962 aufzuheben sowie ihn zur mündlichen Prüfung zuzulassen. Er beanstandete die Benotung seiner Klausuren und behauptete, die schriftlichen Prüfungsaufgaben, insbesondere die Aufgabe aus dem Gebiet des Buchführungs- und Bilanzwesens, seien nicht für die Prüfung geeignet gewesen. Die beiden anderen Prüflinge hätten die Probleme der Buchführungsaufgabe überhaupt nicht erkannt. Der Prüfungsausschuß sei bei der Beurteilung der Prüfungsleistungen des Klägers auch von unrichtigen Tatsachen ausgegangen. Der Kläger beantragte, als Sachverständigen den Wirtschaftsprüfer, Professor X, zu hören. In einer erneuten, im Laufe des Rechtsstreits einberufenen Sitzung des Prüfungsausschusses beim Finanzsenator am 25. Februar 1963 sah der Ausschuß nach eingehender Beratung keine Veranlassung, von seiner bisherigen Beurteilung des Ergebnisses der schriftlichen Prüfung des Klägers abzugehen. Der Finanzsenator hielt die Entscheidung des Prüfungsausschusses für berechtigt; er beantragte, die Berufung zurückzuweisen.
Das FG wies in der in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1966 S. 300 Nr. 331 abgedruckten Entscheidung die Klage ab.
Mit der Revision hat sich der Kläger u. a. auf Ausführungen in mehreren Schriftsätzen an das FG bezogen. Er macht weiterhin erneut geltend, daß die Buchführungsaufgabe nicht klar und in geeigneter Weise gestellt worden sei; er wendet sich abermals auch gegen die Benotung der Prüfungsarbeit. Er begehrt, daß die Vorentscheidung aufgehoben sowie seinen bereits in der Vorinstanz gestellten Anträgen stattgegeben werde.
Der Finanzsenator beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Voraussetzung für die Zulassung zur mündlichen Steuerberaterprüfung ist nach § 19 Abs. 3 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des Steuerberatungsgesetzes (DVStBerG) vom 1. August 1962 (BGBl I S. 537), daß die drei Prüfungsarbeiten des Bewerbers (des Klägers) vom Prüfungsausschuß nicht sämtlich mit "mangelhaft" bewertet worden sind. Das ist im Streitfall jedoch geschehen. Der Kläger könnte also mit seinem Begehren, zur mündlichen Steuerberaterprüfung zugelassen zu werden, nur dann durchdringen, wenn er mit seinen Einwendungen gegen die Prüfungsaufgaben und die Beurteilung seiner schriftlichen Prüfungsarbeiten Erfolg haben würde. Dies hat jedoch die Vorinstanz zutreffend verneint.
Wie der erkennende Senat in dem Urteil VII 264/63 vom 2. August 1967 (BStBl III 1967, 579) bereits dargelegt hat und wovon auch das FG zutreffend ausgegangen ist, entspricht es dem Wesen der Prüfungen und dient der Unabhängigkeit und Unvoreingenommenheit der Prüfenden bei Prüfungsentscheidungen, daß der Verwaltung auf dem Gebiet der Prüfungsleistungen ein Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist, der gerichtlich nicht voll nachprüfbar ist. An diesem Grundsatz, der auch mit verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung im Einklang steht, hält der Senat fest, und zwar erachtet er die Prüfungsentscheidungen nur in folgender Hinsicht für nachprüfbar: ob die Prüfenden von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen sind, ob sachfremden Erwägungen Raum gegeben worden ist, insbesondere auch, ob die Prüfungsanforderungen (in bezug auf Aufgabenstellung und auf Bewertung der Arbeiten) überspannt worden sind, ob sonst allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe außer acht gelassen oder ob sonst die Verfahrensbestimmungen für die Prüfung nicht eingehalten worden sind. Nur wenn eine Nachprüfung unter diesen Gesichtspunkten einen Verstoß ergibt und die Prüfungsentscheidung darauf beruht, der Verstoß also rechtserheblich ist, können Einwendungen gegen die Prüfungsentscheidung im einzelnen Fall zum Erfolg führen.
Die Ausführungen des FG darüber, daß die Prüfer nicht von unzutreffenden Tatsachen ausgegangen seien, sind bedenkenfrei.
Das FG hat auch zutreffend verneint, daß die in der schriftlichen Steuerberaterprüfung 1962 gestellten Prüfungsaufgaben nicht den zu stellenden Anforderungen entsprochen hätten, insbesondere daß sie überhöhte Schwierigkeitsgrade aufgewiesen hätten. Der Senat hat nicht zu prüfen, ob die in der schriftlichen Prüfung gestellten Aufgaben, insbesondere die vom Kläger vor allem beanstandete Aufgabe aus dem Gebiet des Buchführungs- und Bilanzwesens, glücklich gewählt worden waren, sondern nur, ob sie den Anforderungen, die an sie gestellt werden müssen, entsprachen. Prüfungsaufgaben müssen so gestellt sein, daß ein Bewerber, der gut durchschnittlich befähigt ist, in der Lage ist, diese Arbeiten mit positivem Erfolg vollständig zu schreiben (vgl. auch § 19 Abs. 2 DVStBerG, der auch für die Benotung der Prüfungsarbeiten von der durchschnittlichen Leistung ausgeht). Das FG verweist in diesem Zusammenhang zutreffend auch darauf, daß nach Mitteilung des Finanzsenators von insgesamt 147 Prüfungsteilnehmern in sechs Ländern 119 die schriftliche Prüfung, der die gleichen Aufgaben zugrunde gelegen haben, bestanden habe. Das FG hat auch festgestellt, daß die Mitprüflinge des Klägers je zwei der schriftlichen Prüfungsarbeiten mit der Note "drei" und je eine Arbeit mit der Note "vier" geschrieben haben; einer der Mitprüflinge hat die Arbeit auf dem Gebiet des Buchführungs- und Bilanzwesens mit "drei" (befriedigend) geschrieben. Es kann daher auch die Meinung des Klägers nicht zutreffen, die beiden anderen Prüflinge hätten die Probleme der Buchführungsaufgabe überhaupt nicht erkannt.
Auch die Verletzung allgemein gültiger Bewertungsgrundsätze hat das FG mit Recht verneint. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts, wie der Kläger es wünscht, gleichsam anstelle des Prüfungsausschusses die Bewertung der Prüfungsleistungen - im Streitfall hinsichtlich der schriftlichen Prüfungsarbeiten - vorzunehmen. Das Gericht hat vielmehr, wie oben dargelegt, in dieser Hinsicht nur zu prüfen, ob allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verletzt sind. So hat auch das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil VII C 171.64 vom 2. Juli 1965 (Deutsches Verwaltungsblatt 1966, 35, 37) ausgeführt: "Die Schwierigkeit, eine gerechte Entscheidung in Prüfungen zu finden, ergibt sich gerade daraus, daß eine Fülle einzelner Faktoren der sorgfältigen Berücksichtigung und Abwägung bedarf und der Richter nur ganz ausnahmsweise bei einer besonderen Gestaltung des Falles diesen Bewertungsvorgang anstelle des Prüfers vornehmen kann"; es müsse auch berücksichtigt werden, welchen Weg der Prüfling eingeschlagen habe, um eine Lösung zu finden, und mit welcher Genauigkeit er die von ihm gefundene Lösung begründet habe. In der Rechtsprechung ist zutreffend ständig darauf hingewiesen worden, daß auch der Gesamteindruck des Geprüften eine nicht unerhebliche Rolle spielt. Das FG weist bei seinen eingehenden Ausführungen zu diesen Fragen darauf hin, daß es die Verwaltung noch besonders aufgefordert hat, ihre Erwägungen, die für die Benotung der drei Klausurarbeiten des Klägers eine Rolle gespielt haben, mitzuteilen, und daß diese Erwägungen im Zusammenhang mit den bei den Arbeiten des Klägers angebrachten Randbemerkungen des Prüfers erkennen lassen, daß kein Verstoß gegen allgemeine Bewertungsgrundsätze vorliegt. Diese Ausführungen der Vorinstanz sind nicht zu beanstanden. Es unterliegt auch keinen Bedenken, daß das FG nicht ein Sachverständigengutachten über die schriftlichen Prüfungsleistungen des Klägers eingeholt hat. Grundsätzlich kann der Geprüfte nicht verlangen, daß seine Prüfungsleistungen durch einen anderen Sachverständigen begutachtet werden.
Da auch in sonstiger Hinsicht, soweit Nachprüfbarkeit besteht, keine Verletzungen ersichtlich sind, konnte die Revision keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 412774 |
BStBl III 1967, 714 |
BFHE 1967, 559 |
BFHE 89, 559 |