Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuwendung zur Ausbildung des Beschenkten
Leitsatz (amtlich)
1. Wird eine vorangegangene mündlich erklärte Schenkung durch spätere schriftlich abgegebene Erklärungen entkräftet?
2. Für eine Schenkung unter Lebenden, die einen Erbgang vorwegnimmt, kommt die Befreiungsvorschrift des § 18 Abs. 1 Nr. 14 ErbStG 1951 (=§ 18 Abs. 1 Nr. 15 ErbStG 1959) betr. Zuwendungen zur Ausbildung des Bedachten nicht zur Anwendung.
3. Zur Frage der Notwendigkeit der Sicherstellung der Verwendung einer Zuwendung für Ausbildungszwecke.
(Vgl. Urteil vom 30. Mai 1962 II 124/61 im 2. Rechtsgang)
Normenkette
ErbStG 1951 § 18 Abs. 1 Nr. 14; ErbStG 1959 § 18 Abs. 1 Nr. 15
Gründe
Streitig ist die Veranlagung der minderjährigen Anna B. geboren am 24. Dezember 1943 (Beschwerdeführerin – Bfin –), zur Erbschaftsteuer. Am 19. Dezember 1956 verstarb der … Schlosser Carl D. Er hatte durch notarielles Testament vom 8. März 1956 die mit ihm nicht verwandte Bfin. zur alleinigen Erbin und ihre Eltern zu Ersatzerben eingesetzt. In der Verhandlung vom 8. Januar 1957 erklärte der Vater der Bfin. vor dem Nachlaßgericht, daß er die Erbschaft für seine Tochter annehme. Gleichzeitig gab er den Wert des Nachlasses auf 5.000 DM bis 6.000 DM an und fügte hinzu, daß ein Sparguthaben bei der Landessparkasse in Höhe von 5.189,67 DM vorhanden sei. Die gerichtlichen Gebühren und Auslagen wurden nach einem Wertgegenstand von 5.000 DM bis 6.000 DM berechnet und bezahlt. In der Erbschaftsteuererklärung vom 26. April 1957 erklärte der Vater der Bfin. auf die Frage, ob der Erblasser in den letzten 10 Jahren unentgeltliche Zuwendungen gemacht habe, daß er am 20. Oktober 1956 sein Sparguthaben in Höhe von 5.189,67 DM auf die Alleinerbin habe umschreiben lassen. Das Finanzamt hat in der Erbschaftsteuerveranlagung den Reinnachlaß des Erblassers mit 30 DM festgestellt. Dem Erwerb der Bfin. in dieser Höhe hat es nach § 13 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) die Schenkung des Sparguthabens in Höhe von 5.190 DM zugerechnet. Den Gesamterwerb von 5.220 DM hat es mit dem Steuersatz (Steuerklasse V) von 14 v.H. = 728 DM zur Erbschaftsteuer herangezogen. Die Bfin. nimmt Steuerfreiheit gemäß § 18 Abs. 1 Ziff. 14 ErbStG in Anspruch. Der Erblasser habe einige Tage vor dem 20. Oktober 1956 ihrer Mutter das Sparbuch mit dem Bemerken übergeben: „Da hat Anna mein Sparbuch, es soll nur zu ihrer Ausbildung verwendet werden.” Die Mutter habe die Schenkung im Namen ihres Ehemannes für ihre Tochter angenommen. Die Mutter habe daraufhin das Sparbuch auf die Bfin. umschreiben lassen wollen. Die Landessparkasse habe jedoch Vollmacht des Erblassers verlangt, die sie nachgebracht habe. Außerdem wurde ein Verfügungsvorbehalt für den Erblasser über das neue auf die Bfin. lautende Sparkonto angebracht. In der schriftlichen Vollmacht ermächtigte der Erblasser die Mutter der Bfin., sein gesamtes Guthaben abzuheben und auf die Bfin. zu übertragen. Auf der Rückseite der Vollmachtsurkunde ist der vom Erblasser unterschriebene Vermerk angebracht:
„Verfügungsberechtigt: Herr Carl D., Schlosser.” Es folgt Wohnungsangabe und Unterschrift „Carl D.”. Die Bfin. hat folgendes Bestätigungsschreiben der Sparkasse vom 18. März 1958 eingereicht:
Bestätigung:
„Auf Grund einer uns vorliegenden und von Herrn Carl D. unterschriebenen Vollmacht wurde am 20. Oktober 1956 das Sparkonto Nr. 200 435, lautend auf Carl D. abgelöst und das Gesamtguthaben übertragen auf ein neues Sparkonto Nr. 206 646, lautend auf Anna B., geboren am 24. Dezember 1943, verfügungsberechtigt: Herr Carl D.
Zur Erläuterung: Das eingetragene Verfügungsrecht wirkt wie ein Sperrvermerk, der gemäß § 18 Abs. 2 unserer Grundbestimmungen unwirksam wird, wenn die Person stirbt, zu deren Gunsten der Vermerk eingetragen wurde. Damit wird der Kontoinhaber alleiniger Verfügungsberechtigter. Ein solches Sparguthaben gehört nicht zum Nachlaß des Verstorbenen.”
Außerdem hat die Sparkasse auf Ersuchen des Finanzgerichts mitgeteilt, daß § 18 Abs. 2 ihrer Grundbestimmungen wie folgt laute:
„Der Sperrvermerk wird unwirksam, wenn die Person stirbt, zu deren Gunsten der Vermerk eingetragen ist, wenn der bestimmte Zeitpunkt oder das erwartete Ereignis eintritt, oder wenn sich herausstellt, daß es nicht eintreten kann.”
Der Erblasser bezweckte mit seiner Zuwendung nach Darlegung der Bfin., ihr eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Es sind eidesstattliche Versicherungen der Mutter der Bfin. und einer Frau R. eingereicht worden. Letztere hatte zuvor schon eine einfache nicht eidesstattliche Erklärung abgegeben. Einspruch und Berufung sind ohne Erfolg geblieben. Während jedoch das Finanzamt hinsichtlich des Sparguthabens eine Zuwendung unter Lebenden annahm und die Anwendung des § 18 Abs. 1 Ziff. 14 ErbStG nur ablehnte, weil in der Schenkung keine steuerfreie Hingabe zu Ausbildungszwecken zu erblicken sei, sondern eine Vorwegnahme des künftigen Erbganges, hat das Finanzgericht das Vorliegen einer Zuwendung unter Lebenden verneint. Das Guthaben sei erst auf Grund des Testaments übergegangen. § 18 Abs. 1 Ziff. 14 a.a.O. gelte nur für Zuwendungen unter Lebenden. Für den Übergang eines Sparguthabens sei Forderungsabtretung gemäß § 398 BGB erforderlich. Die vom Erblasser ausgestellte Vollmacht und die von ihm unterschriebene Erklärung über die Verfügungsberechtigung widersprächen der behaupteten Forderungsabtretung vor Ausstellung der Vollmacht bzw. der Erklärung über die Verfügungsbefugnis. Bei einem solchen Widerspruch komme der schriftlichen Erklärung gegenüber der von der Bfin. behaupteten vorangegangenen mündlich erklärten Schenkung größere Bedeutung zu. Außerdem sei bei mehreren voneinander abweichenden Vereinbarungen die zuletzt getroffene Vereinbarung maßgeblich. Schließlich seien die Ausführungen der Eltern der Bfin. nicht klar genug, um daraus etwas Sicheres entnehmen zu können. Im übrigen habe sich der Erblasser im Hinblick auf die Aufrechterhaltung seiner Verfügungsmacht das Gläubigerrecht vorbehalten.
In der Rechtsbeschwerde (Rb.) gegen dieses Urteil rügt die Bfin. Rechtsirrtümer, Verstöße gegen den klaren Akteninhalt und Verfahrensmängel.
Die Rb. führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Das Finanzgericht hat den Vater der Anna B. als Berufungsführer bezeichnet. Rechtsmittelführerin ist jedoch die minderjährige Anna B. vertreten durch ihre Eltern … macht als zweite Willenserklärung des Erblassers anzusehen seien, die die behauptete vorangegangene mündlich erklärte Schenkung wegen ihrer Förmlichkeit (Schriftform) und wegen der späteren Abgabe entkräfte. Es ist jedoch nicht sicher, daß die vom Erblasser unterschriebene Vollmacht zur Umschreibung des Guthabens in Verbindung mit der Erklärung über die Verfügungsbefugnis wirklich eine Abänderung der vorangegangenen mündlich erklärten Schenkung des Guthabens – deren Richtigkeit unterstellt – darstellt. Es ist wahrscheinlich, daß sich die Landessparkasse zu ihrer Sicherheit ohne Rücksicht auf etwaige vorangegangene Erklärungen der Beteiligten Vollmacht und Erklärung über die Verfügungsbefugnis ausstellen ließ. Sollte die Sache so liegen, und der Erblasser die von der Bank geforderten Erklärungen nur aus dem Grunde abgegeben haben, um den Anforderungen der Sparkasse zu genügen und so die behauptete Schenkung zu verwirklichen, würden die vom Finanzgericht angestellten Erwägungen über das größere Gewicht der förmlichen zweiten Erklärung des Erblassers gegenüber der behaupteten vorangegangenen mündlich erklärten Schenkung nicht durchgreifen. Im übrigen ist zweifelhaft, ob dem Erblasser nach der Erklärung hinsichtlich der Verfügungsmacht das Gläubigerrecht weiterhin zugestanden hat. Jedenfalls erscheint die Auffassung der Landessparkasse, daß die eingetragene Verfügungsbefugnis nur als Sperrvermerk wirke – hierdurch also das Gläubigerrecht des neuen Konteninhabers nicht beseitigt werde – entgegen der Auffassung des Finanzgerichts nicht unbeachtlich. Hiernach war das angefochtene Urteil aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache geht zu weiterer Prüfung an das Finanzgericht zurück. Sollte das Finanzgericht im weiteren Verfahren etwa zu der Rechtsauffassung kommen, daß im Streitfall eine Schenkung unter Lebenden vorliege, wäre erneut die Anwendbarkeit des § 18 Abs. 1 Ziff. 14 ErbStG zu prüfen. In diesem Zusammenhang sind die Urteile des Reichsfinanzhofs Ie A 206/30 vom 16. Dezember 1930 (Reichssteuerblatt – RStBl – 1931 S. 141), Ie A 356/31 vom 22. September 1931 (RStBl 1931 S. 897), Ve A 991/31 vom 8. Juli 1932 (Slg. Bd. 31 S. 224), Ve A 839/32 vom 11. November 1932 (Mrozek-Kartei, Erbschaftsteuersteuergesetz 1925, § 18 Nr. 14 Rechtsspruch 13) beachtlich. Die Befreiungsvorschrift greift insbesondere dann nicht ein, wenn die Zuwendung lediglich bezweckte, einen Erbgang vorweg zu nehmen (Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 79/22 vom 19. Dezember 1922, Mrozek-Kartei, Erbschaftsteuergesetz 1919, § 42 Abs. 1 Ziff. 2 Rechtsspruch 11, ferner das bereits angeführte Urteil Ve A 839/32 vom 11. November 1932 und Urteil IIIe A 1/34 vom 11. April 1935, Slg. Bd. 37 S. 34, Mrozek-Kartei, Erbschaftsteuergesetz 1925, § 18 Nr. 14 Rechtsspruch 22). Im Streitfalle sprechen gewisse Umstände dafür, daß hier eine Vorwegnahme des künftigen Erbganges vorliegen kann. Als solche Umstände kommen in Betracht: Die Erbeinsetzung der Bfin., die Erklärung ihres Vaters vor dem Nachlaßgericht am 8. Januar 1957, die Äußerung des Bezirksnotars vom 7. März 1958 betreffend Ablehnung des Antrags auf Erstattung der Gerichtsgebühren für die Testamentseröffnung. Beachtlich könnte auch der Umstand sein, daß das Guthaben des Erblassers – bis auf 30 DM seinen Gesamtnachlaß bildete, daß der im Alter von 70 Jahren verstorbene Erblasser nach Angabe der Bfin. nur über 316 DM monatliche Einkünfte verfügte und daß schließlich wegen der Testamentsbestimmung kein überzeugender Grund für die Schenkung des Guthabens an die damals 13jährige Schülerin Anna B. erkennbar ist.
Fundstellen