Entscheidungsstichwort (Thema)
Bankrecht, Kreditrecht, Berufsrecht, Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, Arbeitsrecht
Leitsatz (amtlich)
Die Aufrechnung mit Steuerforderungen durch das Land gegen einen Entschädigungsanspruch nach dem BEG ist unzulässig.
Normenkette
BGB §§ 393, 823; BEG § 188
Tatbestand
Streitig ist die Zulässigkeit einer Aufrechnung des Finanzamts mit einem Einkommensteueranspruch 1953 gegen Ansprüche nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG).
Dem einen Bf. wurden auf Grund des BEG am 29. November 1961 durch Vergleich vor dem Oberlandesgericht u. a. Entschädigungsansprüche im Betrage von über 21.000 DM zugesprochen. Gegen eine Pfändungsverfügung des Finanzamts machte er geltend, er habe diese Ansprüche bereits am 10. September 1957 an seinen Bruder, den zweiten Bf., sicherungshalber abgetreten. Sowohl die Pfändungsverfügung als auch der Abtretungsvertrag wurden von der Entschädigungsbehörde gemäß § 14 Satz 2 BEG genehmigt. Das Finanzamt rechnete mit Erklärung vom 15. Januar 1962 gegenüber dem ersten Bf. und für den Fall, daß die Abtretung vom 10. September 1957 wirksam sein sollte, gegenüber dem zweiten Bf. mit folgenden Forderungen an den ersten Bf.
Einkommensteuer 1953 ................... 8.696,-- DM Säumniszuschläge bis 20. April 1960 .... 2.019,70 DM Rechtsmittelkosten des Landes ............ 168,20 DM zusammen --------------------------- 10.883,90 DM gegenEntschädigungsansprüche in gleicher Höhe auf. Die Pfändungsverfügung nahm es zurück.
Die Beschwerden, mit denen die Unzulässigkeit der Aufrechnungsverfügung geltend gemacht wurde, blieben erfolglos. Im Berufungsverfahren ging das Finanzgericht in übereinstimmung mit den Beteiligten davon aus, daß die Abtretung der Entschädigungsforderungen durch die Genehmigung der Entschädigungsbehörde rechtswirksam geworden sei, daß nur noch die Aufrechnung gegenüber dem zweiten Bf. als dem neuen Gläubiger von rechtlicher Bedeutung und deshalb im Streit sei.
Das Finanzgericht hielt die Aufrechnung für zulässig, soweit sie sich nicht auf Steuerforderungen bezieht, die nach Art. 106 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) n. F. dem Bund zustehen.
Mit den Rbn. beantragten die Bf., mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Die sind der Auffassung, die Entschädigungsforderungen seien Ansprüche aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung, gegen die nach § 393 BGB die Aufrechnung nicht zulässig sei. Diese widerspreche auch dem in § 2 Abs. 2 StAnpG enthaltenen Grundsatz von Recht und Billigkeit. Sie sei auch deshalb unzulässig, weil sie dem zuletzt in dem Urteil des Bundesfinanzhofs II 41/60 U vom 4. März 1964 (BStBl 1964 III S. 246, Slg. Bd. 79 S. 37) enthaltenen Rechtsgedanken widerspreche, daß das Ergebnis der Wiedergutmachung nach dem BEG nicht durch Besteuerung der Substanz der Entschädigung beeinträchtigt werden dürfe. Außerdem verstoße die Aufrechnung gegen Treu und Glauben, denn die durch das Finanzamt vorgenommene Aufhebung der Pfändung der Entschädigungsforderung könne nach dem Rechtsgrundsatz des § 133 BGB nur als Verzicht auf eine weitere Verfolgung der rückständigen Steuerforderungen gewertet werden. Durch die Aufrechnung habe sich das Finanzamt daher zu seinem früheren Verhalten in treuwidriger Weise in Widerspruch gesetzt.
Der erkennende Senat hatte zunächst durch Bescheid vom 18. Mai 1965 entschieden. Er hob die Vorentscheidung, soweit sie die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion vom 2. Dezember 1963 und die Aufrechnungsverfügung des Finanzamts vom 15. Januar 1962 aufrechterhalten hatte, und hinsichtlich der Kostenentscheidung auf. Auf die Berufungen hob er die Beschwerdeentscheidung und die Aufrechnungsverfügung auf, soweit sie durch die Vorentscheidung bestätigt worden waren. Auf Antrag der Finanzbehörde ist sodann mündlich verhandelt worden. Die Finanzbehörde hat sich auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13. Januar 1965 IV ZR 35/64 (Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, Nr. 4 § 14 BEG 1956 = Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht 1965 S. 225 Nr. 20) berufen, in dem der Bundesgerichtshof entschieden hat, die Aufrechnung gegen einen Anspruch auf Entschädigung nach dem BEG sei nicht durch § 393 BGB ausgeschlossen. Der Bundesgerichtshof habe unter 2 c ausgeführt: Die Ansprüche nach dem BEG seien öffentlich-rechtlicher Natur; sie richteten sich nicht gegen den seinerzeitigen Schädiger, sondern gemäß § 188 BEG gegen das zuständige Land, mittelbar: gegen die Bundesrepublik Deutschland und die Gesamtheit ihrer Länder; die Entschädigungsansprüche seien damit neu geschaffene Ansprüche, die wohl ihre Wurzel in früheren schädigenden Handlungen hätten, jedoch nicht gegen den ursprünglichen Schädiger, sondern gegen einen neuen Schuldner zu richten seien; gegenüber diesem neuen Schuldner eines nunmehr anders gearteten Anspruchs greife der Gesichtspunkt, daß die Aufrechnung gegen eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung unzulässig sei, nicht durch; dem beklagten Land sei es deshalb nicht nach § 393 BGB verwehrt, mit einer eigenen Forderung gegen einen Entschädigungsanspruch aufzurechnen. Die Finanzverwaltungsbehörde beantragt, die Rbn. als unbegründet zurückzuweisen. Darüber hinaus regt sie an, das angefochtene Urteil des Finanzgerichts gemäß § 243 Abs. 3 AO aufzuheben und die Aufrechnungsverfügung sowie die Beschwerdeentscheidung wieder in vollem Umfang in Kraft zu setzen. Sie begründet ihre Auffassung, die Aufrechnung sei auch hinsichtlich des Bundesanteils der Einkommensteuer 1953 zulässig.
Die Bf. beantragen, die Aufrechnung in vollem Umfang für unzulässig zu erklären.
Entscheidungsgründe
Die Rbn. sind begründet.
Für die Aufrechnung durch einen Steuergläubiger sind die Vorschriften des BGB über die Aufrechnung (§§ 387 ff.) sinngemäß anwendbar, soweit sie mit dem Steuerrecht vereinbar sind. So ist auch § 393 BGB sinngemäß anwendbar, nach dem gegen eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung die Aufrechnung nicht zulässig ist. Die Schuld dessen, der aufrechnen will, darf mithin nicht aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung entstanden sein. Der Schuldner einer solchen Forderung soll den angerichteten Schaden durch Ersatzleistung wiedergutmachen; der Gläubiger dieser Forderung darf nicht im Wege der Aufrechnung abgefunden werden.
Selbst wenn man mit dem bezeichneten Urteil des Bundesgerichtshofs davon ausgeht, daß nach dem Wortlaut des § 393 BGB eine Aufrechnung gegen Entschädigungsforderungen nach dem BEG deshalb nicht ausgeschlossen ist, weil es sich dabei nicht um Ansprüche aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen im Sinne der §§ 823 ff. BGB, vielmehr um neue, eigengeartete Ansprüche handelt, die sich nicht unmittelbar gegen den Täter der Unrechtshandlung, sondern gegen das jeweilige Bundesland (§ 188 BEG) richten, so besteht nach Ansicht des erkennenden Senats für solche Fälle der Aufrechnung gegen Entschädigungsansprüche nach dem BEG eine Lücke im Gesetz, die nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes zu schließen ist. Denn wenn es nach § 393 BGB schon ausgeschlossen ist, daß gegen irgendwelche Schadensersatzansprüche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung im Sinne der §§ 823 ff. BGB aufgerechnet wird, so muß dies um so mehr und erst recht für eine Aufrechnung gegen Ansprüche auf Entschädigung nach dem BEG gelten, die ihren Grund in den vom nationalsozialistischen Unrechtsstaat veranlaßten Verfolgungsmaßnahmen haben (vgl. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juni 1961 1 BvL 26/58, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 13 S. 39, 42, 43), deren Unrechtsgehalt weit schwerwiegender ist. Nur das ist mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes und dem aufgezeigten Grundgedanken des § 393 BGB vereinbar.
Die Entscheidung, die zunächst im Vorbescheid getroffen worden war, ist somit auch nach der mündlichen Verhandlung zu treffen, ohne daß es eines Eingehens auf weitere Streitfragen bedurfte.
Fundstellen
Haufe-Index 411827 |
BStBl III 1965, 719 |
BFHE 1966, 607 |
BFHE 83, 607 |