Entscheidungsstichwort (Thema)
Reihenfolge der Abzüge nach § 7b EStG und § 78 EStDV
Leitsatz (NV)
Bei der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen hat der Abzug erhöhter Absetzungen nach § 7b EStG Vorrang vor dem Abzug nach § 74 EStDV.
Normenkette
EStG §§ 7b, 13a; EStDV §§ 52, 78
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), die mit dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wird, erzielte im Streitjahr Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, die nach Durchschnittsätzen gemäß § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt wurden. Nach Abzug erhöhter Absetzungen nach § 7b EStG in Höhe von je 10 000 DM in den Wirtschaftsjahren 1984/85 und 1985/86 ergaben sich für das Streitjahr negative Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von . . . DM. Die Klägerin hatte außerdem einen weiteren Betrag in Höhe von 2 658 DM nach § 78 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) abgezogen. Diesen Abzug lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA) im Einkommensteuerbescheid vom 14. November 1986 mit der Begründung ab, durch den im Verhältnis zu § 78 EStDV vorrangigen Abzug erhöhter Absetzungen nach § 7b EStG sei bereits ein Verlust bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft entstanden. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Mit der vom Finanzgericht (FG) gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassenen Revision der Kläger wird geltend gemacht, der Abzug nach § 78 EStDV habe Vorrang vor dem Abzug nach § 7b EStG, so daß sich der Verlust aus Land- und Forstwirtschaft um 2 658 DM erhöhe und das zu versteuernde Einkommen sich entsprechend verringere.
Die Kläger beantragen, das FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheids die Einkommensteuer bei Ansatz eines Verlusts aus Land- und Forstwirtschaft von . . . DM. nach einem zu versteuernden Einkommen von . . . DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet und muß deshalb zurückgewiesen werden (§ 126 Abs. 1 FGO).
1. Nach § 78 Abs. 1 EStDV können Land- und Forstwirte, deren Gewinn nach § 13a EStG zu ermitteln ist, bei Anschaffung oder Herstellung der in den Anlagen 1 und 2 zur EStDV bezeichneten beweglichen und unbeweglichen Wirtschaftsgüter und Um- und Ausbauten an unbeweglichen Wirtschaftsgütern im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung bestimmte Beträge vom Gewinn abziehen, nämlich bei beweglichen Wirtschaftsgütern 25 v.H., bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern und bei Um- und Ausbauten an unbeweglichen Wirtschaftsgütern 15 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten. Nach dem Wortlaut der Vorschrift werden die Beträge nach § 78 EStDV somit nicht als Betriebsausgaben bei der Ermittlung des Gewinns abgezogen. Der Abzug erfolgt vielmehr vom Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft, kommt also erst in Betracht, nachdem zuvor alle als Betriebsausgaben zu berücksichtigenden Beträge abgezogen worden sind. Dieser Auslegung steht nicht entgegen, daß nach § 78 Abs. 3 EStDV der Abzug nach § 78 Abs. 1 und 2 EStDV nicht zu einem Verlust aus Land- und Forstwirtschaft führen darf. Daraus ergibt sich nur eine Begrenzung der nach § 78 EStDV abziehbaren Beträge, hingegen nicht, daß es sich bei diesen Beträgen um Betriebsausgaben im Rahmen der Gewinnermittlung handelt. Beim Gewinnabzug nach § 78 EStDV handelt es sich nicht um eine Absetzung für Abnutzung (AfA) und somit auch nicht um eine Betriebsausgabe. Bei den Anschaffungs- oder Herstellungskosten der begünstigten Wirtschaftsgüter handelt es sich nicht um ein Abschreibungsvolumen, sondern lediglich um die Bemessungsgrundlage für den einmaligen Abzug im Wirtschaftsjahr der Anschaffung oder Herstellung (vgl. Leingärtner / Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, Rdnr. 692).
2. a) Zu den als Betriebsausgaben abzuziehenden Beträgen gehören auch die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG auf zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehörende Wohngebäude. Nach § 52 EStDV sind die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG ,,auch bei der Berechnung des Gewinns nach § 13a des Gesetzes zulässig". Der Gewinn wird nach § 4 Abs. 1 EStG grundsätzlich durch Vergleich des Betriebsvermögens am Ende des Wirtschaftsjahrs mit dem Betriebsvermögen am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs ermittelt, wobei die so ermittelte Vermögensmehrung oder Vermögensminderung um die Entnahmen des Wirtschaftsjahrs zu erhöhen und um die Einlagen des Wirtschaftsjahrs zu mindern ist. Bei der Ermittlung des Gewinns nach § 4 Abs. 1 EStG sind u.a. auch die Vorschriften über die AfA zu beachten (§ 4 Abs. 1 Satz 6 EStG). Dazu gehören auch die Vorschriften über Sonderabschreibungen und die erhöhten Absetzungen, die für Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens neben oder anstelle der AfA nach § 7 EStG in Anspruch genommen werden können. Deshalb werden auch Sonderabschreibungen und erhöhte Absetzungen auf Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens bei der Gewinnermittlung wie Betriebsausgaben abgezogen, so daß Gewinn der nach Abzug aller Betriebsausgaben einschließlich etwaiger Sonderabschreibungen und erhöhten Absetzungen sich ergebende Betrag ist.
b) Hiervon ist auch bei der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen gemäß § 13a EStG auszugehen. Auch bei der Gewinnermittlung nach § 13a EStG handelt es sich, wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat, um eine Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG (vgl. z. B. Senatsurteile vom 3. Juni 1965 IV 351/64 U, BFHE 83, 207, BStBl III 1965, 576; vom 17. März 1988 IV R 82/87, BFHE 153, 333, BStBl II 1988, 770). Wegen der besonderen Technik der Gewinnermittlung nach § 13a EStG stellt sich allerdings grundsätzlich die Frage des Abzugs von Betriebsausgaben nicht. Denn ebenso wie die tatsächlich angefallenen Betriebseinnahmen werden auch die tatsächlich angefallenen Betriebsausgaben grundsätzlich durch den Ansatz des Durchschnittsatzgewinns nach § 13a Abs. 3 Satz 1 EStG abgegolten. Als Abzugsbeträge kommen - außerhalb des Bereichs der Sondernutzungen nach § 13a Abs. 8 EStG - nur Pachtzinsen, Schuldzinsen und dauernde Lasten in Betracht (§ 13a Abs. 3 Satz 2 EStG; Senatsurteil vom 7. Juni 1984 IV R 276/83, BFHE 141, 276, BStBl II 1984, 663). Infolgedessen kommt auch ein gewinnmindernder Abzug von AfA grundsätzlich nicht in Betracht. Dieser Grundsatz wird indes für den Bereich der erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG durch die Sonderregelung in § 52 EStDV durchbrochen. Soweit hiernach erhöhte Absetzungen zulässig sind und tatsächlich in Anspruch genommen werden, werden sie ebenso wie die in § 13a Abs. 3 Satz 2 EStG bezeichneten Abzugsbeträge sowie Abzugsbeträge nach § 6c EStG als Betriebsausgaben abgezogen, so daß Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in diesen Fällen der um die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG und die anderen Abzugsbeträge nach § 13a Abs. 3 Satz 2 EStG und § 6c EStG geminderte Durchschnittsatzgewinn ist; dabei nimmt das Gesetz in Kauf, daß auch die in der erhöhten Absetzung enthaltene Normalabschreibung als Betriebsausgabe abgezogen wird, obwohl diese an sich bereits mit dem Ansatz des Durchschnittsatzgewinns abgegolten ist (Leingärtner / Zaisch, a.a.O. Rdnr. 688).
3. Der als Ausnahme zugelassene Abzug der erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG i.V.m. § 52 EStDV als Betriebsausgaben führt dazu, daß der Abzug nach § 78 EStDV nur noch von dem um die erhöhten Absetzungen geminderten Betrag in Betracht kommt. Demzufolge kommt ein Abzug nach § 78 EStDV nur hinsichtlich eines Teils des zulässigen Höchstbetrags in Betracht, wenn dieser die nach Abzug der erhöhten Absetzungen verbleibenden Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft übersteigt. Ergeben sich schon durch den Abzug der erhöhten Absetzungen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft in Höhe von 0 DM oder negative Einkünfte, so entfällt der Abzug nach § 78 EStDV ganz. Dieser Auffassung, die überwiegend auch im Schrifttum vertreten wird (vgl. Leingärtner / Zaisch, a.a.O., Rdnr. 692; Schmidt / Seeger, Einkommensteuergesetz, 8. Aufl., § 13a Anm.20; Engel in Hartmann / Böttcher / Nissen / Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 13a Rz.30), wird entgegengehalten, die Vergünstigung nach § 78 EStDV und die Vergünstigung nach § 7b EStG i.V.m. § 52 EStDV seien ,,gleichrangig" und eine Besteuerung, der die günstigste Reihenfolge des Abzugs zugrunde liege, dürfte durchaus dem Willen des Verordnungsgebers entsprechen (Felsmann, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, A 854). Der Senat kann sich der Auffassung von Felsmann nicht anschließen. Dem Gesetz- wie dem Verordnungsgeber stehen unterschiedliche Methoden zur Gewährung von Steuervergünstigungen zur Verfügung. Steuervergünstigungen bei den Ertragssteuern können insbesondere in die Form von Sonderabschreibungen und erhöhten Absetzungen, aber z. B. auch in die Form von Steuerermäßigungen durch Abzug von der Steuerschuld oder unter völliger Abkopplung vom Steuerfestsetzungsverfahren in Gestalt von Investitionszulagen gewährt werden. Die Entlastungswirkung hängt auch von der jeweils gewählten Entlastungsmethode ab. Die Abzüge nach § 78 EStDV mindern zwar ebenso wie die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft. Der Unterschied besteht jedoch, wie dargelegt, darin, daß die erhöhten Absetzungen wie Betriebsausgaben bei der Gewinnermittlung abgezogen werden, während die nach § 78 EStDV in Betracht kommenden Beträge vom bereits feststehenden Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft abgezogen werden. Dadurch ist die Reihenfolge des Abzugs vorgegeben. Wegen der Verlustklausel wäre diese Reihenfolge auch bei unterstellter ,,Gleichrangigkeit" der Vergünstigungen zu beachten. Auch in diesem Falle müßte der Abzug nach § 78 EStDV nach Abzug aller anderen gewinnmindernden Beträge erfolgen. Denn ein vorrangiger Abzug würde ggf. dazu führen, daß es durch Anwendung des § 78 EStDV doch zur Entstehung oder Erhöhung eines Verlustes aus Land- und Forstwirtschaft käme. Gerade dies sollte aber durch die Verlustklausel ausgeschlossen werden. Unerheblich ist, daß der Gesetzgeber auch eine andere, für die Steuerpflichtigen günstigere Reihenfolge des Abzugs hätte vorsehen können und daß ab dem Veranlagungszeitraum 1987 wegen des Übergangs von der Besteuerung des Nutzungswerts der eigenen Wohnung zur Privatgutlösung ein Abzug erhöhter Absetzungen nach § 7b EStG bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft grundsätzlich nicht mehr in Betracht kommt, sondern durch einen Abzug nach § 10e EStG vom Gesamtbetrag der Einkünfte ersetzt wird.
4. Für den Streitfall ergibt sich hieraus, daß der Gewinnabzug nach § 78 EStDV nicht in Betracht kommt, da bereits durch den Abzug der erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG i.V.m. § 52 EStDV negative Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft entstanden waren.
Die Revision war danach als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 423001 |
BFH/NV 1990, 556 |