Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält an seiner Auffassung fest, daß die in der ErstVOGetrReis (1964) vorgesehene Ausfuhrerstattung in Form der Abschöpfungsfreiheit für im aktiven Veredelungsverkehr anfallende Nebenerzeugnisse und Abfälle mit dem Inkrafttreten der ErstVOGSEGF (1967) weggefallen ist, ohne daß es einer ausdrücklichen Aufhebung dieser Regelung bedurfte.
Normenkette
EWGV 19/62; EWGV 120/67 Art. 16-17; EWGV 360/67 Art. 17; DurchfG EWG-Getr (1962); DurchfG EWG-GRSEG § 5 Nr. 1; ErstVOGetrReis § 1 Abs. 5, § 4 Abs. 5; ErstVOGSEGF (1967) §§ 1-2; ErstVOGRSEGF (1968) § 18; ZG a.F. § 50 Abs. 2 S. 2, Abs. 4 S. 2, § 5 Abs. 5 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Nach der auf § 8 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 (Getreide) des Rates der EWG vom 26. Juli 1962 – DurchfG EWG-Getr. – (Bundeszollblatt 1962 S. 643 – BZBl 1962, 643 –, BGBl I, 455) beruhenden Erstattungsverordnung Getreide und Reis (ErstVOGetrReis) vom 24. November 1964 (BZBl 1965, 2, BGBl I, 917) konnten u. a. Maiserzeugnisse aufgrund einer Erstattungszusage der Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel (EVSt-Getr) exportiert werden mit der Folge, daß ein der exportierten Menge entsprechendes Quantum des Grunderzeugnisses abschöpfungsfrei eingeführt werden durfte. Gemäß § 1 Abs. 5 ErstVOGetrReis wurden Erstattungen auch gewährt für Waren, die aus einem aktiven Veredelungsverkehr (§ 48 des Zollgesetzes – ZG – in der damals geltenden Fassung) exportiert wurden. In diesem Fall wurde die Erstattung gemäß § 4 Abs. 5 ErstVOGetrReis nur in der Form gewährt, daß die im aktiven Veredelungsverkehr anfallenden Nebenerzeugnisse und Abfälle entgegen der für die im vorliegenden Falle vorliegende Freigutveredelung bestehenden gesetzlichen Regelung (§ 4 Abs. 5 a. F. des Abschöpfungserhebunsgesetzes – AbG – i. V. m. § 50 Abs. 2 ZG) abschöpfungsfrei blieben.
Ab 1. Juli 1967 wurde die Verordnung (EWG) Nr. 19/62 (VO Nr. 19/62) des Rates vom 19. April 1962 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1962 S. 933 – ABlEG 1962, 933 –) durch die Verordnung (EWG) Nr. 120/67 (VO Nr. 120/67) des Rates vom 13. Juni 1967 (ABlEG 1967, 2269) abgelöst (vgl. Art. 33 dieser Verordnung). In dem daraufhin zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen u. a. für Getreide erlassenen Gesetz vom 30. Juni 1967 (BZBl 1967, 1001, BGBl I, 617) – DurchfG EWG-GRSEG – wurde das DurchfG EWG-Getr vom 26. Juli 1962 nicht aufgehoben. Die aufgrund des DurchfG EWG-GRSEG erlassene neue Erstattungsverordnung Getreide, Schweinefleisch, Eier, Geflügelfleisch und Fette vom 26. Juli 1967 – ErstVOGSEGF – (BZBl 1967, 1006) enthielt ebenfalls keine Bestimmung, die die ErstVOGetrReis außer Kraft setzt. Sie sieht auch keine Regelung über die Erstattung für im aktiven Veredelungsverkehr ausgeführte Waren vor.
Das dem Beklagten und Revisionskläger (Hauptzollamt – HZA –) unterstehende Zollamt (ZA) stellte sich auf den Standpunkt, daß die ErstVOGetrReis durch die ErstVOGSEGF außer Kraft gesetzt worden sei mit der Folge, daß für Abfälle und Nebenerzeugnisse der Freigutveredelung von Mais Abschöpfung zu erheben sei. Mit vorläufigem Abrechnungsbescheid vom 8. November 1967 forderte das ZA für die in der Zeit ab 29. Juli 1967 (Tag der Bekanntmachung der ErstVOGSEGF) angefallenen Schalen, Spelzen und Keime insgesamt … DM Abgaben an.
Nachdem das HZA über den von der Klägerin am 20. November 1967 eingelegten Einspruch nicht entschieden hatte, erhob die Klägerin mit Schriftsatz vom 30. Mai 1968 Klage gemäß § 46 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Im Laufe des finanzgerichtlichen Verfahrens entschied der erkennende Senat mit Urteil vom 10. Mai 1972 VII R 28/69 (BFHE 106, 156), daß die in der ErstVOGetrReis geregelte Abschöpfungsfreiheit für im aktiven Veredelungsverkehr anfallende Nebenerzeugnisse und Abfalle mit dem Inkrafttreten der ErstVOGSEGF weggefallen ist, ohne daß es einer ausdrücklichen Aufhebung dieser Regelung bedurfte. Die Klägerin erklärte, sie halte das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) für rechtlich unzutreffend und bitte, dem BFH Gelegenheit zur Überprüfung seiner Rechtsansicht zu geben.
Das Finanzgericht (FG) setzte die Umsatzausgleichsteuer auf… DM fest und wies die Klage im übrigen ab.
Es schloß sich, was die Fortgeltung der ErstVOGetrReis betrifft, der vom FG Hamburg in seinem (vom BFH in BFHE 106, 156 aufgehobenen) Urteil vom 13. Dezember 1968 V 216/68 N vertretenen Auffassung an und führte aus, eine Rechtsnorm sei nur dann außer Kraft, wenn sie in ihrer Geltung befristet sei, wenn sie ausdrücklich und formgerecht aufgehoben werde oder wenn neues, entgegengesetztes Recht gesetzt werde. Die unbefristet ergangene ErstVOGetrReis sei durch die ErstVOGSEGF nicht außer Kraft gesetzt worden. Der Auffassung des BFH, es habe einer förmlichen gesetzlichen Aufhebung nicht bedurft, da die ErstVOGetrReis wegen der Ablösung der VO Nr. 19/62 durch die VO Nr. 120/67 gegenstandslos geworden sei, könne sich der Senat nicht anschließen. Die als Rechtsverordnung zum nationalen Durchführungsgesetz zur VO Nr. 19/62 ergangene ErstVOGetrReis könne nur vom nationalen Gesetz- bzw. Verordnungsgeber außer Kraft gesetzt werden. Gegenstandslos könne sie nach dem Grundsatz „lex posterior derogat legt priori” nur geworden sein, wenn die später ergangene ErstVOGSEGF die gleiche Materie vollständig neu geregelt hätte. In dieser Verordnung werde aber lediglich die Barerstattung geregelt. Da auch keiner Vorschrift der ErstVOGSEGF zu entnehmen sei, daß in ihr die Erstattungsfälle abschließend und vollständig aufgezählt seien, könne nicht angenommen werden, daß die §§ 1 Abs. 5, 4 Abs. 5 ErstVOGetrReis außer Kraft gesetzt worden seien.
Dem stehe nicht entgegen, daß unter Berücksichtigung der Entwicklung der gemeinsamen Marktorganisationen für Getreide aus der VO Nr. 19/62 und der VO Nr. 120/67 sowie den dazu ergangenen nationalen Durchführungsgesetzen und anderen EWG-Verordnungen der Wille des Verordnungsgebers erkennbar werden könne, die ErstVOGetrReis vollständig außer Kraft zu setzen. Die Rechtsstaatlichkeit gebiete es, daß der Wille des Gesetz- bzw. Verordnungsgebers ohne jeden Zweifel erkennbar würde. Dem genüge es nicht, wenn nur ein „Eingeweihter diesen Willen erkennen könne. Die Rechtsnorm müsse den gesetzgeberischen Willen hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 3. Februar 1959 2 BvL 10/56, BVerfGE 9, 137 [151]; vom 25. Juli 1962 2 BvL 4/62, BVerfGE 14, 245 [253]). Dies gelte insbesondere, wenn es um die Frage der Gültigkeit einer Rechtsnorm gehe. Der Gesetzgeber hätte durch eine einfache Vorschrift entgegenstehendes früheres Recht außer Kraft setzen können.
Mit seiner gegen die Vorentscheidung eingelegten Revision rügt das HZA die Verletzung der §§ 1 und 2 ErstVOGSEGF. Es macht geltend, die Bestimmungen dieser Verordnung stünden so offensichtlich im Widerspruch zu den Vorschriften der ErstVOGetrReis, daß eine ausdrückliche Aufhebung nicht erforderlich gewesen sei und aus dem Fehlen einer Aufhebungsvorschrift nicht auf die Fortgeltung von Teilen der ErstVOGetrReis geschlossen werden könne. Das habe der BFH in seiner Entscheidung in BFHE 106, 156 festgestellt. Nach Aufhebung der VO Nr. 19/62 durch die VO Nr. 120/67 gehe die Ermächtigungsvorschrift des § 5 DurchfG EWG-GRSEG der gleichlautenden Ermächtigungsgrundlage des § 8 Nr. 1 DurchfG EWG-Getr als jüngere Vorschrift vor mit der Folge, daß die Ermächtigungsgrundlage des älteren Durchführungsgesetzes außer Kraft getreten sei. Die §§ 1 und 2 DurchfG EWG-GRSEG zielten nach dem Willen des Gesetzgebers auf eine uneingeschränkte neue Regelung des Erstattungsverfahrens ab; damit sei der Fortbestand der bis dahin gültigen ErstVOGetrReis nicht gewollt gewesen, was auch aus der ErstVOGSEGF erkennbar sei. Nach deren § 1 würden Ausfuhrerstattungen gewährt, die der Rat oder die Kommission der EWG im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisationen u. a. für Getreide festgelegt habe. Damit komme zum Ausdruck, daß weitere, über die ab 1. Juli 1967 geltende VO Nr. 120/67 hinausgehende Erstattungen nicht gewährt würden. § 1 Abs. 1 ErstVOGetrReis beziehe sich dagegen unmittelbar auf Erstattungen nach Art. 19 und 20 der aufgehobenen VO Nr. 19/62. Die ErstVOGetrReis habe daher weder vollen Umfangs noch teilweise fortgelten können. Nach § 2 Abs. 1 ErstVOGSEGF könnten darüber hinaus Erstattungen nur für aus dem freien Verkehr des Zollgebiets ausgeführte Waren gewährt werden. Damit seien aus einem aktiven Veredelungsverkehr ausgeführte Waren von vornherein von der Erstattungsregelung ausgeschlossen. Die ErstVOGSEGF habe damit neues Recht für das Erstattungsverfahren gesetzt, so daß die ErstVOGetrReis in vollem Umfang weggefallen sei. Das habe das FG verkannt Darauf, daß die ErstVOGSEGF nur eine Barerstattung, die ErstVOGetrReis aber sowohl eine Barerstattung als auch andere Formen der Erstattung vorgesehen habe, komme es für die Entscheidung, ob letztere Verordnung über den 1. Juli 1967 hinaus gegolten habe, nicht an.
Die Argumentation, die ErstVOGetrReis habe fortgegolten, weil in Art. 17 der Verordnung (EWG) Nr. 360/67 (VO Nr. 360/67) des Rates vom 25. Juli 1967 (ABlEG Nr. 174/13 vom 31. Juli 1967) der aktive Veredelungsverkehr behandelt werde, sei im Ansatz falsch. Die Nichterwähnung des aktiven Veredelungsverkehrs in der ErstVOGSEGF bedeute nicht wie das FG Hamburg offenbar meine, daß damit die Bewilligung aktiver Veredelungsverkehre ausgeschlossen sei.
Es treffe auch nicht zu, daß die Änderung der Rechtslage aus der ErstVOGSEGF weder ersichtlich noch vorhersehbar gewesen sei. Das ergebe schon ein Vergleich der §§ 1 und 2 ErstVOGetrReis mit den §§ 1 und 2 ErstVOGSEGF. Dies sei insbesondere für eine auf den Getreideaußenhandel spezialisierte Firma erkennbar gewesen, zumal durch eine Bekanntmachung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (BML) im Bundesanzeiger (BAnz) Nr. 120 vom 1. Juli 1967 ausdrücklich auf das Außerkrafttreten der ErstVOGetrReis mit Wirkung vom 1. Juli 1967 hingewiesen worden sei. Wie der BFH in BFHE 106, 156 [160 f.] ausgeführt habe, sei der Wegfall der ErstVOGetrReis auch vorhersehbar gewesen.
Das HZA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die Einwendungen des HZA für unbegründet und führt aus: Nach einem allgemeinen Verfassungsgrundsatz werde der Rechtsbestand einer Rechtsverordnung nicht durch den nachträglichen Wegfall der sie tragenden Ermächtigungsvorschrift berührt Darüber hinaus lasse sich aus § 5 DurchfG EWG-GRSEG nicht der dem Gesetzgeber vom HZA unterstellte Wille entnehmen, die ErstVOGetrReis durch eine umfassende neue Regelung in Form der ErstVOGSEGF zu ersetzen.
Der Verordnungsgeber habe in der ErstVOGSEGF lediglich einen Teil der Erstattung, nämlich die Barerstattung, abweichend von der ErstVOGetrReis geregelt. Die in den §§ 1 Abs. 5 und 4 Abs. 5 ErstVOGetrReis für den aktiven Veredelungsverkehr geregelte Erstattung habe er nicht neu geregelt. Daß neben der in der ErstVOGSEGF geregelten Barerstattung auch andere Formen der Erstattung nach Inkrafttreten der VO Nr. 120/67 möglich gewesen seien, ergebe sich aus Art. 16 und 17 der letztgenannten Verordnung und aus Art. 17 VO Nr. 360/67.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Der erkennende Senat hat sich bereits in seinem Urteil in BFHE 106, 156 mit den auch im vorliegenden Verfahren auftretenden Rechtsfragen ausführlich befaßt und entschieden, daß die in der ErstVOGetrReis geregelte Abschöpfungsfreiheit für im aktiven Veredelungsverkehr anfallende Nebenerzeugnisse und Abfälle mit dem Inkrafttreten der ErstVOGSEGF weggefallen ist, ohne daß es einer ausdrücklichen Aufhebung dieser Regelung bedurfte. Er hält auch nach Überprüfung der abweichenden Rechtsauffassung des FG und der Klägerin an dieser Entscheidung fest. Dafür sind folgende Gesichtspunkte maßgebend:
Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, wird eine Rechtsnorm auch ohne formelle Aufhebung dann gegenstandslos (und tritt damit außer Kraft), wenn später ergangenes Recht die gleiche Materie neu regelt. Daß diese Voraussetzungen im Streitfalle vorliegen, hat der Senat in Abs. 1 der Entscheidungsgründe seines Urteils in BFHE 106, 156 [159/160] bejaht. Der Auffassung des FG, es müsse angenommen werden, daß die ErstVOGSEGF, da sie lediglich die Barerstattung regele und nicht auch Vorschriften über die Erstattung bei einer Freigutveredelung im Rahmen eines aktiven Veredelungsverkehrs enthalte, die für den letzteren Fall vorgesehene Regelung der §§ 1 Abs. 5 und 4 Abs. 5 ErstVOGetrReis nicht außer Kraft gesetzt habe, kann nicht gefolgt werden.
Die Ablösung der VO Nr. 19/62, die den Mitgliedstaaten freistellte, Ausfuhrerstattungen zu gewähren (vgl. Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften – EGH –, Rs. 6/71, EGHE 1971, 823), durch die VO Nr. 120/67, nach der die Mitgliedstaaten verpflichtet waren, die von der Kommission für den Handel mit dritten Ländern festgesetzten Barerstattungen zu gewähren (vgl. Art. 16 der genannten Verordnung), bedeutete notwendigerweise, daß auch die nationalen Erstattungsvorschriften an diese Neuregelung angepaßt werden mußten. In der ErstVOGetrReis konnte die Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) neben der Gewährung der Erstattung in Form der Barerstattung bei Ausfuhren nach Mitgliedstaaten (§ 4 Abs. 1), ohne gegen die VO Nr. 19/62 zu verstoßen, bei Ausfuhren nach dritten Ländern Erstattungen auch in der Form gewähren, daß die abschöpfungsfreie Einfuhr von Getreide genehmigt wurde (§ 4 Abs. 2). Die Bundesrepublik hat daneben Erstattungen auch für Waren gewährt, die aus einem aktiven Veredelungsverkehr ausgeführt wurden (§ 1 Abs. 5 ErstVOGetrReis). Für diesen Fall wurde die Erstattung gemäß § 4 Abs. 5 ErstVOGetrReis in der Form gewährt, daß die im aktiven Veredelungsverkehr anfallenden Nebenerzeugnisse und Abfälle abschöpfungsfrei blieben. Diese Form der Ausfuhrerstattung bestand also (bei Freigutveredelung) in einer Abweichung von § 50 Abs. 2 Satz 2 ZG a. F. i. V. m. § 4 Abs. 5 AbG, wonach eine Zoll- bzw. Abschöpfungsschuld für Nebenerzeugnisse und Abfälle, die bei der Veredelung der freigegebenen Waren entstanden wären, entsteht (während das veredelte und ausgeführte Gut abschöpfungsfrei bleibt). Da nach Art. 16 VO Nr. 120/67 Ausfuhrerstattungen bei Ausfuhren nach Drittländern nur noch in Form von Barerstattungen gewährt werden durften und den Mitgliedstaaten keine Befugnisse mehr zustanden, Ausfuhrerstattungen in anderer Form zu gewähren, liegt es auf der Hand, daß die auf § 5 Nr. 1 DurchfG EWG-GRSEG beruhende ErstVOGSEGF keine Vorschriften über die Gewährung der Ausfuhrerstattung in der Form enthalten konnte, daß im aktiven Veredelungsverkehr anfallende Nebenerzeugnisse und Abfälle abschöpfungsfrei blieben.
Der Wortlaut der §§ 1 und 2 ErstVOGSEGF trägt der sich aus der VO Nr. 120/67 ergebenden neuen Rechtslage auch klar erkennbar Rechnung. In § 1 ErstVOGSEGF ist bestimmt, daß Ausfuhrerstattungen, die der Rat oder die Kommission der EWG im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisationen u. a. für Getreide festgesetzt hat, nach dieser Verordnung gewährt werden, soweit nicht in den Verordnungen des Rates oder der Kommission etwas anderes bestimmt ist. Nach § 2 Abs. 1 ErstVOGSEGF werden Erstattungen für die Ausfuhr von Waren nach dritten Ländern gewährt, die aus dem freien Verkehr des Zollgebietes stammen. Damit war klargestellt, daß es bei der Ausfuhr von im aktiven Veredelungsverkehr befindlichen Waren, und zwar auch bei Freigutveredelung (vgl. § 50 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. § 5 Abs. 5 Nr. 2 ZG a. F.), keine Ausfuhrerstattung mehr gab und daß damit § 4 Abs. 5 ErstVOGetrReis gegenstandslos geworden war.
Da nach Art. 16 VO Nr. 120/67 bei der Ausfuhr nach Drittländern nur noch Barerstattungen gewährt werden konnten, und da die ErstVOGSEGF in ihrem § 1 auf diese Regelung ausdrücklich Bezug genommen hat, stand jedenfalls für den hier maßgebenden Zeitpunkt kurz nach dem Inkrafttreten der genannten gesetzlichen Regelungen fest, daß andere Formen der Ausfuhrerstattungen, also auch die der Abschöpfungsfreiheit von im aktiven Veredelungsverkehr anfallenden Nebenerzeugnissen und Abfällen, ausgeschlossen waren. Damit aber war die in der ErstVOGetrReis vorgesehene Erstattung in dieser Form gegenstandslos geworden. Wie der Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 106, 156 entschieden hat, mußte die theoretische Möglichkeit einer etwa in späterer Zeit wiedereröffneten Möglichkeit der abschöpfungsfreien Einfuhr von Getreide (und zwar im Rahmen einer Erstattungsregelung und nicht einer Regelung des aktiven Veredelungsverkehrs) deshalb ausscheiden.
Fehl geht auch der Hinweis der Klägerin, aus Art. 16 und 17 VO Nr. 120/67 und Art. 17 VO Nr. 360/67 ergebe sich, daß neben der in der ErstVOGSEGF vorgesehenen Barerstattung auch andere Formen der Erstattung möglich gewesen seien. Mit der Frage der Ausfuhrerstattung befaßt sich die VO Nr. 120/67 in ihrem Titel II (Regelung für den Handel mit dritten Ländern) nur in Art. 16; Art. 17 VO Nr. 120/67 und Art. 17 VO Nr. 360/67 haben nichts mit der Gewährung von Ausfuhrerstattungen zu tun, sondern befassen sich mit der völlig anderen Frage, ob überhaupt, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen in Ergänzung zu dem System der Intervention, der Abschöpfung und der Erstattung (vgl. Abs. 11 und 12 der Erwägungsgründe der VO Nr. 120/67) die Inanspruchnahme eines aktiven Veredelungsverkehrs in Frage kommt. Soweit er durch die genannten Vorschriften zugelassen worden ist, kommt nur Abschöpfungsfreiheit im Rahmen der in Art. 17 VO Nr. 360/67 vorgesehenen Regelung in Betracht. Durch diese Regelung wurde, wie der Senat bereits in seinem Urteil in BFHE 106, 156 dargelegt hat, lediglich sichergestellt, daß die bei der Einfuhr des Grunderzeugnisses im Rahmen des aktiven Veredelungsverkehrs sich ergebende Abschöpfungsfreiheit für das ausgeführte Veredelungsgut nicht größer als die bei der Ausfuhr des veredelten (und aus im freien Verkehr befindlichen Waren hergestellten) Erzeugnisses zu gewährenden Erstattung ist. Eine Ausfuhrerstattung für im aktiven Veredelungsverkehr angefallene Nebenerzeugnisse und Abfälle sieht Art. 17 VO Nr. 360/67 nicht vor.
Die Klägerin kann sich zur Begründung ihrer Auffassung, daß die in den §§ 1 Abs. 5 und 4 Abs. 5 ErstVOGetrReis getroffene Regelung der Gewährung der Ausfuhrerstattung im aktiven Veredelungsverkehr durch das Inkrafttreten der ErstVOGSEGF nicht gegenstandslos geworden sei, nicht darauf berufen, daß § 18 der Erstattungsverordnung Getreide, Reis, Schweinefleisch, Eier, Geflügelfleisch und Fette vom 24. Januar 1968 – ErstVOGRSEGF – (BAnz Nr. 18 vom 26. Januar 1968, BZBl 1968, 86) die ErstVOGSEGF vom 26. Juli 1967 und § 11 ErstVOGetrReis vom 24. November 1964 die ErstVOGetr vom 5. August 1964 ausdrücklich außer Kraft gesetzt haben. Der Verordnungsgeber hat hier zwar etwas getan, was er zweckmäßigerweise auch in der ErstVOGSEGF vom 26. Juli 1967 hätte tun sollen. Daß er es möglicherweise vergessen hat, hat aus folgenden Gründen keine Bedeutung und kann daher die Auffassung der Klägerin, die alte Erstattungsregelung der §§ 1 Abs. 5 und 4 Abs. 5 ErstVOGetrReis gelte weiter, nicht stützen: Die ErstVOGetr vom 5. August 1964 ist ebenso wie die ErstVOGetrReis vom 24. November 1964 aufgrund des § 8 DurchfG EWG-Getr bzw. aufgrund des § 4 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 16/64/EWG (Reis) des Rates der EWG (BZBl 1964, 844, BGBl I 1964, 633) ergangen. Beide nationalen Erstattungsverordnungen hatten damit dieselben Rechtsgrundlagen. Ebenso verhält es sich mit der ErstVOGSEGF vom 26. Juli 1967 und der ErstVOGRSEGF vom 24. Januar 1968. Sie beruhten auf § 5 Nr. 1 i. V. m. § 10 Abs. 1 DurchfG EWG-GRSEG, das u. a. der Durchführung der VO Nr. 19/62 diente. Trat aber bei dem Inkrafttreten der ErstVOGetrReis vom 24. November 1964 bzw. der ErstVOGRSEGF vom 24. Januar 1968 gegenüber der vorher ergangenen ErstVOGetr vom 5. August 1964 bzw. der ErstVOGSEGF vom 26. Juli 1967 keine Änderung in den Rechtsgrundlagen ein, so lag für den Verordnungsgeber zur Klarstellung nahe, die die gleiche Materie regelnden älteren Erstattungsverordnungen aufzuheben. Anders liegen die Dinge im Verhältnis der ErstVOGetrReis vom 24. November 1964 zur ErstVOGSEGF vom 26. Juli 1967. Mit der Aufhebung der VO Nr. 19/62 durch Art. 33 VO Nr. 120/67 und damit auch der die Ausfuhrerstattung regelnden Art. 19 Abs. 2 und 20 Abs. 2 VO Nr. 19/62 waren sowohl § 8 DurchfG EWG-Getr als auch die ErstVOGetrReis gegenstandslos geworden. Die ErstVOGSEGF beruhte, wie bereits aufgeführt, auf anderen Rechtsgrundlagen und regelte das Erstattungsrecht entsprechend diesen neuen Grundlagen.
Die vorstehenden Rechtsausführungen finden im übrigen letztlich ihre Rechtfertigung im Vorrang des Gemeinschaftsrechts. Die VO Nr. 120/67 und damit auch deren Art. 16, nach dem Ausfuhrerstattungen nur noch in Form der Barerstattung gewährt werden durften, sind in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Entgegenstehende nationale Erstattungsregelungen nach altem Recht konnten daher auch ohne förmliche Aufhebung nicht mehr angewandt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 510431 |
BFHE 1981, 361 |