Entscheidungsstichwort (Thema)

Einzahlungen in den Organisationsfonds einer Versicherungs-AG sind gesellschaftsteuerpflichtig

 

Leitsatz (NV)

Einzahlungen der Gesellschafter einer Versicherungs-AG in den nach § 5 Abs. 5 Nr. 3 VAG nachzuweisenden Organisationsfonds sind gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972 gesellschaftsteuerpflichtige Leistungen.

 

Normenkette

KVStG 1972 § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a; VAG § 5 Abs. 5 Nr. 3, § 53c Abs. 3

 

Verfahrensgang

FG des Saarlandes

 

Tatbestand

Die Aktionäre der Klägerin, einer Versicherungs-AG, zahlten in den Jahren 1979 und 1980 insgesamt . . . DM und in 1983 weitere . . . DM in einen sog. Organisationsfonds der Klägerin ein, dessen Errichtung das Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) gemäß § 5 Abs. 5 Nr. 3 VAG verlangt hatte. Das FA sah hierin einen gesellschaftsteuerpflichtigen Zuschuß i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972. Das FG wies die Klage ab. Sein Urteil ist in EFG 1990, 593, veröffentlicht.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Die Vorentscheidung leidet an keinem Verfahrensfehler. Die insoweit von der Klägerin erhobene Rüge greift nicht durch. Dies bedarf keiner weiteren Begründung (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG -).

2. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Einzahlungen der Aktionäre der Klägerin in den sog. Organisationsfonds der Gesellschaftsteuer unterliegen. Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 12. Dezember 1990 I R 22/89 (BFHE 163, 492, BStBl II 1991, 468) entschieden, daß die Einzahlungen der Gesellschafter einer Versicherungsgesellschaft in einen sog. Organisationsfonds der Gesellschaft gesellschaftsteuerpflichtige Zuschüsse i. S. des § 2 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a KVStG 1972 sind. Dies gilt schon deshalb, weil § 5 Abs. 5 Nr. 3 VAG keine rechtliche (gesetzliche) Einzahlungsverpflichtung der Gesellschafter begründet. Die Vorschrift regelt nur die Anforderungen zur Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb eines Versicherungsunternehmens. Sie stellt es jedoch dem betroffenen Versicherungsunternehmen frei, woher es sich die Mittel für den nachzuweisenden Organisationsfonds verschafft. Dies hat die Klägerin in ihrer Revisionsbegründung selbst vorgetragen (Nr. II. 6, S. 5). Für die Gesellschafter ergibt sich eine Einzahlungsverpflichtung regelmäßig auch nicht aus dem Gesellschaftsvertrag. Sollte im Streitfall ausnahmsweise etwas anderes gelten, würde sich die Steuerbarkeit der Einzahlungen aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 KVStG 1972 ergeben. Zwecks Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe vom 12. Dezember 1990 I R 22/89 Bezug genommen.

3. Die Einzahlungen der Aktionäre der Klägerin in den Organisationsfonds waren auch geeignet, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen. Zur Begründung wird wiederum auf die Entscheidungsgründe des Urteils vom 12. Dezember 1990 I R 22/89 Bezug genommen.

4. Das FG hat auch zutreffend § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KVStG 1972 auf den Streitfall nicht angewendet. Der erkennende Senat hat durch Urteil vom 12. September 1990 I R 60/86 (BFHE 162, 474) entschieden, daß es für die Ermittlung der Überschuldung einer inländischen Kapitalgesellschaft i. S. des § 9 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a KVStG 1959 auf den Zeitpunkt abzustellen ist, in dem der Anspruch auf die Deckung der Überschuldung entsteht. Der Senat nimmt auf das genannte Urteil Bezug. Die dort vertretene Rechtsauffassung gilt für die Anwendung des § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 KVStG 1972 entsprechend. Sie ist auch für die Ermittlung eines Verlustes am gezeichneten Kapital heranzuziehen. Sie erklärt sich aus der Überlegung, daß die Leistung zur Deckung einer Überschuldung der Kapitalgesellschaft erforderlich sein muß, d. h., sie muß nicht nur geeignet, sondern auch dazu bestimmt sein, eine Überschuldung abzudecken. Daran fehlt es im Streitfall. Zwar dienten die Einzahlungen dem Zweck, die Gemeinschaft der Versicherten vor Schaden zu bewahren, der dadurch eintreten könnte, daß als Folge von Anlaufverlusten die Ansprüche von Versicherungsnehmern nicht erfüllt werden könnten. Jedoch ist dieser Zweck nur prophylaktischer Natur. Die Einzahlungen in den Organisationsfonds setzten weder eine Überschuldung der Klägerin noch einen teilweisen Verlust ihres Stammkapitals voraus. Es war auch nicht erforderlich, daß Anlaufverluste zu irgendeinem Zeitpunkt entstehen. Damit waren aber die Einzahlungen nicht dazu bestimmt, eine Überschuldung abzudecken. Vielmehr sollten sie lediglich die Voraussetzungen für die Erlaubnis zum Betrieb eines Versicherungsunternehmens schaffen. Dies gilt auch dann, wenn im Einzelfall die Einzahlungen tatsächlich zur Abdeckung einer Überschuldung verwendet worden sein sollten.

5. Der erkennende Senat hält an der in beiden genannten Entscheidungen vertretenen Rechtsauffassung fest. Die Vorentscheidung steht mit dieser Rechtsauffassung in Einklang. Sie verletzt deshalb kein Bundesrecht. Entsprechend war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 417653

BFH/NV 1991, 766

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