Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der außergewöhnlichen Belastung durch Unterhalt der geschiedenen Ehefrau.

 

Normenkette

EStG § 33

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Unterhaltszahlungen an die geschiedene Ehefrau bei der Berechnung der Steuerermäßigung nach § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in voller Höhe zu berücksichtigen sind.

Der Beschwerdeführer (Bf.) ist von seiner ersten Ehefrau schuldig geschieden; er hat wieder geheiratet. Vor der Ehescheidung hat er sich durch Vertrag vom 31. Mai 1948 verpflichtet, seiner geschiedenen Ehefrau einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 1/3 seines jeweiligen Einkommens nach Abzug der darauf entfallenden Steuern zu zahlen. Der Bf. erklärte für II/1948 ein Einkommen von 5.538 DM, für 1949 ein Einkommen von 30.193 DM. Seiner geschiedenen Ehefrau zahlte er im zweiten Kalenderhalbjahr 1948 1.904 DM, im Jahre 1949 4.495 DM. Er beantragte Steuerermäßigung gemäß § 33 EStG wegen Kriegsdienstbeschädigung, wegen Krankheitskosten (für II/1948) und wegen Unterhaltsleistung an die geschiedene Ehefrau. Er machte geltend, daß der Unterhaltsbetrag an die geschiedene Ehefrau in voller Höhe als steuerbegünstigt zu behandeln sei. Das Finanzamt berechnete den überbelastungsbetrag (ß 22 Absatz 3 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDVO - 1948, § 51 Absatz 4 EStDVO 1949) für II/1948 auf 2.137 DM, für 1949 auf 360 DM und zog diese Beträge für die Berechnung der Einkommensteuer vom Einkommen ab. Es setzte die Einkommensteuer für II/1948 auf 635 DM, für 1949 auf 15.138 DM fest. Bei der Berechnung der überbelastung für die Unterhaltszahlung an die geschiedene Ehefrau setzte es nicht die vom Bf. tatsächlich gezahlten Beträge, sondern 100 DM monatlich an. Dagegen wendet sich der Bf. Er vertritt den Standpunkt, daß die Beschränkung des abzugsfähigen Betrages auf 100 DM monatlich unzulässig sei. In dem Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs III 36/48 vom 11. September 1948 (Steuer und Wirtschaft - StW - 1950 Teil II Nr. 3) sei ausgesprochen, daß Unterhaltsbeträge bis zur Höhe des Betrages, den das Gericht bei einer Klage voraussichtlich festsetzen würde, als steuerbegünstigt nach § 33 EStG zu behandeln seien.

Das Finanzgericht hat sich dem Standpunkte des Finanzamts angeschlossen. Es hat die Einkommensteuer 1949 auf 15.354 DM berichtigt, weil das Finanzamt bei der Veranlagung die erklärten Einkünfte als Kapitalvermögen versehentlich von den Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit abgezogen hat.

Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) beantragt der Bf. Berechnung der Steuerermäßigung gemäß § 33 EStG in der Weise, daß die von ihm an seine geschiedene Ehefrau gezahlten Unterhaltsbeträge in voller Höhe angesetzt werden und der nach Abzug der zumutbaren Belastungen verbleibende Betrag vom Einkommen abgezogen wird. Die in dem Abschnitt 210 Absatz 1 Ziffer 2 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) 1949 getroffene Regelung, wonach als Unterhaltsleistung nur ein Betrag von 100 DM monatlich anzusetzen sei, stelle eine dem Gesetz widersprechende Typisierung dar. Der Bf. hat dem Finanzgericht ein Versäumnisurteil des Amtsgerichts vorgelegt, wonach er ab 1. April 1951 zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von 357 DM an seine geschiedene Ehefrau verurteilt ist.

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. kann keinen Erfolg haben.

Nach der im Einkommensteuergesetz getroffenen Regelung kann ein geschiedener Ehemann die Unterhaltszahlungen an seine geschiedene Ehefrau von seinem Einkommen nicht abziehen (ß 12 Ziffer 2 EStG). Andererseits braucht die unterhaltsberechtigte, geschiedene Ehefrau die Unterhaltszahlungen nicht als ihr Einkommen zu versteuern, wenn der geschiedenen Ehemann unbeschränkt steuerpflichtig ist (ß 22 Ziff. 1 Buchstabe c EStG). Von dieser gesetzlichen Regelung ist auszugehen; sie kann nicht auf dem Wege über die Härtevorschrift des § 33 EStG in ihr Gegenteil verkehrt werden. Der § 33 EStG dient lediglich dazu, Härten, die sich im einzelnen Falle ergeben, auszugleichen oder abzuschwächen.

Die Vorbehörden haben die Unterhaltsleistungen an die geschiedene Ehefrau beim Bf. als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG anerkannt, weil der Bf. sich wieder verheiratet hat. Sie haben auch die Zwangsläufigkeit der Unterhaltszahlungen bejaht (vgl. § 58 des Ehegesetzes vom 20. Februar 1946, Kontrollratsgesetz - KontrRG - Nr. 16). Der Senat schließt sich der Auffassung der Vorbehörden an, daß bei dem Bf. die Voraussetzungen für die Anwendung des § 33 EStG dem Grunde nach vorliegen.

Was die Höhe des als Unterhaltsleistung für die geschiedene Ehefrau gemäß § 33 EStG beim Bf. zu berücksichtigenden Betrages betrifft, so weist das Finanzgericht darauf hin, daß das Einkommensteuergesetz für die Ehefrau einen Freibetrag von 600 DM jährlich vorsieht. Die Zulassung eines unbeschränkten Abzuges von Unterhaltsleistungen an eine geschiedene Ehefrau würde bei Steuerpflichtigen (Stpfln.) mit höherem Einkommen geradezu eine steuerliche Prämierung von Ehescheidungen bedeuten. Der § 33 EStG könne im einzelnen Falle nur angewandt werden, wenn die Nichtabzugsfähigkeit der Unterhaltskosten auch bei einer dem Stpfl. billigerweise zuzumutenden Einschränkung seiner Lebenshaltung eine Härte darstellte. Bei den Einkommensverhältnissen des Bf. werde der standesgemäße Unterhalt durch die Zahlung an die geschiedene Ehefrau nicht gefährdet. Der vom Bf. gezahlte Unterhaltsbeitrag könne nur in Höhe von monatlich 100 DM nach § 33 EStG angesetzt werden.

Der Senat tritt dem Standpunkte des Finanzgerichts im Ergebnis bei. Nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, des Obersten Finanzgerichtshofs und auch des Bundesfinanzhofs ist für die Anwendung des § 33 EStG zu prüfen, ob die Aufwendungen des Verpflichteten bei Unterhaltsgewährung angemessen und notwendig sind. Im § 46 Absatz 1 Ziffer 4 EStG ist für die Lohnsteuer bestimmt, daß bei außergewöhnlicher Belastung "ein vom Finanzamt zu bestimmender Betrag" vom Arbeitslohn abzuziehen ist. Dieser Grundsatz gilt entsprechend auch für die veranlagte Einkommensteuer. Das Finanzamt hat danach zu bestimmen, welcher Betrag als außergewöhnliche, zwangsläufige Belastung anzusehen ist. Bei der Entscheidung, inwieweit Unterhaltszahlungen an eine geschiedene Ehefrau eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG rechtfertigen, ist das Finanzgericht nicht an die tatsächlichen Zahlungen des Unterhaltsverpflichteten gebunden. Es kann vielmehr davon ausgehen, daß ein Teil der gesamten Unterhaltszahlungen der privaten Sphäre des Stpfl. zuzurechnen ist und für diesen Teil die Vergünstigung des § 33 EStG versagen. Die Abgrenzung ist nur im Wege der Schätzung möglich. Das Finanzgericht hat im vorliegenden Falle den Betrag, der als außergewöhnliche, zwangsläufige Belastung gemäß § 33 EStG beim Bf. zu berücksichtigen ist, auf 100 DM monatlich, vermindert um die zumutbare Belastung (ß 51 Absatz 3 EStDVO 1949) geschätzt. Diese Schätzung entspricht der Sach- und Rechtslage.

Es ist richtig, daß in dem Urteil des Obersten Finanzgerichtshofs III 36/48 vom 11. September 1948 gesagt ist: "In der Regel wird die durch gerichtliche Entscheidung festgesetzte Unterhaltsrente des schuldig geschiedenen Mannes an die geschiedene Frau in voller Höhe als zwangsläufig anzusehen sein. Ist aber die Unterhaltsrente - wie hier- im Wege des Vergleiches zwischen den Scheidungsparteien oder durch formlose mündliche Vereinbarung bestimmt, so ist entsprechend eine außergewöhnliche Belastung nur bis zur Höhe des Betrages anzusetzen, den das Gericht im Falle der Klage der geschiedenen Frau voraussichtlich als Unterhaltsrente festsetzen würde". Die hier zum Ausdruck gebrachte Auffassung führt dazu, daß die an die geschiedenen Ehefrauen gezahlten Unterhaltsbeträge nach § 33 EStG unter Umständen verschieden hoch zu berücksichtigen wären, je nachdem sie in einem Gerichtsurteil festgesetzt wurden oder ohne ein solches Urteil. Der Senat glaubt, diesen Standpunkt des Reichsfinanzhofs (zu vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 1833/29 vom 29. Januar 1930, Reichssteuerblatt 1930 S. 266) und des Obersten Finanzgerichtshofs nicht aufrechterhalten zu können.

Die Rb. muß danach als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407393

BStBl III 1952, 135

BFHE 1953, 346

BFHE 56, 346

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