Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Für die Hinzurechnung von Dauerschulden kommt es nicht darauf an, ob die Schulden mit oder ohne Willen des Gläubigers oder des Schuldners entstanden sind, ob sie das Betriebsvermögen erhöht oder nur dessen Verminderung verhindert haben, ob die Gegenwerte am Stichtage noch vorhanden und ob die Schulden verzinslich sind.
Normenkette
GewStG § 12 Abs. 2 Ziff. 1
Tatbestand
Streitig ist bei der Berechnung des Gewerbekapitals die Hinzurechnung von Lizenzgebühren als Dauerschulden.
Der Beschwerdeführer (Bf.) hat auf Grund eines Vertrages an die Firma X. für die überlassung des alleinigen Vertriebsrechts von Parfümerie-Konzentraten Vergütungen zu zahlen, die als Lizenzen bezeichnet wurden. Wie im vorliegenden Verfahren unstreitig ist, handelt es sich hierbei nicht um Zahlungen für die Benutzung eines Geheimrezeptes.
An derartigen Lizenzen schuldete der Bf. ------ am 31. Dezember 1950 ----------- 48.540 DM, ------ am 31. Dezember 1951 ----------- 85.199 DM, ------ am 31. Dezember 1952 ----------- 122.105 DM.Eine Verzinsung der Rückstände erfolgte nicht.
Das Finanzamt hat die Gebührenrückstände mit den jeweiligen Anfangswerten des Jahres als Dauerschulden im Sinne des § 12 Abs. 2 Ziff. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) angesehen und zur Berechnung des Gewerbekapitals dem Einheitswert des gewerblichen Betriebes für 1951 48.540 DM und für 1953 122.105 DM, die bei der Feststellung des Einheitswertes abgezogen waren, wieder hinzugerechnet.
Mit der Sprungberufung machte der Bf. geltend, die sogenannten Lizenzverpflichtungen stellten keine Dauerschulden im Sinne des § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG dar. Denn weder habe die Firma einen Kredit gewähren, noch habe er, der Bf., durch die Nichtzahlung der Gebühren das Betriebskapital verstärken wollen. Es fehle weiter an der Aufnahme einer Schuld und auch an einer Verzinsung, so daß die Verbindung zu § 8 Ziff. 1 GewStG nicht bestehe; außerdem fehle es auch an der Obligation des Schuldverhältnisses, weil Nachlässe bei Leistungsverhältnissen häufig seien.
Die Berufung blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führte das Finanzgericht aus, die Verbindlichkeiten aus den Lizenzen stellten Schulden dar. Für die Anwendung des § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG sei es gleichgültig, ob die Schuld mit oder ohne Willen des Gläubigers aufgenommen oder entstanden sei. Es komme auch nicht darauf an, ob der Schuldner durch die Nichtzahlung der Schulden das Betriebskapital verstärken wolle, sondern entscheidend sei, ob dies tatsächlich geschehe. Beim Bf. arbeiteten die zurückbehaltenen Lizenzgebühren in mehr als einjähriger Dauer im Betrieb. Der Bf. halte sogar selbst einen Teil der Lizenzgebühren als überhöht für erlaßfähig und wolle daher diese Beträge nicht als fremde, sondern als eigene Betriebsmittel ansehen. Für Dauerschulden im Sinne des § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG sei die Zahlung von Zinsen trotz der Verweisung auf § 8 Ziff. 1 GewStG kein Erfordernis, da die Bezugnahme nur eine nochmalige Begriffsbestimmung der Dauerschulden usw. vermeide. Sofern Dauerschulden nicht zu verzinsen seien, entfalle eine Hinzurechnung nach § 8 Ziff. 1 GewStG, nicht aber die Hinzurechnung zum Kapital nach § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG. So erfüllten die Lizenzverbindlichkeiten alle Voraussetzungen einer Dauerschuld.
Mit der Rechtsbeschwerde macht der Bf. geltend, daß eine Schuld nur dann dem Gewerbekapital hinzugerechnet werden dürfe, wenn ohne ihre Entstehung der wirtschaftliche Erfolg des Betriebes nicht denkbar wäre, wobei das Motiv der Schuldaufnahme berücksichtigt werden müsse. Es liege keine Verstärkung des Betriebskapitals vor, wenn ein Unternehmen aus Mangel an flüssigen Mitteln Betriebskosten schuldig bleibe. Es kämen vielmehr nur solche Dauerschulden für die Hinzurechnung in Frage, die mit dem Betriebserwerb, einer Betriebserweiterung oder einer Kapitalverstärkung als Motiv im Zusammenhang stünden. Der dritte Tatbestand sei selbständig und umfasse entgegen den Gewerbesteuer-Richtlinien (GewStR) 1951 Abschn. 47 nicht die anderen Tatbestände des § 8 Ziff. 1 GewStG, wie aus einem Vergleich mit § 8 Ziff. 2 und 3 GewStG hervorgehe, wo dieser dritte Tatbestand nicht angeführt sei. Der positive Charakter der hinzurechnungspflichtigen Verbindlichkeiten ergebe sich schließlich aus der Bezugnahme auf die Zinsen des § 8 Ziff. 1 GewStG, da insbesondere eine positive Kreditaufnahme in der Regel verzinslich sei.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Der Begriff der Dauerschulden ist in § 8 Ziff. 1 und in § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG der gleiche. Es ist entgegen der Auffassung des Bf. nicht von Bedeutung, ob bei der Begriffsbestimmung in § 8 Ziff. 1 GewStG die beiden ersten Tatbestände nur Beispiele für den allgemeinen Tatbestand "Schulden, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen" (siehe GewStR 1951 Abschn. 47) sind, da in jedem Falle die nicht nur vorübergehende Stärkung des Betriebskapitals auch ein den beiden anderen Tatbeständen innewohnendes Wesensmerkmal ist. Es spielt hierbei keine Rolle, ob die Schulden mit oder ohne Willen des Gläubigers oder Schuldners entstanden und ob sie im gegenseitigen Einverständnis der Beteiligten "aufgenommen" sind, sondern es kommt objektiv nur darauf an, daß der Gegenwert das Betriebskapital verstärkt hat (vgl. Lenski-Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 1957, § 8 Ziff. 1 Anm. 3). Die Verstärkung des Betriebskapitals kann nicht nur in der Erhöhung, Ergänzung oder Wiederherstellung des Betriebskapitals durch Zuführung von Werten, die im übrigen am Stichtag gar nicht mehr vorhanden zu sein brauchen, bestehen, sondern Dauerschulden können auch dadurch entstehen, daß die Herausnahme von Werten aus dem Betrieb und damit eine Verringerung des Betriebskapitals durch Unterlassung von Zahlungen vermieden wird. In diesem Sinne hat bereits der Reichsfinanzhof in dem Urteil VI 108/39 vom 22. Februar 1939 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1939 S. 702) ausgesprochen, daß auch aufgelaufene und dem Schuldkapital zugeschlagene Zinsen in der Regel der Verstärkung des Betriebskapitals dienen. Eine entsprechende Sachlage ist hier bei den seit Jahren aufgelaufenen Lizenzgebühren gegeben. Der Bf. war durch die Nichtzahlung in der Lage, die geschuldeten Beträge weiter in seinem Betrieb arbeiten zu lassen. Soweit es ihm gelingen sollte, die Schulden im Verhandlungswege herabzusetzen, wären die Differenzbeträge Eigenkapital, das ebenfalls bis zu einer etwaigen Privatentnahme der Gewerbekapitalsteuer unterliegen würde.
Schließlich ist es für die Annahme von Dauerschulden unerheblich, ob die Schulden verzinslich sind oder nicht. Der Hinweis des § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG auf § 8 Ziff. 1 bis 3 GewStG will nur eine nochmalige Aufzählung der Tatbestände vermeiden, nicht aber die Verzinslichkeit zum Wesensmerkmal einer Dauerschuld machen (siehe Urteil des Reichsfinanzhofs VI 502/39 vom 2. August 1939, Grundwerk zur Steuerrechtsprechung in Karteiform - GW-StRK - III S. 564; Müthling, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz 1954, § 12 Anm. 11; Lenski-Steinberg, § 8 Ziff. 1 Anm. 8; Blümich-Boyens-Steinbring, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 5. Aufl. § 12 Anm. 6). Bei unverzinslichen Dauerschulden entfällt nur eine Hinzurechnung von Zinsen im Sinne des § 8 Ziff. 1 GewStG, da Zinsen nicht gezahlt worden sind.
Da die Höhe der Verbindlichkeiten und ihr Abzug bei der Feststellung des Einheitswertes unstreitig sind, haben die Vorinstanzen die sogenannten Lizenzgebühren zutreffend als nicht nur der vorübergehenden Verstärkung des Gewerbekapitals im Sinne des § 12 Abs. 2 Ziff. 1 in Verbindung mit § 8 Ziff. 1 GewStG dienend dem Einheitswert des gewerblichen Betriebes hinzugerechnet.
Fundstellen
Haufe-Index 408801 |
BStBl III 1957, 287 |
BFHE 1958, 140 |
BFHE 65, 140 |