Leitsatz (amtlich)
1. Der Antragsteller muß im Antrag auf Umsatzsteuervergütung (§ 16 UStG) innerhalb der sechsmonatigen Ausschlußfrist (§§ 75, 80 UStDB) alle diejenigen tatsächlichen Angaben machen, die dem Finanzamt über die Voraussetzungen und den Umfang der erhobenen Vergütungsansprüche Aufschluß geben. Der Vergütungssatz und die Selbsterrechnung der Vergütung rechnen nicht zu den Angaben im Sinne des § 75 Abs. 2 UStDB.
2. Zur Frage der Änderungsmöglichkeit von Vergütungsbescheiden nach Ablauf der Ausschlußfrist des § 75 UStDB.
Normenkette
UStG § 16; UStDB 1951 §§ 75, 80; AO § 204
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Stpfl.) führt Liniermaschinen als Hersteller und Ersatzteile als Händler in das Ausland aus. Für ihren rechtzeitigen Antrag auf Ausfuhrhändlervergütung und Ausfuhrvergütung für das 3. Vierteljahr 1951 hatte sie ein Antragsmuster benutzt, das die nach dem 1. Juli 1951 eingetretene Änderung der Rechtslage noch nicht berücksichtigte. Dementsprechend fehlte in ihrem Antrag die für die Anwendung des Vergütungssatzes nunmehr wesentliche Angabe, ob es sich bei den ausgeführten Gegenständen um Fertigwaren, Halbwaren oder sonstige Gegenstände handelte.
Bei der Selbsterrechnung der Ausfuhrvergütung legte sie anstatt der im Vordruck vorgesehenen 0,75 % 1 % der Bemessungsgrundlage zugrunde, bei der Ausfuhrhändlervergütung anstatt 5 % nur 4 % der Bemessungsgrundlage.
Das Finanzamt wies der Steuerpflichtigen entsprechend einer aus Anlaß der Neuregelung ergangenen Verwaltungsanweisung des Bundesministers der Finanzen zunächst eine Abschlagszahlung von 75 % der beantragten Vergütungen an und machte die Auszahlung des Restbetrages vom Ergebnis noch anzustellender Ermittlungen abhängig. Auf Grund einer erst im September 1952 durchgeführten Prüfung der Vergütungsanträge wurde festgestellt, daß die Stpfl. statt der im Antrag angegebenen 4 % Ausfuhrhändlervergütung nur 3 % zu beanspruchen hatte und anderseits, daß ihr anstatt der im Antrag angegebenen 1 % Ausfuhrvergütung eine solche in Höhe von 2,5 % der Bemessungsgrundlage zugestanden hätte, da sie nicht Halbwaren, sondern Fertigwaren ausgeführt hatte.
Das Finanzamt berücksichtigte in dem Bescheid, mit dem es die restliche Vergütung für das 3. Vierteljahr 1951 anwies, nur zu Ungunsten der Stpfl. die Tatsache, daß die Stpfl. bei der Ausfuhrhändlervergütung unrichtig einen Satz von 4 % statt 3 % zugrunde gelegt hatte. Daß die Stpfl. zu ihrem Nachteil bei der Ausfuhrvergütung anstatt 2,5 % nur 1 % der Bemessungsgrundlage als Vergütung zugrunde gelegt hatte, ließ das Finanzamt unberücksichtigt, weil nach seiner Auffassung der Vergütungssatz nach Ablauf der im § 75 Abs. 1 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1951 bestimmten Ausschlußfrist nicht mehr zugunsten des Antragstellers geändert werden dürfe.
Im Berufungsverfahren hatte die Stpfl. Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts gehören Angaben über den anzuwendenden Vergütungssatz und die Selbsterrechnung der Vergütung nicht zu den Angaben, die vom Antragsteller innerhalb der Ausschlußfrist zu machen sind; das Finanzamt hätte § 204 der Reichsabgabenordnung (AO) beachten müssen.
Entscheidungsgründe
Die gegen die nachträgliche Zubilligung der höheren Ausfuhrvergütung gerichtete Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts ist unbegründet.
Die Vorentscheidung hat zunächst geprüft, ob § 75 Abs. 2 UStDB einer Änderung der Vergütung zugunsten der Antragstellerin entgegensteht, und hat diese Frage aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift heraus verneint. Es trifft zu, daß die Fassung der Vorschriften, wie sie bis zu den UStDB 1934 in Kraft waren, dem Begehren der Stpfl. nicht entgegengestanden hätte, da nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (vgl. Urteil V A 592, 593/29 vom 7. Februar 1930, Reichssteuerblatt -- RStBl -- 1930 S. 390) die Unterlagen für die Bemessung der Ausfuhrvergütung nicht innerhalb der sechsmonatigen Ausschlußfrist (im Zeitpunkt dieses Urteils § 37 Abs. 4 UStDB 1926) beigebracht zu werden brauchten. Diese Rechtsprechung führte dazu, daß manche Unternehmer sich bei der Stellung des Antrages noch innerhalb der Ausschlußfrist alle wesentlichen Angaben vorbehielten. Wegen der verwaltungsmäßigen Schwierigkeiten, die sich daraus ergaben, und weil die Bedeutung der Ausschlußfrist hierdurch überhaupt in Frage gestellt war, ist in den UStDB 1938 die Fassung geändert worden, wie sie unverändert auch noch in den UStDB 1951 enthalten ist (vgl. Herting, Steuer und Wirtschaft 1939 Spalte 111).
Hieraus ergibt sich für eine sinnvolle Auslegung der Vorschrift folgendes: Der Antragsteller muß innerhalb der Ausschlußfrist alle diejenigen tatsächlichen Angaben machen, die das Finanzamt instandsetzen, den Antragsteller zu bescheiden; d. h. das Finanzamt muß durch die Angaben sowohl über die Voraussetzungen als auch über den Umfang der erhobenen Vergütungsansprüche Aufschluß erhalten. Gibt der Antragsteller, wie im Muster vorgesehen, den Vergütungssatz an und errechnet er die Vergütung selbst, so macht er insoweit keine Angaben i. S. dieser Vorschrift. Dies bedeutet, daß das Finanzamt auch noch nach Ablauf der Ausschlußfrist gehalten ist, die Vergütung zugunsten des Antragstellers zu berichtigen, wenn ihm bei der Wahl des Vergütungssatzes oder bei der Ausrechnung des Vergütungsbetrags Fehler zu seinen Ungunsten unterlaufen sind. Denn der das gesamte Steuerrecht beherrschende Grundsatz, wonach die Angaben des Steuerpflichtigen oder eines sonstigen Antragstellers auch zu seinen Gunsten zu prüfen sind, gilt auch für das Vergütungsrecht und sollte, wie sich aus der Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Vorschrift ergibt, keineswegs durch § 75 Abs. 2 UStDB eingeschränkt werden (vgl. auch Becker, Reichsabgabenordnung, 7. Aufl. Anm. 3h zu § 204 und Urteile des Reichsfinanzhofs V A 120/22 vom 23. Mai 1922, Mrozek-Kartei, Reichsabgabenordnung, 1919, § 218 Satz 2 Rechtsspruch 4, Steuer und Wirtschaft 1922, Nr. 719 und Nr. 841 sowie V A 173/34 vom 8. April 1935, RStBl 1935 S. 1212).
Im Streitfalle fehlten allerdings die erforderlichen tatsächlichen Angaben über die Warenart, die erst die richtige Wahl des Vergütungssatzes ermöglichen. Der Rb. ist zuzugeben, daß die Antragstellerin an sich durchaus die Möglichkeit gehabt hätte, die Angaben noch innerhalb der Ausschlußfrist nachzuholen. Der erkennende Senat hat auch wiederholt entschieden, daß es grundsätzlich Sache des Steuerpflichtigen ist, sich um die für die Inanspruchnahme von Vergünstigungen gesetzlich geforderten materiellen und förmlichen Voraussetzungen zu kümmern. Die besonderen Verhältnisse des Streitfalles lassen es jedoch geboten erscheinen, die Belange des Steuerpflichtigen und die der Verwaltung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben abzuwägen. Dabei hätte das Finanzamt berücksichtigen müssen, daß es sich um den ersten Vergütungszeitraum im Anwendungsbereich des neuen Rechtes handelte, das gegenüber früher verschiedene, bisher unbekannte Differenzierungen brachte. Vor allem hat das Finanzamt selbst den Antrag nicht, wie es sonst üblich war, vollständig und endgültig beschieden, sondern nur eine Abschlagszahlung angewiesen, im übrigen sich aber die Prüfung vorbehalten. Bei einer sofortigen Prüfung wäre die Unvollständigkeit des Antrages ohne weiteres, die Unrichtigkeit der gewählten Vergütungssätze wohl auch ohne besondere Ermittlungen zutage getreten, da ein Unternehmen wie das des Stpfl. in der Regel Fertigwaren exportiert. Dem Finanzamt konnte auch bei oberflächlicher Prüfung nicht entgangen sein, daß die Stpfl. noch das alte Muster benutzt hatte. Schließlich hatte das Finanzamt bei der vorläufigen Erledigung des Antrags unter Bezugnahme auf einen Erlaß des Bundesministers der Finanzen der Antragstellerin mitgeteilt, daß die Auszahlung des beantragten Restbetrags vom Ergebnis noch anzustellender Ermittlungen abhängig sei. Unter diesen Umständen kann es der Stpfl. nicht zum Vorwurf gemacht werden, wenn sie der Meinung gewesen sein sollte, eine Ergänzung ihres Antrages erübrige sich, weil ihr ohnehin amtliche Ermittlungen über die Höhe des Vergütungsanspruches schriftlich angekündigt waren. Eine Befürchtung, daß ihr nunmehr noch ein Rechtsnachteil durch Fristablauf drohen könne, brauchte sie bei dem als schwebend behandelten Antrag nicht zu haben. Das Finanzamt hatte die Möglichkeit, den Antrag entweder endgültig zu bescheiden; dann wäre es, wie ausgeführt, zwangsläufig auf die Unvollständigkeit und Unrichtigkeit des Antrags gestoßen. Wählte das Finanzamt die andere Möglichkeit, den Antrag in der Schwebe zu lassen und unter Ankündigung weiterer Ermittlungen zunächst einen Teilbetrag anzuweisen, so verstößt es gegen Treu und Glauben, wenn diese Ermittlungen sodann unter Berufung auf die Ausschlußfrist lediglich zu Ungunsten der Antragstellerin durchgeführt werden; denn es ist anzunehmen, daß dieses positive Verhalten des Finanzamts die Antragstellerin davon abgehalten hat, für das 3. Vierteljahr 1951 weitere Schritte zu unternehmen. Bereits der Antrag für den nächsten Vergütungsantrag ist vollständig auf dem neuen Muster gestellt. Der Vorentscheidung war deshalb, ohne daß es eines Eingehens auf weitere Fragen bedarf, insoweit beizutreten.
Hiernach rechtfertigt sich die Zurückweisung der Rb.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 309 AO.
Fundstellen
BStBl III 1957, 281 |
BFHE 1958, 126 |