Leitsatz (amtlich)
Die Zuführung geringwertiger Wirtschaftsgüter (§ 6 Abs. 2 EStG) zur Verwendung oder Nuztung als Anlagevermögen erfüllt den Tatbestand des Selbstverbrauchs nach § 30 Abs. 2 UStG 1967, wenn die Anschaffungsoder Herstellungskosten wegen fehlender Ordnungsmäßigkeit der Buchführung im Jahr der Anschaffung oder Herstellung nicht voll als Betriebsausgaben abgesetzt werden können.
Normenkette
UStG 1967 § 30 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine OHG - führte im Jahre 1968 verschiedene geringwertige Wirtschaftsgüter der Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen zu. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) erachtete nach einer Betriebsprüfung die Buchführung der Klägerin nicht für ordnungsmäßig und versagte deshalb die Bewertungsfreiheit des § 6 Abs. 2 EStG. Im berichtigten Umsatzsteuerbescheid für 1968 vom 21. Juli 1971 unterwarf das FA die Anschaffungskosten der geringwertigen Wirtschaftsgüter mit 8 v. H. der Selbstverbrauchsteuer. Den Einspruch wies das FA als unbegründet zurück. Die Klage blieb im wesentlichen ohne Erfolg.
Das FG hat zur Begründung seiner Entscheidung insbesondere ausgeführt: Es sei unbestritten, daß die Buchführung der Klägerin nicht ordnungsmäßig gewesen sei. Damit stehe fest, daß die Klägerin die Vergünstigung des § 6 Abs. 2 EStG nicht in Anspruch nehmen könne. Nach der ausdrücklichen Bestimmung des § 30 Abs. 2 UStG 1967 sei der Tatbestand des Selbstverbrauchs verwirklicht, wenn Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungskosten nach den einkommensteuerlichen Vorschriften im Jahr der Anschaffung nicht in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt werden können, der Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen zugeführt werden. Deshalb habe das FA zu Recht Selbstverbrauchsteuer auf die Zuführung der geringwertigen Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen erhoben. Die Ansicht der Klägerin, daß die in § 6 Abs. 2 EStG geforderte Voraussetzung einer ordnungsmäßigen Buchführung nicht auf das Gebiet der Selbstverbrauchsteuer übertragen werden dürfe, sei unzutreffend.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie trägt im wesentlichen vor: Die von § 30 Abs. 2 UStG 1967 geforderte Absetzbarkeit nach einkommensteuerrechtlichen Vorschriften besage bei systemgerechter Gesetzesauslegung nicht, daß sämtliche einkommensteuerrechtlichen Tatbestandsmerkmale - insbesondere auch das der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung in § 6 Abs. 2 EStG - vom Umsatzsteuerrecht übernommen worden seien. Der Begriff der "vollen Absetzbarkeit" sei im Einkommensteuerrecht nicht so eindeutig definiert wie etwa der Begriff des Anlagevermögens. Die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung könne in das Umsatzsteuerrecht nicht übernommen werden, zumal sich im Umsatzsteuergesetz - Mehrwertsteuer - 1967 kein entsprechender Hinweis finde. Das Gesetz kenne lediglich fortlaufende Aufzeichnungen der Besteuerungsgrundlagen und der Steuerbeträge (§ 22 UStG 1967, § 9 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Umsatzsteuergesetzes - Mehrwertsteuer - vom 26. Juli 1967, BGBl I 1967, 801, BStBl I 1967, 292, 1. UStDV). Auch seine Begründung ergebe nicht, daß der ertragsteuerliche Begriff der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung in das Umsatzsteuerrecht zu übernehmen sei. Da eine fehlende Ordnungsmäßigkeit der Buchführung meist bei Betriebsprüfungen aufgedeckt werde, diene es nicht der Verwaltungsvereinfachung, die im Jahr der Anschaffung nicht voll absetzbaren Anschaffungskosten der geringwertigen Wirtschaftsgüter der Selbstverbrauchsteuer zu unterwerfen, weil die nachträgliche Besteuerung bei vergleichsweise geringen Steuereinnahmen zu einer Verwaltungsmehrarbeit führe. Im § 30 Abs. 2 UStG 1973 seien geringwertige Wirtschaftsgüter im Sinne des § 6 Abs. 2 EStG von der Besteuerung des Selbstverbrauchs ausgenommen. Diese Formulierung lasse erkennen, daß es auf die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung nicht ankomme. Ein Abstellen auf dieses Erfordernis würde auch zu weiteren Unabgestimmtheiten führen. So müßten Unternehmer mit steuerpflichtigen Vermietungsumsätzen auch bei nichtordnungsmäßiger Buchführung Anschaffungskosten geringwertiger Wirtschaftsgüter nicht der Selbstverbrauchsteuer unterwerfen. Ferner sei der Tatbestand des Selbstverbrauchs nicht verwirklicht, wenn Unternehmer mit ordnungsmäßiger Buchführung die Bewertungsfreiheit des § 6 Abs. 2 EStG nicht in Anspruch nehmen. Schließlich würde die Selbstverbrauchsteuer Sacheinlagen mit Werten unter 800 DM erfassen.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Umsatzsteuer 1968 ohne Ansatz einer Selbstverbrauchsteuer festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Nach § 30 Abs. 2 UStG 1967 ist bei Vorliegen weiterer, hier nicht streitiger Voraussetzungen der Tatbestand des Selbstverbrauchs erfüllt, wenn Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach einkommensteuerrechtlichen Vorschriften im Jahr der Anschaffung oder Herstellung nicht in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt werden können, der Nutzung oder Verwendung als Anlagevermögen zugeführt werden. Das FG hat im Streitfall zutreffend bejaht, daß die Anschaffungskosten der geringwertigen Wirtschaftsgüter der Selbstverbrauchsteuer unterliegen. Zwar können nach § 6 Abs. 2 EStG die Aufwendungen für geringwertige Wirtschaftsgüter im Jahr der Anschaffung oder Herstellung in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt werden. Diese ertragsteuerliche Vergünstigung kann jedoch nur in Anspruch genommen werden, wenn die Buchführung ordnungsmäßig ist. Nach der unbestrittenen Feststellung des FG entsprach die Buchführung der Klägerin nicht den Grundsätzen der Ordnungsmäßigkeit, so daß die Klägerin die Aufwendungen für die geringwertigen Wirtschaftsgüter im Jahr der Anschaffung nicht in voller Höhe als Betriebsausgaben absetzen kann. Scheidet aber einkommensteuerrechtlich eine Absetzung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten in voller Höhe aus, sind nach dem Wortlaut des § 30 Abs. 2 UStG 1967 insoweit die Voraussetzungen der Selbstverbrauchsteuerpflicht erfüllt. Auf die Gründe, die einkommensteuerlich zur Versagung des Vollabzugs als Betriebsausgaben geführt haben, kommt es nicht an.
2. Einer Auslegung des § 30 Abs. 2 UStG 1967, wie sie von der Klägerin vertreten wird, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH (vgl. zuletzt Urteil vom 14. November 1972 VIII R 22/68, BFHE 108, 65, BStBl II 1973, 182, mit weiteren Nachweisen) ist bei der Auslegung eines Gesetzes grundsätzlich von seinem Wortlaut auszugehen. Die Bestimmung des § 30 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967 ist klar und eindeutig. Sie besagt, daß die Zuführung von Wirtschaftsgütern zum Anlagevermögen als Selbstverbrauch der Umsatzsteuer unterliegt, wenn diese Wirtschaftsgüter nach einkommensteuerlichen Vorschriften nicht von der Bewertungsfreiheit erfaßt werden. Eine Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes kommt nicht in Betracht, da § 30 UStG 1967 eine in sich abgeschlossene lückenlose Regelung enthält (vgl. BFH-Urteil vom 6. Mai 1971 V R 162/70, BFHE 102, 171, BStBl II 1971, 509). Der Gesetzgeber hat im bestimmten Umfang bewußt die Anlehnung an das Einkommensteuerrecht herbeigeführt (vgl. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags, zu § 30, zu Bundestags-Drucksache V/1581) und damit alle Vor- und Nachteile, die mit dieser Anknüpfung verbunden sind, in Kauf genommen. Ob eine andere Lösung mehr den Bedürfnissen der Praxis entsprochen hätte, kann deshalb dahingestellt bleiben.
Fundstellen
BStBl II 1974, 651 |
BFHE 1975, 77 |