Entscheidungsstichwort (Thema)
Klagebefugnis gegen einen an eine GbR gerichteten Grunderwerbsteuerbescheid
Leitsatz (NV)
Durch einen Steuerbescheid, der eine GbR als Steuerschuldnerin bezeichnet, kann nur die als Steuerrechtssubjekt am Steuerrechtsverhältnis beteiligte grunderwerbsteuerrechtlich selbständige GbR i.S. von § 40 Abs. 2 FGO in ihren Rechten verletzt und damit klagebefugt sein. Ein gegen eine GbR als Steuerschuldnerin ergangener Steuerbescheid kann nur gemeinschaftlich durch alle Gesellschafter in gesamthänderischer Verbundenheit mit der Klage angefochten werden.
Normenkette
FGO § 40 Abs. 2, §§ 41, 67, 123 Abs. 1; AO 1977 §§ 118, 124 Abs. 1 S. 2; GrEStG
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb 1991 50 v.H. der Aktien der X-AG (AG). Die anderen Aktien an der AG erwarb der vom Finanzgericht (FG) Beigeladene P. Der Kaufpreis für die Aktien betrug 4 056 000 DM. Die 1990 nach liechtensteinischem Recht gegründete AG hatte ihren förmlichen Sitz in Liechtenstein, ihren tatsächlichen Verwaltungssitz aber im Inland. Alleiniger Gesellschafter der AG war zunächst H, der die AG ausschließlich zum Zwecke des Erwerbs und der Weiterveräußerung bestimmter Grundstücke im Inland gegründet hatte. Die Grundstücke erwarb die AG noch im Jahre ihrer Gründung zu einem Kaufpreis von 3 Mio. DM. Sie wurde als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) sah in dem Erwerb der Aktien durch den Kläger und P einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG 1983) i.V.m. § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) der Grunderwerbsteuer unterliegenden Vorgang. Zivilrechtlich sei die AG, die ihren Verwaltungssitz im Inland habe und bei deren Gründung die deutschen Gründungsvorschriften für Kapitalgesellschaften nicht beachtet worden seien, kein rechtsfähiges Gebilde. Erwerbe eine im Inland nicht rechtsfähige AG ein inländisches Grundstück, werde ein Übereignungsanspruch von den hinter der Gesellschaft stehenden Personen bzw. Personengruppen erworben. H habe somit die Grundstücke im Inland erworben und diese durch die Übertragung sämtlicher Aktien an der AG an den Kläger und P in Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) weiterveräußert. Die Übertragung sämtlicher Anteile an einer lediglich Grundbesitz haltenden Gesellschaft unterliege der Grunderwerbsteuer. Ein solcher Vorgang sei wie ein Erwerb der Grundstücke durch die Neugesellschafter in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit zu bewerten.
Das FA setzte deshalb durch Bescheid vom 15. April 1994 nach einer Gegenleistung von 4 056 000 DM Grunderwerbsteuer in Höhe von 81 120 DM fest. Im Anschriftenfeld des Bescheids befinden sich ausschließlich der Name und die Anschrift des Klägers. In den auf der Rückseite des Bescheids befindlichen "Erläuterungen zur Steuerfestsetzung" heißt es:
"Der Bescheid ergeht an Sie mit Wirkung für und gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts bestehend aus den Gesellschaftern Herrn O (Kläger), … und Herrn P, … ."
Gegen diesen Bescheid legten die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Klägers für die "Gesellschaft bürgerlichen Rechts O und P" Einspruch ein. Der Einspruch wurde vom FA als unbegründet zurückgewiesen. In dem Bescheid wurde als Einspruchsführer die "O/P GbR, bestehend aus den Gesellschaftern O u. P" bezeichnet.
Gegen die Zurückweisung des Einspruchs haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers Klage erhoben. Die Klageschrift wird eingeleitet mit den Worten: "In der Finanzstreitsache O … "; weiter heißt es dann: "…. erheben wir namens und im Auftrag des Klägers Klage". Die Prozessbevollmächtigten stellten für den Kläger den Antrag, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 15. April 1994 und die Einspruchsentscheidung vom 3. April 1995 aufzuheben.
Das FG hat die Klage abgewiesen und u.a. ausgeführt, die Übertragung der Aktien erfülle zwar als solche nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983, sie komme aber im rechtlichen und wirtschaftlichen Ergebnis dem Erwerb des (Mit-)Eigentums an den Grundstücken durch den Kläger und P gleich. Zwischen diesen habe auch eine GbR bestanden, da sie die Aktien gemeinsam erworben und den Grundbesitz gemeinsam verwaltet und später veräußert hätten.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, das FG habe rechtsfehlerhaft den Erwerb der Aktien als nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 i.V.m. § 42 AO 1977 steuerpflichtigen Vorgang angesehen. Ein der Steuer unterliegender Rechtsträgerwechsel habe nicht vorgelegen. Die fehlende Rechtsfähigkeit der AG im Inland hindere nicht daran, diese als steuerpflichtiges Rechtssubjekt anzusehen. So sei die AG bei ihrem Erwerb der Grundstücke als Steuerpflichtige behandelt und von ihr als solche die Grunderwerbsteuer bezahlt worden. Die Grundstücke seien deshalb nicht H zuzurechnen gewesen. Zwischen dem Kläger und P habe auch keine GbR bestanden.
Der Kläger beantragt, das Urteil des FG Münster vom 27. Juni 2000 8 K 1858/95 GrE, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 15. April 1994 sowie die Einspruchsentscheidung vom 3. April 1995 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind durch Verfügung des Berichterstatters vom 27. März 2003 darauf hingewiesen worden, dass Zweifel an der Zulässigkeit der Klage deshalb bestünden, weil dem Kläger möglicherweise die Klagebefugnis fehle. Als Inhaltsadressat des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheides und der Einspruchsentscheidung sei möglicherweise die GbR anzusehen, während die Klage vom Kläger im eigenen Namen erhoben worden sei.
Der Kläger macht daraufhin geltend, der Bescheid richte sich unmittelbar an ihn; er, der Kläger, sei als Inhaltsadressat anzusehen. Darüber hinaus habe er mit der Klage geltend gemacht, dass eine GbR zwischen ihm, dem Kläger, und P nicht bestehe. Der an eine nicht bestehende GbR gerichtete Bescheid sei ein rechtliches Nullum. Wegen der Unerreichbarkeit des P sei im Übrigen ein gemeinschaftliches Rechtsmittel durch die angebliche BGB-Gesellschaft nicht möglich gewesen. Er, der Kläger, wäre rechtlos gestellt, wenn nur die BGB-Gesellschaft als klagebefugt angesehen würde.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Sie wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage unzulässig ist (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Das FG hat die Klage in dem mit der Revision angefochtenen Urteil im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Zwar hätte es die Klage als unzulässig abweisen müssen. Das angefochtene Urteil ist trotz dieses Rechtsfehlers nicht aufzuheben, weil der Tenor des Urteils zutreffend ist (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 20. April 1988 I R 67/84, BFHE 154, 5, BStBl II 1988, 927, und vom 13. November 1997 V R 62/96, BFH/NV 1998, 606).
Der Kläger ist nicht befugt, Anfechtungsklage gegen den Grunderwerbsteuerbescheid vom 15. April 1994 zu erheben.
Nach § 40 Abs. 2 FGO ist eine Anfechtungsklage, um die es sich hier handelt, nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Vorschrift soll gewährleisten, dass ein Verwaltungsakt (§ 118 AO 1977) nur von demjenigen mit der Klage angefochten werden kann, der durch den Verwaltungsakt unmittelbar in seiner Rechtsstellung betroffen ist. Durch § 40 Abs. 2 FGO soll ausgeschlossen werden, dass Personen klagen, die zwar ein Interesse an den durch den Verwaltungsakt geregelten Beziehungen haben, selbst aber durch den angefochtenen Verwaltungsakt nicht in einer Weise betroffen sind, die sich als eine Verletzung eigener Rechte darstellen könnte (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juli 1983 II R 21/83, BFHE 138, 531, BStBl II 1983, 645, m.w.N.). Unmittelbar rechtlich betroffen von einer Steuerfestsetzung ist aber im Regelfall, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur der im Bescheid bezeichnete Inhaltsadressat.
Dementsprechend hat der erkennende Senat wiederholt entschieden, dass durch einen Steuerbescheid, der eine GbR als Steuerschuldnerin bezeichnet, nur die als Steuerrechtssubjekt am Steuerrechtsverhältnis beteiligte grunderwerbsteuerrechtlich selbständige GbR i.S. von § 40 Abs. 2 FGO in ihren Rechten verletzt sein kann, und dass ein gegen eine GbR als Steuerschuldnerin ergangener Steuerbescheid nur gemeinschaftlich durch alle Gesellschafter mit der Klage angefochten werden kann (vgl. Beschluss vom 28. Mai 1998 II B 3/98, BFH/NV 1998, 1366, m.w.N.).
Im angefochtenen Steuerbescheid ist ―entgegen der Auffassung des Klägers― eine GbR bestehend aus dem Kläger und P als Inhaltsadressat bezeichnet. Die Angabe des Inhaltsadressaten ist konstituierender Bestandteil jedes Verwaltungsakts, denn es muss angegeben werden, wem gegenüber der Einzelfall geregelt werden soll. Es reicht dabei aus, wenn der Inhaltsadressat durch Auslegung anhand der dem Betroffenen bekannten Umstände hinreichend sicher bestimmt werden kann (BFH-Urteil vom 19. August 1999 IV R 34/98, BFH/NV 2001, 409). Dabei ist auf den objektiven Erklärungsinhalt aus der Sicht des Adressaten abzustellen. Da der Verwaltungsakt nur mit dem bekannt gegebenen Inhalt wirksam werden könnte (§ 124 Abs. 1 Satz 2 AO 1977), muss die Auslegung einen Anhalt in der bekannt gegebenen Regelung haben (vgl. auch BFH-Urteil vom 4. Oktober 1988 VIII R 161/84, BFH/NV 1989, 758). Etwa der Steuerfestsetzung beigefügte Erläuterungen können mitberücksichtigt werden (BFH-Beschluss vom 19. Februar 1992 II B 100/91, BFH/NV 1992, 784).
Obwohl der Kläger im Anschriftenfeld des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheides als Adressat ―ohne jeden weiteren, ein mögliches Beteiligungs- oder Vertretungsverhältnis zum Ausdruck bringenden Zusatz― genannt wird, konnte der Kläger angesichts der auf der Rückseite des Bescheides befindlichen Erläuterungen nicht davon ausgehen, selbst Inhaltsadressat des Bescheides zu sein. Aus den Erläuterungen ergibt sich unmissverständlich, dass der Bescheid an den Kläger lediglich als Bekanntgabeadressat mit Wirkung für und gegen die GbR ergehen sollte, er also kein Inhaltsadressat sein sollte. Dass der Kläger dies auch so verstanden hat, zeigt der Umstand, dass seine jetzigen Prozessbevollmächtigten für die GbR Einspruch eingelegt haben.
War danach Inhaltsadressatin des Bescheides eine GbR, so war nur diese ―vertreten durch ihre Gesellschafter― befugt, Anfechtungsklage zu erheben.
Der Kläger wird durch diese Rechtslage auch nicht rechtlos gestellt. Soweit P ―wie der Kläger vorträgt― unerreichbar gewesen sein sollte, hätte die Möglichkeit bestanden, einen Abwesenheitspfleger nach § 1911 des Bürgerlichen Gesetzbuches zu bestellen, der gemeinsam mit dem Kläger für die GbR Klage hätte erheben können. Im Übrigen hätte der Kläger mit dem Argument, die GbR sei gar nicht existent und der Bescheid deshalb nichtig, Feststellungsklage nach § 41 FGO erheben können und kann dies, da diese nicht fristgebunden ist, noch immer tun, und zwar mit dem Antrag festzustellen, dass der Grunderwerbsteuerbescheid vom 15. April 1994 nichtig ist. Denn für die Feststellungsklage reicht ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung aus. Hierfür genügt ein schützenswertes ideelles oder wirtschaftliches Interesse (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 41 Rdnr. 29, m.w.N.).
Ein Übergang von der erhobenen Anfechtungsklage zu einer Feststellungsklage kommt im Streitfall nicht in Betracht. Ein solcher stellt eine Klageänderung i.S. von § 67 FGO dar (s. Gräber/von Groll, a.a.O., § 41 Rdnr. 36, m.w.N.), die im Revisionsverfahren unzulässig ist (§ 123 Abs. 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 1075932 |
BFH/NV 2004, 203 |
HFR 2004, 241 |