Leitsatz (amtlich)
Beantragt der Kläger gegen den Widerspruch des Beklagten, den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären, so beschränkt sich der Rechtsstreit auf die Erledigungsfrage. Liegt ein die Hauptsache erledigendes Ereignis nicht vor, so unterliegt der Kläger.
Normenkette
FGO § 138
Tatbestand
Der Streit geht nunmehr nur noch um die Frage, ob der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hatte den Verlust der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) für das Streitjahr 1967 durch vorläufigen Bescheid vom 3. Dezember 1969 auf 551 206 DM festgestellt. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die Klägerin Klage. Sie machte geltend, daß ihr die Sonderabschreibung nach § 14 des Berlinhilfegesetzes (BHG) auf einen von ihr angeschafften .... -Rohbau zu Unrecht versagt worden sei. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Mit der Revision verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie beantragte zunächst, ihr unter Aufhebung des FG-Urteils und des Verlustfeststellungsbescheids die Sonderabschreibung nach § 14 BHG zu gewähren.
Im Laufe des Revisionsverfahrens änderte das FA den angefochtenen Bescheid, indem es den Verlust für das Streitjahr durch Bescheid vom 4. März 1976 auf 441 092,72 DM feststellte. Die Klägerin stellte darauf mit Schreiben vom 14. April 1976 gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) den Antrag, den Bescheid vom 4. März 1976 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen.
Mit Schreiben vom 18. Juni 1979 erklärte die Klägerin, sie halte den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Die von ihr beantragte Sonderabschreibung nach § 14 BHG könne ihr nicht gewährt werden, da das FA inzwischen festgestellt habe, daß ihre Buchführung nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Eine Weiterführung des Verfahrens sei aufgrund der vom FA "während des Verfahrens neu geschaffenen Sachlage nicht mehr sinnvoll".
Die Klägerin beantragt nunmehr, die Hauptsache für erledigt zu erklären und die Kosten des Verfahrens dem FA aufzuerlegen.
Das FA betrachtet die Erklärungen der Klägerin als Klagerücknahme. Es beantragt, der Klägerin die Kosten nach § 136 Abs. 2 FGO aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag der Klägerin, die Hauptsache für erledigt zu erklären, ist unbegründet.
1. Erklärt der Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, so verfolgt er seinen ursprünglichen Sachantrag nicht mehr weiter; er behauptet vielmehr, dieser Antrag sei durch ein nachträglich eingetretenes Ereignis gegenstandslos geworden, so daß nur noch über die Kosten entschieden werden müsse. Bestreitet der Beklagte die Erledigung, so kann nicht - wie bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen - ohne weitere Prüfung davon ausgegangen werden, daß die Hauptsache erledigt ist. Eine einseitige Erledigungserklärung des Klägers bewirkt vielmehr, daß sich der Rechtsstreit nunmehr auf die Erledigungsfrage beschränkt. An die Stelle des durch den ursprünglich gestellten Klageantrag bestimmten Streitgegenstands tritt der Streit über die Behauptung des Klägers, seinem Klagebegehren sei durch ein die Hauptsache erledigendes Ereignis die Grundlage entzogen worden (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 19. Januar 1971 VII R 32/69, BFHE 101, 201, BStBl II 1971, 307; vom 22. November 1972 I R 135/72, BFHE 108, 7, BStBl II 1973, 189; vom 19. Mai 1976 I R 154/74, BFHE 119, 219, BStBl II 1976, 785; vom 24. April 1979 VIII R 16/77, BFHE 128, 20, BStBl II 1979, 606; Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 30. Oktober 1969 VIII C 219/67, Neue Juristische Wochenschrift 1970 S. 722). Die Erklärung bedarf nicht der Zustimmung des Beklagten; sie ist auch noch in der Revisionsinstanz zulässig (Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 138 Rdnr. 2 Anm. C I; BVerwG-Beschluß VIII C 219/67).
Kommt das Gericht entsprechend dem Antrag des Klägers zu der Auffassung, daß die Hauptsache erledigt ist, so ist die Erledigung im Urteil festzustellen; dem Beklagten sind in diesem Fall die Kosten aufzuerlegen (BFH-Urteil VII R 32/69).
Ist das Gericht dagegen der Ansicht, daß die Hauptsache nicht erledigt ist, dann erweist sich das Begehren des Klägers, die Erledigung festzustellen, als unbegründet. Mit seinem Begehren muß der Kläger jedenfalls dann abgewiesen werden, wenn er keinen Hilfsantrag zur Hauptsache gestellt hatte (Gräber, a.a.O.; Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, 7. Aufl. § 161 Rdnr. 14 a mit weiteren Nachweisen); die Kosten muß in einem solchen Fall der Kläger tragen.
2. Im Streitfall ist eine Erledigung des Rechtsstreits nicht eingetreten; deshalb ist der Antrag der Klägerin, die Hauptsache für erledigt zu erklären, unbegründet.
Das ursprünglich gegen den Bescheid vom 3. Dezember 1969 gerichtete gerichtliche Verfahren hat im Laufe der Revisionsinstanz gemäß §§ 68, 123 FGO einen neuen Gegenstand erhalten, nachdem die Klägerin beantragt hatte den Bescheid vom 4. März 1976 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Hinsichtlich dieses neuen Bescheids vom 4. März 1976 ist die Hauptsache nicht erledigt. Eine Erledigung des Rechtsstreits wäre nur dann eingetreten, wenn ein nach Rechtshängigkeit eingetretenes Ereignis alle in Streit befangenen Sachfragen gegenstandslos gemacht hätte (BFH-Beschluß vom 5. März 1979 GrS 4/78, BFHE 127, 147, BStBl II 1979, 375). Das war hier nicht der Fall. Der Bescheid vom 4. März 1976 hat die Klägerin nicht klaglos gestellt; mit ihm wurde vielmehr ein noch geringerer Verlust festgestellt als in dem ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 3. Dezember 1969.
Fehlte es aber an einem die Hauptsache erledigenden Ereignis, dann konnte auch der Antrag der Klägerin, die Erledigung auszusprechen, keinen Erfolg haben. Eine Umdeutung ihres Antrags - etwa in eine Zurücknahme der Klage (§ 72 FGO) - kommt nicht in Betracht, da die Klägerin auf eine entsprechende Anregung des FA ausdrücklich erklärt hat, bei ihrem Antrag, die Hauptsache für erledigt zu erklären, bleiben zu wollen.
Handelsrecht Abgabenordnung Reichsabgabenordnung Finanzgerichtsordnung Konkursordnung
Fundstellen
Haufe-Index 73273 |
BStBl II 1979, 779 |
BFHE 1979, 492 |