Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Senat verbleibt bei dem Grundsatz, daß der Erwerber eines unfertigen Gebäudes die Steuervergünstigung des § 7 b EStG nicht für die Erwerbskosten dieses Gebäudes, sondern nur für seine eigenen Aufwendungen zur Fertigstellung des Wohngebäudes in Anspruch nehmen kann.
Normenkette
EStG § 7b
Tatbestand
Die Bg. erwarben am 31. Oktober 1956 ein Grundstück mit dem von den Veräußerern darauf errichteten Rohbau zum Preise von 19.000 DM; davon entfielen 2.000 DM auf Grund und Boden. Sie führten den Bau im Jahre 1957 mit einem Aufwand von 16.278 DM zu Ende. In den Steuererklärungen für 1957 und 1958 verlangten sie die Vergünstigung des § 7 b EStG nur für die Aufwendungen von 16.278 DM. Für 1959 begehrten sie die Steuervergünstigung auch für die Erwerbskosten des Rohbaues von (19.000 ./. 2.000 DM für Grund und Boden) 17.000 DM. Das Finanzamt lehnte dies unter Berufung auf Abschn. 53 Abs. 2 EStR 1958 und die dort angeführte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ab; der Aufwand für den Rohbau gehöre nicht zu den begünstigten Herstellungskosten, sondern zu den nicht begünstigten Anschaffungskosten des Gebäudes.
Das Finanzgericht, dessen Entscheidung in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1962 S. 247 veröffentlicht ist, gab der Sprungberufung statt. Es lehnte die Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs in den Urteilen IV 2/53 U und IV 39/53 U vom 25. Juni 1953 (BStBl 1953 III S. 241, 242, Slg. Bd. 57 S. 629, 631) ab. Eine zuverlässige Abgrenzung zwischen den nach § 6 EStG im wesentlichen gleichzubehandelnden Begriffen "Anschaffungskosten" und "Herstellungskosten" sei noch nicht gefunden worden. Für § 7 b EStG komme dieser Unterscheidung ausschlaggebende Bedeutung zu. Das Finanzgericht erblickte in § 7 b EStG einen Sonderfall des § 7 EStG und bezog dies auch auf die Auslegung des Begriffs Herstellungskosten. Darunter seien die gesamten Aufwendungen für die Herstellung des Gebäudes zu verstehen. Der Begriff Herstellung werde in § 7 b EStG zu einem "Wohnzwecken dienenden Gebäude" in Beziehung gesetzt. Es könnten also nicht Vorstufen in der Herstellung des Gebäudes herausgegriffen und daraufhin untersucht werden, ob für diese Vorstufen Herstellungskosten oder Anschaffungskosten vorlägen. Alle Vorstufen des Herstellungsprozesses seien gleichzuwerten, möge es sich um angeschaffte Materialien, Fertigbauteile, Grundmauern, Dachstuhl oder einen Rohbau handeln. § 7 b EStG wolle die volkswirtschaftliche Leistung des Erstellers eines bezugsfertigen Wohngebäudes nach dem Maß seiner finanziellen Belastung anregen und belohnen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.
§ 7 b Abs. 1 EStG beschränkt die erhöhten Absetzungen auf die Herstellungskosten von Neubauten. Das ergibt sich aus den im Gesetz verwendeten Worten "Gebäude, die errichtet worden sind" und "Herstellungskosten" im Gegensatz etwa zu "Aufwendungen". Dem Erwerber eines Rohbaues entstehen aber Anschaffungskosten und nicht Herstellungskosten. Im Streitfall wurde ein von den Rechtsvorgängern errichteter Rohbau erworben und zu einem bezugsfertigen Wohngebäude ausgebaut. Der Rohbau ist zwar vom fertigen Gebäude aus gesehen ein wesentlicher Bauteil. Das rechtfertigt aber nicht, die Anschaffungskosten für den Rohbau den Herstellungskosten des danach zu vollendenden Gebäudes gleichzustellen, wie es z. B. Littmann (Das Einkommensteuer-Recht, 7. Aufl., Anm. 3 zu § 7 b) und Vangerow (Steuer und Wirtschaft 1953, Sp. 721/722) tun, indem sie die Frage aus der Sicht des fertigen Gebäudes beurteilen. Das Gesetz selbst unterscheidet deutlich zwischen Gebäuden, die neu errichtet werden und Gebäudeteilen, die als Umbauten, Ausbauten oder Anbauten neu erstellt werden (ß 7 b Abs. 2 EStG). Daß der Gesetzgeber für § 7 b EStG zwischen Anschaffungs- und Herstellungskosten unterscheidet, ergibt sich auch aus den im EStG 1953 eingefügten Absätzen 3 und 4 des § 7 b EStG, die unter bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise die Anschaffungskosten an Stelle der Herstellungskosten als Grundlage der erhöhten Absetzungen zulassen.
Der Senat bleibt deshalb trotz der von verschiedenen Seiten erhobenen Bedenken bei der Rechtsauffassung der Urteile IV 2/53 U und IV 39/53 U (a. a. O.) , die er schon in der Entscheidung VI 127/60 U vom 19. Mai 1961 (BStBl 1961 III S. 354, Slg. Bd. 73 S. 238) bestätigt hat.
Die Bg. meinen, der Sachverhalt in den bisher entschiedenen Fällen decke sich nicht in jeder Hinsicht mit dem des Streitfalls. Das mag zwar richtig sein. Das Rechtsproblem ist aber in allen Fällen gleich.
Der Erwerber eines unfertigen Wohngebäudes kann demnach die Steuervergünstigung des § 7 b EStG nur für seine Aufwendungen zur Fertigstellung des Gebäudes, nicht auch für die Anschaffungskosten des unfertigen Gebäudes in Anspruch nehmen.
Das angefochtene Urteil, das zu dem gegenteiligen Ergebnis gekommen ist, mußte deshalb aufgehoben und die Sprungberufung der Bg. gegen den Einkommensteuerbescheid 1959 als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 410673 |
BStBl III 1963, 117 |
BFHE 1963, 321 |
BFHE 76, 321 |