Leitsatz (amtlich)
1. Die Privatnutzung eines unternehmerischen Telefonanschlusses ist Eigenverbrauch.
2. Die Eigenverbrauchsbesteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 2b UStG 1967 ist nicht davon abhängig, daß der Unternehmer hinsichtlich der auf die Gegenstandsverwendung entfallenden Kosten einen Vorsteuerabzug geltend machen kann.
Normenkette
UStG 1967 § 1 Abs. 1 Nr. 2b, § 10 Abs. 5 Nr. 2
Tatbestand
Der Steuerpflichtige (Kläger, Revisionsbeklagter) ist Rechtsanwalt. Er unterhielt für seine Praxis einen Telefonanschluß und einen Pkw, die er auch teilweise privat nutzte. Die Kosten für die private Nutzung des Telefonanschlusses betrugen 1968 62 DM, die Kosten für die private Nutzung des Pkw - soweit sie auf Kfz-Steuer und Versicherungsprämien entfielen - 132,54 DM.
Das FA - Beklagter, Revisionsbeklagter - sah die Privatnutzungen als Eigenverbrauch nach § 1 Abs. 1 Nr. 2b UStG 1967 an und unterwarf die o. a. Kosten der Umsatzsteuer.
Die Sprungklage hatte Erfolg. Das FG, dessen Urteil in den EFG 1970, 423 veröffentlicht ist, begründete seine Auffassung wie folgt: Wer ein Telefon benutze, das seinem Unternehmen diene, verwende nicht das Telefon als Gegenstand, sondern "alle technischen Einrichtungen innerhalb und außerhalb des eigenen unternehmerischen Bereichs einheitlich in ihrer Gesamtheit". Die Benutzung des Apparats gehe in den Dienstleistungen der Post auf. Die Inanspruchnahme einer Dienstleistung erfülle aber nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 2b UStG 1967. Ein Eigenverbrauch sei auch deswegen zu verneinen, weil die Bundespost steuerfrei an den Steuerpflichtigen geleistet habe (§ 4 Nr. 7 UStG 1967) und dieser sonach keine Vorsteuer habe absetzen können. Aus den gleichen Gründen sei auch die Privatnutzung des Pkw kein Eigenverbrauch, soweit der Steuerpflichtige Versicherungsprämien und Kfz-Steuer aufgewandt habe. § 1 Abs. 1 Nr. 2b UStG 1967 wolle den Unternehmer belasten, der vorsteuerentlastete Gegenstände des unternehmerischen Bereichs privat verwende, und ihn einem Nichtunternehmer gleichstellen, der nicht vorsteuerabzugsberechtigt sei. Sinn der Vorschrift sei es jedoch nicht, den Unternehmer ohne die Möglichkeit des Vorsteuerabzugs zu belasten und ihn schlechter als einen Nichtunternehmer zu stellen. Eine wortgetreue Auslegung verstoße gegen Art. 3 GG. In verfassungskonformer Auslegung seien daher diejenigen Kosten nicht in die Bemessungsgrundlage (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG 1967) einzubeziehen, für die ein Vorsteuerabzug nicht geltend gemacht werden könne.
Das FA rügt mit der Revision Verletzung der §§ 1 Abs. 1 Nr. 2 b, 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG 1967: Der Fernsprechteilnehmer nehme zwar eine einheitliche Leistung der Deutschen Bundespost in Anspruch. Diese bestehe aber gerade in der Überlassung von Gegenständen, nämlich der gesamten Fernmeldeeinrichtungen; die Dienstleistung der Bundespost sei nach Einführung des Selbstwählbetriebs nur noch gering. Die Fernmeldeeinrichtungen der Bundespost dienten auch insoweit dem Unternehmen, als sie sich außerhalb der Rechtsanwaltspraxis befänden. Ein fehlender Vorsteuerabzug stehe nicht der Annahme eines Eigenverbrauchs nach § 1 Abs. 1 Nr. 2b UStG 1967 entgegen. Der Wortlaut der Bestimmung rechtfertige eine derartige Beschränkung nicht. Die wortgetreue Auslegung sei sinnvoll. Der Gesetzgeber habe zwar eine Besserstellung des Unternehmers gegenüber einem Nichtunternehmer ausschließen wollen, nicht jedoch in jedem Fall eine Schlechterstellung; das sei aus Gründen der Praktikabilität der Gesetzesanwendung gerechtfertigt. Damit entfalle auch der Vorwurf der Verfassungswidrigkeit. Ebenso sei die private Pkw-Nutzung zu beurteilen. Hier komme noch hinzu, daß nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG 1967 der Aufwand für Versicherungsprämien und Kfz-Steuer nicht gesondert behandelt werden dürfe. Der Gesamtaufwand für die Privatnutzung müsse vielmehr einheitlich beurteilt werden.
Das FA beantragt,
die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Steuerpflichtige beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er erwidert: Das FA übersehe, daß er keine Sachherrschaft über die außerhalb seines Unternehmens liegenden Fernmeldeanlagen ausübe und insoweit kein unmittelbarer Besitzer sei. Das FG habe § 1 Abs. 1 Nr. 2b UStG 1967 zu Recht verfassungskonform einengend ausgelegt. Der Eigenverbrauch sei seit jeher steuerfrei gestellt worden, wenn eine entsprechende Lieferung steuerfrei sei. Das Verbot einer Schlechterstellung des Unternehmers müsse auch dann gelten, wenn ein Nichtunternehmer keine Steuer aufzuwenden habe. Das Argument des FA, der Unternehmer könne der Besteuerung durch eine private Anschaffung des verwendeten Gegenstands entgehen, sei für das Rechtsempfinden unerträglich und überdies für unteilbare Leistungen unergiebig.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Sprungklage.
1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2b UStG 1967 liegt Eigenverbrauch vor, soweit ein Unternehmer im Inland dem Unternehmen dienende Gegenstände für Zwecke verwendet die außerhalb des Unternehmens liegen. Diese Voraussetzungen sind nach dem Gesetzeswortlaut - wie auch das FG und der Steuerpflichtige annehmen - hinsichtlich der privaten Pkw-Nutzung erfüllt. Sie sind aber auch zu bejahen hinsichtlich der privaten Telefonnutzung (ebenso Hartmann-Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, 6. Aufl., § 1 Abs. 1 Nr. 2 Tz. 46; A. Schmidt, UStR 1968, 257; anderer Auffassung FG Hamburg, EFG 1970, 579; Schüle-Teske, Umsatzsteuer-Mehrwertsteuer, § 1 Anm. 26; H. Schmidt, Steuerliche Betriebsprüfung 1970 S. 204).
Der Apparat, von dem aus private Telefongespräche geführt werden, ist ein Gegenstand. Die Begriffe "Gegenstand" in § 1 Abs. 1 Nr. 2 a, b UStG 1967 und in § 3 Abs. 1 UStG 1967 (= § 3 Abs. 1 UStG 1951) stimmen überein. Danach sind alle Sachen im Sinne des § 90 BGB - also auch ein Telefonapparat - lieferfähige Gegenstände im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG 1951 und 1967 (Urteil des BFH V R 95/66 vom 16. Juli 1970, BFH 99, 429, BStBl II 1970, 706) und mögliche Gegenstände eines Eigenverbrauchs. Das Telefon dient dem Unternehmen des Steuerpflichtigen selbst dann, wenn es - wie regelmäßig - im Eigentum der Bundespost steht. Auch ein Gegenstand, den der Unternehmer, ohne Eigentümer zu sein, lediglich auf Grund eines Besitzmittlungsverhältnisses nach § 868 BGB besitzt (Miete, Pacht, Fernsprechteilnehmerverhältnis), dient dem Unternehmen (Hartmann-Metzenmacher, a. a. O., Tz. 46; Sölch-Ringleb, UStG-Mehrwertsteuer, Kommentar, § 1 Anm. 123). Der Steuerpflichtige verwendet den Telefonapparat, wenn er von ihm aus Privatgespräche führt, für unternehmensfremde Zwecke.
Dem FG ist einzuräumen, daß zum Führen eines Telefongesprächs außer dem Apparat auch die sonstigen technischen Einrichtungen der Bundespost (Fernsprechnetz, Schaltstellen) erforderlich sind und im Rahmen des Fernsprechbenutzungsverhältnisses sämtliche Anlagen der Bundespost in Anspruch genommen werden. Die Frage, ob ein Eigenverbrauch im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2b UStG 1967 vorliegt, ist aber nicht nach dem Verhältnis des Steuerpflichtigen zur Bundespost, sondern aus dem Verhältnis des Unternehmens gegenüber dem Steuerpflichtigen als Nichtunternehmer zu beurteilen. Dabei ist darauf abzustellen, welche Leistung der Steuerpflichtige gegenüber einem Dritten erbringen würde, falls er diesem im Rahmen eines Leistungsaustausches nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 die Benutzung des Telefonapparats gestatten würde. Eine solche Leistung ist von seiten des Dritten als Verwendung des Gegenstands "Telefonapparat" zu charakterisieren. Er kann ohne Apparat kein Gespräch führen. Für ihn ist wesentlich, daß ihm der Steuerpflichtige den Zugang zum Apparat gestattet. Gleiches muß für den Ersatztatbestand des Eigenverbrauchs nach § 1 Abs. 1 Nr. 2b UStG 1967 gelten.
Danach kann unerörtert bleiben, ob dem Unternehmen des Steuerpflichtigen - wie das FA meint - auch die außerhalb des Unternehmens liegenden Anlagen der Bundespost dienen. Wird insoweit mit dem Steuerpflichtigen angenommen, daß seinem Unternehmen nur die Fernmeldeanlagen dienen, die sich in seinem Besitz befinden, ändert sich das Ergebnis nicht. Der Steuerpflichtige ist unmittelbarer Besitzer des Telefonapparats, auf dessen Verwendung allein abzustellen ist.
2. Ein Eigenverbrauch entfällt auch nicht deswegen ganz oder teilweise, weil der Steuerpflichtige wegen der aufgewandten Kosten (§ 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG 1967) keinen oder nur einen beschränkten Vorsteuerabzug geltend machen konnte (ebenso Hartmann-Metzenmacher, a. a. O., Tz. 42; A. Schmidt, a. a. O.; H. Schmidt, a. a. O.; anderer Auffassung Peusquens, UStR 1968, 179).
Dem Gesetzeswortlaut kann - wie das FG einräumt - eine derartige Einengung des Steuertatbestands nicht entnommen werden. Sie läßt sich auch nicht aus anderen Gesetzesbestimmungen herleiten. Der Steuerpflichtige meint, Vorsteuerabzug und Besteuerung bedingten einander. Diese Auffassung ist unzutreffend. Wo eine solche Bedingtheit nicht ausdrücklich angeordnet ist (z. B. in § 15 Abs. 2, § 30 Abs. 3 UStG 1967), kann die Steuer ohne vorangegangenen Vorsteuerabzug erhoben werden oder ein Vorsteuerabzug ohne nachfolgende Besteuerung geltend gemacht werden. Hierauf beruht einerseits die sogenannte Nachholwirkung der Mehrwertsteuer mit Vorsteuerabzug, andererseits die grundsätzliche Belassung des Vorsteuerabzugs trotz eines nachfolgenden nichtsteuerbaren Umsatzes (Hartmann-Metzenmacher, a. a. O., § 15 Tz. 89). Dies gilt im Bereich der Lieferungen und sonstigen Leistungen ebenso wie für den Eigenverbrauch. Für den Selbstverbrauch (§ 30 Abs. 2 UStG 1967) hat dies der Senat bereits ausgesprochen und es sogar als unerheblich angesehen, daß die Überschrift des § 30 UStG 1967 eine gewisse Beziehung zwischen Vorsteuerabzug und Selbstverbrauchsteuer herstellt (BFH-Beschluß V B 45/70 vom 11. Juni 1970, BFH 99, 322, BStBl II 1970, 644; BFH-Urteil V R 69/70 vom 1. Oktober 1970, BFH 100, 278, BStBl II 1971, 36).
Es trifft zwar zu, daß § 1 Abs. 1 Nr. 2b UStG 1967 nach der Gesetzesbegründung die Verwendung vorsteuerentlasteter Gegenstände für unternehmensfremde Zwecke wieder belasten soll (Regierungsentwurf eines UStG, Bundestagsdrucksache IV/1590 Amtliche Begründung B zu § 1; Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags, zu Bundestagsdrucksache V/1581, im einzelnen zu § 1). Die Lage ist aber nicht anders bei der Verwendung von Gegenständen, die umsatzsteuerfrei geliefert worden sind. Denn der Gegenstand des Eigenverbrauchs befindet sich in beiden Fällen ohne umsatzsteuerliche Belastung in der Hand des Eigenverbrauchers. Es kann keinen Unterschied machen, ob die Umsatzsteuerentlastung von vornherein infolge der Steuerfreiheit besteht oder nachträglich durch den Vorsteuerabzug eintritt. Dabei wird der Ersatztatbestand des Eigenverbrauchs nicht umfassender besteuert als der entsprechende Leistungsaustausch nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967. Nur dies will die Rechtsprechung des RFH und BFH gewährleisten, nach der der sich selbst versorgende Unternehmer nicht ungünstiger behandelt werden soll als andere Verbraucher (RFH-Urteile V A 387/34 vom 12. April 1935, RFH 37, 310, RStBl 1935, 925; V 131/40 vom 17. Oktober 1941, RStBl 1942, 51; BFH-Urteil V 66/58 U vom 9. Februar 1961, BFH 72, 475, BStBl III 1961, 173).
Die Unabhängigkeit der Eigenverbrauchsbesteuerung von einem Vorsteuerabzug stellt den Unternehmer nicht schlechter als einen Nichtunternehmer. Der Steuerpflichtige vergleicht sich zu Unrecht mit einem Nichtunternehmer, der einen eigenen Telefonanschluß hat oder einen eigenen Pkw nutzt und dabei Aufwand tätigt, der nicht steuerbelastet ist (Telefongebühren, Kfz-Steuer, Kfz-Versicherungsprämie). Der Unternehmer kann hinsichtlich seines Eigenverbrauchs stets nur mit einem solchen Nichtunternehmer verglichen werden, der Empfänger einer dem Eigenverbrauch entsprechenden Leistung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 ist. Dies ist im Falle des Eigenverbrauchs nach § 1 Abs. 1 Nr. 2b UStG 1967 ein Endverbraucher, dem entgeltlich die Verwendung eines Gegenstands gestattet wird, beispielsweise ein Urlauber, der in seinem Hotel das Telefon zur Bestellung eines Mietwagens (für private Zwecke) benutzt. Hotel und Mietwagenunternehmer stellen ihm Benutzungsentgelte einschließlich Umsatzsteuer in Rechnung. Die in Rechnung gestellte Umsatzsteuer belastet ihn - vergleichbar dem Steuerpflichtigen - endgültig und ohne die Möglichkeit einer Entlastung.
Aus den vorgenannten Gründen ist auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht anzuerkennen. Eine verfassungskonforme Auslegung im Sinne des Fg kommt nicht in Betracht. Sie scheitert schon daran, daß eine verfassungskonforme Auslegung mit dem Wortsinn des ausgelegten Gesetzes vereinbar sein muß (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 2. Aufl. 1969, S. 319 mit Rechtsprechungsnachweisen). Erst recht kann nicht davon gesprochen werden, daß die wortgetreue Auslegung des § 1 Abs. 1 Nr. 2b UStG 1967 zu einem so sinnwidrigen Ergebnis führt, das gegen den Wortlaut des Gesetzes ausgelegt werden müßte.
Fundstellen
BStBl II 1971, 218 |
BFHE 1971, 178 |