Leitsatz (amtlich)
Zahlt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer für die Inanspruchnahme einer Diensterfindung laufend eine von der Höhe des Absatzes der Produkte abhängige Erfindervergütung, so sind die laufenden Zahlungen auch dann als Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn der Arbeitnehmer als Gesellschafter in das Unternehmen des Arbeitgebers eingetreten ist.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 2
Tatbestand
Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Im ersten Rechtsgang hatte der Senat durch Urteil vom 15. Mai 1974 I R 254/71 (nv) die Vorentscheidung aufgehoben, weil das FG eine notwendige Beiladung unterlassen hatte. Das FG hat diese im zweiten Rechtsgang nachgeholt.
Streitig ist, ob Vergütungen für eine Arbeitnehmererfindung, die an einen Kommanditisten gezahlt wurden, Betriebsausgaben der KG sind, wenn die Arbeitnehmererfindung durch den Arbeitgeber zu einer Zeit in Anspruch genommen wurde, als der Kommanditist noch Arbeitnehmer war.
Seit dem Jahre 1957 war der Beigeladene, der das ... handwerk erlernt hat, als technischer Betriebsleiter in Arbeitnehmereigenschaft im Einzelunternehmen seiner Ehefrau, die eine ... fabrikation betrieb, angestellt. Vom Jahre 1965 an erhielt er neben dem Arbeitslohn Lizenzgebühren aus einer Erfindung, die sich aus seiner Arbeit im Betrieb seiner Ehefrau seit 1958/59 entwickelt hatte. Der Beigeladene meldete seiner Ehefrau die Erfindung in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeberin als Diensterfindung an. Die Ehefrau nahm die Diensterfindung unbeschränkt in Anspruch. Am 3. Februar 1963 traf sie unter der Bezeichnung ihres Einzelunternehmens mit dem Beigeladenen eine Vereinbarung, nach der sie für Überlassung und alleinige Auswertung der Erfindung eine Lizenzgebühr von 0,15 DM je gefertigtes Stück ... zu zahlen hatte. Sie meldete die Erfindung beim Patentamt an; das Patent wurde ihr am 24. Mai 1967 erteilt.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Kommanditgesellschaft, wurde durch Einbringung des Einzelunternehmens der Ehefrau, die Komplementärin wurde, und durch Aufnahme ihres Ehemannes als Kommanditist, der eine Einlage von 45 000 DM leistete, zum 1. Januar 1967 gegründet. Der Gewinn der Klägerin steht der Komplementärin zu 70 v. H., dem beigeladenen Kommanditisten zu 30 v. H. zu Der Beigeladene bezog auch nach seinem Eintritt als Kommanditist in die KG eine Arbeitsvergütung von 18 000 DM. Die Arbeitnehmererfindung wurde als immaterielles Wirtschaftsgut "Diensterfindung" ohne Wertansatz in der Eröffnungsbilanz ausgewiesen. Die Klägerin behandelte die an den Beigeladenen im Streitjahr gezahlten Lizenzgebühren weiterhin als Betriebsausgaben.
Bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung 1967 erhöhte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) den Gewinn der Klägerin u. a. um Lizenzgebühren in Höhe von 59 706 DM abzüglich einer gleichzeitig gebildeten Gewerbesteuerrückstellung von 8 040 DM, insgesamt also um 51 666 DM.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren beim FG erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Die Entscheidung des FG ist in EFG 1975, 306, abgedruckt.
Mit ihrer Revision beantragt die Klägerin, unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils die gewerblichen Einkünfte um 51 666 DM niedriger festzustellen, hilfsweise, den Feststellungsbescheid dahin zu ergänzen, daß der Betrag von 51 666 DM nach § 4 Abs. 2 der - mit Gesetzeskraft ausgestatteten - Verordnung über die steuerliche Behandlung der Vergütungen für Arbeitnehmererfindungen vom 6. Juni 1951 - ErfVO (Arbeitn.) - (BGBl I 1951, 388; 1969, 141; BStBl I 1951, 184; 1969, 116) tarifbegünstigt sei. Die Klägerin rügt Verletzung des § 15 EStG und der Bestimmungen der ErfVO (Arbeitn.).
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
1. Die Schlüsse, die das FG aus § 15 Nr. 2 EStG 1969 für die einkommensteuerrechtliche Einordnung von Vergütungen des Gesellschafters einer Personengesellschaft gezogen hat, sind nicht frei von Rechtsfehlern.
a) Einkünfte aus Gewerbebetrieb des Gesellschafters einer Personengesellschaft sind nach § 15 Nr. 2 EStG (a) "die Gewinnanteile des Gesellschafters" und (b) "die Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat". Daraus kann kein Rechtssatz des Inhalts hergeleitet werden, daß alles, was der Gesellschafter aus der Gesellschaft bezieht, Einkünfte aus Gewerbebetrieb seien. Eine solche Deutung stünde mit dem möglichen Wortsinn des Gesetzes, das die Leistungen des Gesellschafters, für die er in Form einer Sondervergütung ein Entgelt erhält, im einzelnen bezeichnet, im Widerspruch. Die Stellung des Gesellschafters einer Personengesellschaft ist nicht in jeder Hinsicht der eines Einzelunternehmers vergleichbar (vgl. im einzelnen Urteil des BFH vom 23. Juli 1975 I R 210/73, BFHE 117, 144, BStBl II 1976, 180). Bei den "Sondervergütungen" des Gesellschafters nach § 15 Nr. 2 EStG handelt es sich um Entgelte für Leistungen, die der Gesellschafter bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Beiträge zur Förderung des Gesellschaftszwecks erbringt (vgl. BFH-Urteil vom 28. August 1974 I R 18/73, BFHE 114, 180, BStBl II 1975, 166). Tritt daher ein Gläubiger eines Unternehmens in dieses als Gesellschafter ein, so verwandelt sich die Schuld der Gesellschaft nicht in jedem Fall in Eigenkapital (BFH-Urteil vom 8. Januar 1975 I R 142/72, BFHE 115, 37, BStBl II 1975, 437).
b) Auf den BFH-Beschluß vom 19. Oktober 1970 GrS 1/70 (BFHE 101, 62, BStBl II 1971, 177) kann die gegenteilige Rechtsauffassung nicht gestützt werden. Zur Vereinbarkeit seiner neueren Rechtsprechung mit dem BFH-Beschluß GrS 1/70 hat sich der Senat im Urteil I R 210/73 im einzelnen geäußert. Der Beschluß des Großen Senats GrS 1/70 befaßt sich mit der einkommensteuerrechtlichen Einordnung von Arbeitgeberanteilen zur Sozialversicherung eines Kommanditisten, der sozialversicherungsrechtlich als Arbeitnehmer der KG angesehen wird. Daß diese Arbeitgeberanteile zu den Vergütungen gerechnet werden, die der Kommanditist von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienste der Gesellschaft bezogen hat (§ 15 Nr. 2 EStG), wird auch vom Großen Senat des BFH auf den Gesichtspunkt gestützt, daß die Arbeitgeberanteile Teil einer Vergütung sind, durch die ein Beitrag des Gesellschafters, den er im Rahmen der Gesellschaft leistet, abgegolten wird.
2. Die Erfindervergütung des Beigeladenen erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 15 Nr. 2 EStG.
a) Die Vergütung wird nicht für die Tätigkeit des Beigeladenen im Dienst der Gesellschaft gezahlt. Dies folgt aus den Vorschriften des Gesetzes über Arbeitnehmererfindungen vom 25. Juli 1957 - ArbnErfG - (BGBl I, 756).
Nach § 3 des Patentgesetzes hat das Recht auf das Patent der Erfinder oder (von ihm abgeleitet) sein Rechtsnachfolger (sog. Erfinderprinzip). Diese Vorschrift steht dem originären Erwerb des Patents durch einen anderen als den Erfinder entgegen (vgl. Reimer/Schade/Schippel, Das Recht der Arbeitnehmererfindung, 5. Aufl., § 6 Rdnr. 2). Jede Erfindung, die aus der einem Arbeitnehmer im Betrieb obliegenden Tätigkeit entstanden ist (sog. gebundene Erfindung oder Diensterfindung, § 4 ArbnErfG), kann der Arbeitgeber unbeschränkt in Anspruch nehmen (§ 6 ArbnErfG), was die Ehefrau des Beigeladenen im Streitfall auch getan hat. Mit Zugang der Erklärung des Arbeitgebers, daß er die Erfindung unbeschränkt in Anspruch nehme, gehen alle Rechte aus der Diensterfindung auf den Arbeitgeber über (§ 7 Abs. 1 ArbnErfG). Damit erwirbt der Arbeitgeber das Recht der Arbeitnehmererfindung durch abgeleiteten Erwerb; der Arbeitgeber wird Rechtsnachfolger kraft eines gesetzlichen Aneignungsrechts (vgl. Reimer/Schade/Schippel, a. a. O., § 7 Rdnrn. 1 und 2). Der Arbeitnehmer hat gegen den Arbeitgeber einen schuldrechtlichen Anspruch auf angemessene Vergütung, sobald der Arbeitgeber die Diensterfindung in Anspruch genommen hat (§ 9 Abs. 1 Arbn-ErfG).
Nach § 26 ArbnErfG werden die Rechte und Pflichten aus dem ArbnErfG, also auch der Anspruch und die Vergütung, durch die Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht berührt. Der Anspruch auf die Erfindervergütung ist damit von der Lohnforderung völlig losgelöst. Er ist das Recht auf Entgelt für den Übergang eines Vermögenswerts (vgl. Volmer, Richtlinien über Vergütungen für Arbeitnehmererfindungen, 1964 S. 33), dessen sich der Arbeitnehmer mit der Inanspruchnahme der Erfindung durch den Arbeitgeber begeben hat, und zwar grundsätzlich ohne zeitliche Beschränkung, es sei denn, die Erfindung werde nach § 8 ArbnErfG später wieder frei.
b) Auch hat der Beigeladene nicht ein Wirtschaftsgut "Patent" der Klägerin zur Nutzung überlassen.
Mit der unbeschränkten Inanspruchnahme der Erfindung durch die Arbeitgeberin hat sich im Streitfall - wie dargelegt - ein kaufähnlicher Vermögensübergang vollzogen. Der Beigeladene hat sich seiner Erfindung schon in früheren Jahren entäußert. Bei Gründung der KG hat die Ehefrau des Beigeladenen ihre Rechte aus der Arbeitnehmererfindung in das Gesamthandsvermögen der KG eingebracht (§ 161 Abs. 2, § 105 Abs. 2 HGB, § 718 Abs. 1 BGB). Dies schließt die Annahme, der Beigeladene habe der Klägerin seine Erfindung wie eine Einlage zur Nutzung überlassen, aus.
c) Schließlich hat der Beigeladene auch nicht das Geldkapital, das die Klägerin zur Erfüllung ihrer Schuld gegenüber dem Beigeladenen aufzuwenden hat, zur Nutzung überlassen mit der Folge, daß ein bestimmter Teil der dem Beigeladenen zugeflossenen Erfindervergütung einen Zinsanteil enthält.
Die Art und Höhe der Vergütung, die dem Arbeitnehmer nach § 9 Abs. 1 ArbnErfG zusteht, richtet sich nach den zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffenen Vereinbarungen. Es kann eine Einmalvergütung oder eine laufende Vergütung verabredet werden. Von der vereinbarten Art der Vergütung hängt es auch ab, wann der Vergütungsanspruch entsteht und fällig ist. Im Streitfall haben die Klägerin und der Beigeladene Entstehung und Fälligkeit der Vergütungen von zukünftigen Ereignissen (der Fertigung von ...) abhängig gemacht. Vor Eintritt dieser Ereignisse steht dem Beigeladenen kein Anspruch auf Zahlung zu, dessen Nichterfüllung einer Überlassung von Kapital zur Nutzung gleichkäme (vgl. BFH-Urteil I R 142/72).
3. Nach dieser Beurteilung kommt es nicht mehr darauf an, ob etwa die einkommensteuerrechtliche Qualifizierung der Vergütungen für Arbeitnehmererfindungen als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) und ihre Behandlung nach der ErfVO (Arbeitn.) der Qualifikationsnorm des § 15 Nr. 2 EStG vorgeht. Auch die Entscheidung über den Hilfsantrag der Klägerin erübrigt sich.
Da das FG von einer abweichenden Rechtsauffassung ausgegangen ist, mußte seine Entscheidung aufgehoben werden.
Fundstellen
Haufe-Index 71988 |
BStBl II 1976, 746 |
BFHE 1976, 430 |