Leitsatz (amtlich)
Bei Betrieben, bei denen ein vom Kalenderjahr abweichendes Wirtschaftsjahr zugrunde gelegt wird, können Aufwendungen, die nach dem Abschlußzeitpunkt aus Mitteln des gewerblichen Betriebs auf Betriebsgrundstücke gemacht worden sind, nach § 107 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 BewG 1965 nur dann abgezogen werden, wenn diese Aufwendungen zu einer Fortschreibung des Einheitswerts des Betriebsgrundstücks oder zur Feststellung eines besonderen Einheitswerts nach § 33a Abs. 3 BewDV a. F. oder nach § 91 Abs. 2 BewG 1965 geführt haben.
Normenkette
BewG 1965 § 91 Abs. 2, §§ 106-107; BewDV a.F. § 33a Abs. 3
Tatbestand
Die Klägerin hat ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. September bis 31. August. Das FA stellte den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1968 fest. Die Klägerin machte mit dem Einspruch gegen diesen Bescheid geltend, bei den Abrechnungen nach § 107 BewG 1965 seien 179 804 DM Aufwendungen auf das Betriebsgrundstück, die in der Zeit zwischen dem 1. September und dem 31. Dezember 1967 gemacht worden seien, nicht berücksichtigt worden. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das FA lehnte die Berücksichtigung dieses Betrages unter Hinweis auf Abschn. 41 Abs. 3 letzter Satz der Vermögensteuer-Richtlinien (VStR) 1966 deswegen ab, weil die Aufwendungen auf das Grundstück nicht zu einer Fortschreibung des Einheitswerts des Grundstücks geführt hätten und auch nicht bei der Ermittlung eines besonderen Einheitswerts nach § 33a Abs. 3 BewDV a. F. berücksichtigt worden seien.
Das FG gab der Klage statt. Es schloß sich der Auffassung des III. Senats des FG Münster in dem Urteil III 572/67 EW vom 29. Januar 1969 (EFG 1969, 224) an, daß Aufwendungen auf Betriebsgrundstücke, die zwischen dem abweichenden Abschlußzeitpunkt und dem Feststellungszeitpunkt gemacht worden seien, auch dann nach § 107 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 BewG 1965 abgezogen werden müßten, wenn sie zu keiner Fortschreibung des Einheitswerts des Betriebsgrundstücks geführt und auch nicht bei der Ermittlung eines besonderen Einheitswerts nach § 33a BewDV a. F. erfaßt worden seien.
Das FA beantragt mit der Revision, unter Aufhebung des FG-Urteils die Klage abzuweisen. Es wird Verletzung des § 107 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 BewG 1965 gerügt. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet:
Es sei zwar im Gesetzeswortlaut nicht zum Ausdruck gekommen, daß der Abzug davon abhängig sei, daß die Aufwendungen zu einer Fortschreibung des Einheitswerts des Grundstücks geführt hätten oder bei Ermittlung des besonderen Einheitswerts nach § 33a Abs. 3 BewDV a. F. berücksichtigt worden seien. Diese Regelung entspreche jedoch dem Sinn des § 107 BewG 1965, der mit den Worten beginne: "Zum Ausgleich von Verschiebungen." Durch diese Regelung solle mithin nur eine Doppelerfassung von Vermögen vermieden werden. Diese trete nur ein, wenn sich die Aufwendungen auf Betriebsgrundstücke wertmäßig im Einheitswert niedergeschlagen hätten. Das FG berufe sich für seine Auffassung zu Unrecht darauf, daß die Einführung der Wertgrenzen bei Fortschreibungen dafür spreche, daß der Gesetzgeber nicht den Willen gehabt habe, alle Werte restlos zu erfassen, so daß man bei der Frage, wann eine Doppelbesteuerung vorliege, nicht allein auf die doppelte Erfassung von Werten abstellen könne. Dabei habe das FG nicht beachtet, daß sich die Wertgrenzen auch zum Nachteil auswirken könnten. § 22 BewG bezwecke nur eine Verminderung der Verwaltungsarbeit. Es solle nicht jede geringfügige Änderung bei der Einheitsbewertung berücksichtigt werden. Gerade dieser Grundsatz führe auch zu der Auffassung, daß sich die Anweisung in Abschn. 41 Abs. 3 letzter Satz VStR 1966 in das System des BewG einfüge. Auch die Erwägungen des FG, daß die Aufwendungen im Einheitswert auch nicht enthalten wären, wenn sie schon vor dem Abschlußzeitpunkt gemacht worden wären, und auch im Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1969 außer Ansatz geblieben wären, hätten für die Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1968 wegen des Stichtagsprinzips keine Bedeutung.
Die Klägerin beantragt (dem Sinne nach), die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Sie hält die Vorentscheidung für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Nach § 106 Abs. 3 BewG 1965 kann auf Antrag zugelassen werden, daß bei der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens für Betriebe, die regelmäßig jährliche Abschlüsse auf einen anderen Tag als den 31. Dezember machen, abweichend von § 106 Abs. 2 BewG 1965 der Schluß des Wirtschaftsjahres zugrunde gelegt wird, das dem Feststellungszeitpunkt, d. h. nach § 106 Abs. 1 BewG 1965 dem 1. Januar, vorangeht. Nach § 106 Abs. 5 Nr. 1 BewG 1965 bleiben jedoch auch in diesen Fällen für den Bestand und für die Bewertung der Betriebsgrundstücke die Verhältnisse im Feststellungszeitpunkt maßgebend. Der für den Abschlußzeitpunkt ermittelte Einheitswert gilt nach § 106 Abs. 4 BewG 1965 als Einheitswert vom Feststellungszeitpunkt. Wie der Senat bereits in dem Urteil III 105/62 U vom 8. Januar 1965 (BFH 81, 524, BStBl III 1965, 190) ausgeführt hat, hat diese gesetzliche Regelung zur Folge, daß Vermögensänderungen, die nach dem Abschlußzeitpunkt im Betriebsvermögen eintreten, grundsätzlich außer Betracht bleiben. Das kann sich zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken, wenn sich das Betriebsvermögen nach dem Abschlußzeitpunkt erhöht. Es kann sich aber auch zu seinem Nachteil auswirken, wenn sich das Betriebsvermögen nach dem Abschlußzeitpunkt vermindert. Für bestimmte Fälle sieht allerdings § 107 BewG 1965 einen Ausgleich von Vermögensänderungen in der Zeit zwischen dem Abschlußzeitpunkt und dem Feststellungszeitpunkt vor. Es handelt sich dabei um Fälle, in denen wegen der unterschiedlich maßgebenden Stichtage für das Betriebsvermögen und das übrige Vermögen eine doppelte Steuerbelastung oder ein Steuerausfall eintreten kann. Soweit es sich dabei um Vermögensänderungen an Betriebsgrundstücken handelt, gilt § 107 Nr. 1 Buchst. a und b BewG 1965. § 107 Nr. 1 Buchst. a BewG 1965 behandelt den hier nicht interessierenden Fall, daß ein Betriebsgrundstück aus dem gewerblichen Betrieb ausgeschieden und der Gegenwert dem Betrieb zugeführt worden ist. § 107 Nr. 1 Buchst. b BewG 1965 regelt zwei Fälle, zunächst in Satz 1 den hier ebenfalls nicht in Betracht kommenden Fall, daß Grundbesitz als Betriebsgrundstück dem gewerblichen Betrieb zugeführt und der Gegenwert dem gewerblichen Betrieb entnommen worden ist, und sodann in Satz 2 den hier vorliegenden Fall, daß aus Mitteln des Betriebs Aufwendungen auf Betriebsgrundstücke gemacht worden sind. Für diesen Fall ist bestimmt, daß die Aufwendungen "entsprechend" abgezogen werden. Das Wort "entsprechend" kann sich, wie auch das FG einräumt, nur auf § 107 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 beziehen. Der Gesetzgeber will damit nach Auffassung des Senats zum Ausdruck bringen, daß die Aufwendungen auf die Betriebsgrundstücke unter den gleichen Voraussetzungen abgezogen werden können, unter denen nach Satz 1 der Gegenwert für den dem gewerblichen Betrieb als Betriebsgrundstück zugeführten Grundbesitz, der dem gewerblichen Betrieb entnommen worden ist, vom Betriebsvermögen abgezogen werden kann. Zu diesen Voraussetzungen gehört, daß der Grundbesitz dem gewerblichen Betrieb "zugeführt" worden ist. Der Senat folgt nicht der Auffassung des FG, die auch im Schrifttum vertreten wird, daß diese Voraussetzung auch dann erfüllt ist, wenn der Grundbesitz mit einem schon vorhandenen Betriebsgrundstück eine wirtschaftliche Einheit bildet, bei der wegen der Wertgrenzen des § 22 BewG keine werterhöhende Fortschreibung des Einheitswerts vorgenommen werden konnte. Diese Auslegung des Wortes "zuführen" wird dem Sinn und Zweck des § 107 BewG 1965 nicht gerecht. Dieser Sinn und Zweck ergibt sich klar aus seiner Überschrift und seinen einleitenden Worten. Wenn dort vom "Ausgleich von Vermögensänderungen" und vom "Ausgleich von Verschiebungen" die Rede ist, so kann das nur so verstanden werden, daß in den Fällen des § 107 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 BewG 1965 durch den Abzug des Gegenwerts vom Betriebsvermögen Vermögensmehrungen ausgeglichen werden sollen, die durch die Zuführung des Betriebsgrundstücks eingetreten sind. Es kann also unter "zuführen" im Sinn dieser Vorschrift nur die wertmäßige Erhöhung des Betriebsvermögens verstanden werden. Aus ähnlichen Erwägungen hat der Senat bei der Auslegung des § 107 Nr. 2 Buchst. a BewG 1965 (bzw. des gleichlautenden § 64 Nr. 2 Buchst. a BewG) entschieden, daß das dem Betriebsvermögen entnommene Wirtschaftsgut oder ein Ersatz dafür im Veranlagungszeitpunkt noch im übrigen Vermögen des Steuerpflichtigen vorhanden sein muß (vgl. Urteil des BFH III 105/62 U, a. a. O., und Entscheidung III R 103/67 vom 6. Mai 1970, BFH 99, 316, BStBl II 1970, 637). Dieser Auslegung steht es nicht entgegen, daß der Einheitswert des Betriebsgrundstücks, auch wenn er nicht geändert worden ist, alle zur wirtschaftlichen Einheit gehörenden Teile des Grundbesitzes umfaßt. Daraus läßt sich aus den oben dargelegten Gründen nicht herleiten, daß der mit Mitteln des Betriebs angeschaffte neue Grundbesitz dem gewerblichen Betrieb "zugeführt" worden ist.
Auch der Hinweis darauf, daß der Gesetzgeber durch die Abrundungsvorschrift des § 30 BewG 1965 und die Wertgrenzen in § 22 BewG zu erkennen gegeben habe, daß er das vorhandene Vermögen nicht "bis zum letzten Pfennig" erfassen wolle, führt zu keinem anderen Ergebnis. Das FA weist zu Recht darauf hin, daß diese Vorschriften erlassen worden sind, um die Verwaltungsarbeit zu vermindern. Dieser Gedanke muß jedoch bei der Auslegung des § 107 BewG 1965 ausscheiden, weil ein Ausgleich nach dieser Vorschrift nur zur Beseitigung von Steuerausfällen und Doppelerfassungen vorgenommen werden soll. Die Abrundungsvorschrift kann allerdings, ebenso wie die sonstigen Bewertungsvorschriften für den Grundbesitz, dazu führen, daß sich der Ausgleich nicht in vollem Umfang auswirkt. Das beruht aber allein darauf, daß die Bewertungsmaßstäbe beim Grundvermögen und beim Geldvermögen verschiedene sind. Die entsprechende Anwendung des Grundsatzes des § 107 Nr. 1 Buchst. b Satz 1 BewG 1965 auf die in § 107 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 BewG 1965 genannten Aufwendungen auf Grundbesitz erfordert es aus allen diesen Gründen, daß auch diese Aufwendungen zu einer Erhöhung des Wertansatzes des Grundbesitzes im Betriebsvermögen geführt haben, sei es, daß durch sie der Einheitswert eines Betriebsgrundstücks fortgeschrieben wurde, sei es, daß die Aufwendungen durch einen besonderen Einheitswert nach § 33a Abs. 3 BewDV a. F. erfaßt worden sind. Diese Folgerung läßt sich auch nicht durch die Erwägungen des FG entkräften, daß die Aufwendungen auch dann zu einer Minderung des Betriebsvermögens ohne eine Erhöhung des Wertansatzes für Betriebsgrundstücke geführt hätten, wenn sie vor dem Abschlußzeitpunkt gemacht worden seien und daß sie auf jeden Fall bei der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens auf den nächsten Stichtag zu berücksichtigen seien. In diesen beiden Fällen haben die Aufwendungen das Betriebsvermögen tatsächlich vor dem Abschlußzeitpunkt bereits gemindert, so daß sie genauso wie bei einem Betrieb mit einem Abschlußzeitpunkt vom 31. Dezember abgezogen werden können. Im vorliegenden Fall geht es aber darum, daß abweichend von dem eingangs erwähnten grundsätzlichen Verbot, Vermögensänderungen nach dem Abschlußzeitpunkt zu berücksichtigen, derartige Aufwendungen abgezogen werden sollen. Ein solcher Abzug ist nach § 107 BewG 1965 nur unter dem Gesichtspunkt zulässig, daß sonst eine doppelte Erfassung eintreten würde. Diese läge aber nur bei einer Erhöhung des Wertansatzes der Betriebsgrundstücke vor. Da die Vorentscheidung von einer anderen Rechtsauffassung ausgeht, war sie aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif. Der Abzug der von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen ist nach § 107 Nr. 1 Buchst. b Satz 2 BewG 1965 aus den oben dargelegten Gründen nicht zulässig. Die Klage war deshalb abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 413235 |
BStBl II 1972, 520 |