Leitsatz (amtlich)
Bei der Rückumwandlung einer aus einer Betriebsaufspaltung hervorgegangenen Betriebs-GmbH auf die Besitzpersonengesellschaft bleibt ein bei der Personengesellschaft entstandener Gewerbeverlust abzugsfähig.
Normenkette
GewStG §§ 10a, 14
Tatbestand
Streitig ist im Gewerbesteuer-Meßbetragsverfahren für die Erhebungszeiträume 2. Halbjahr 1959 und 1960, ob die Gewerbeverluste (§ 10a GewStG) einer Besitzgesellschaft auch dann noch abzugsfähig sind, wenn die Betriebskapitalgesellschaft auf sie umgewandelt worden ist.
Die OHG, bestehend aus A und der Revisionsklägerin (Steuerpflichtige), war bis zum 30. Juni 1959 Besitzgesellschaft, die der Betriebs- und Verkaufs-GmbH Anlagevermögen verpachtet hatte. Durch Beschluß vom 19. August 1959 wurde die GmbH nach den Vorschriften des Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichen Gewerkschaften vom 12. November 1956 (BGBl I 1956, 844) mit Wirkung vom 30. Juni 1959 auf die Besitz-OHG umgewandelt.
Mit Wirkung vom 1. Juli 1959 schied der Gesellschafter A aus der OHG aus, die nunmehr von der Steuerpflichtigen als Einzelunternehmen weiterbetrieben wurde.
Die Steuerpflichtige machte die bei der OHG in den Erhebungszeiträumen von 1955 bis 30. Juni 1959 entstandenen Gewerbeverluste in Höhe von insgesamt 756 642 DM in Höhe des sie persönlich belastenden Betrages, also zur Hälfte (378 321 DM), geltend.
Das FA lehnte in den vorläufigen Gewerbesteuermeßbescheiden den Abzug des Gewerbeverlustes ab, da das jetzige Einzelunternehmen mit der früheren Besitzgesellschaft nicht mehr identisch (unternehmensgleich) sei.
Die Sprungberufung der Steuerpflichtigen blieb ohne Erfolg.
Das FG, das die Festsetzung der Gewerbesteuermeßbeträge für endgültig erklärte, führte aus, daß die Unternehmensgleichheit des jetzigen Gewerbebetriebs mit dem Gewerbebetrieb der OHG vor der Umwandlung, der die Verluste erlitten habe, verneint werden müsse. Vor der Umwandlung sei die OHG reine Vermögensverwaltungsgesellschaft gewesen. Durch die Umwandlung sei sie ein Fabrikationsunternehmen geworden. Außerdem sei der Gesellschafter A zu Beginn des Wirtschaftsjahres 1959/60 aus dem Unternehmen ausgeschieden. Wegen der tiefgreifenden Änderungen im Aufbau, in der geschäftlichen Betätigung und in der änderung des Abnehmer- und Lieferantenkreises des Personenunternehmens erscheine das jetzige Unternehmen gegenüber dem früheren als ein anderes. Dem stehe nicht entgegen, daß die Besitz-OHG und die Betriebs-GmbH während der Zeit der Betriebsaufspaltung eng miteinander verflochten gewesen seien, so daß wirtschaftlich gesehen ein einheitliches Unternehmen vorgelegen habe. Die jetzige Einzelfirma stelle somit im Vergleich zu ihrem früheren Zustand nicht mehr das gleiche Steuerobjekt dar. Da der Verlustabzug schon aus diesem Grunde zu versagen sei, brauche auf die Frage, ob der Gewerbeverlust mit dem Umwandlungsgewinn zu verrechnen sei, nicht eingegangen zu werden.
Die Steuerpflichtige beantragt mit ihrer Rb., die Vorentscheidung aufzuheben und entsprechend den im Berufungsverfahren gestellten Anträgen den Gewerbeverlust zum Abzug zuzulassen. Zu der vom FG berührten Verrechnung des Gewerbeverlustes mit einem Umwandlungsgewinn führt sie aus, daß dafür kein Raum sei, da die zuständige OFD ungeachtet der juristischen Übertragung der GmbH-Anteile auf die OHG gestattet habe, die Anteile steuerlich als Privatvermögen zu behandeln. Ein Umwandlungsgewinn sei deshalb in der persönlichen Sphäre der Gesellschafter entstanden, während der Gewerbeverlust bei der Gesellschaft eingetreten sei. Um gewerbesteuerliche Auswirkungen der Umwandlung zu vermeiden, sei die Genehmigung der OFD eingeholt worden, die ihrerseits auf einem Schreiben des zuständigen Finanzministeriums beruhe. Die Sache sei danach so anzusehen, als seien die GmbH auf eine neu errichtete Personengesellschaft übertragen und dann diese mit der bestehenden Personengesellschaft vereinigt worden. Daher könne der Umwandlungsgewinn weder zur Gewerbesteuer herangezogen noch mit Gewerbeverlusten saldiert werden.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1)Nach § 10a GewStG (seit 1955) ist bei Gewerbetreibenden, die den Gewinn nach § 5 EStG ermitteln, der maßgebende Gewerbeertrag um die Gewerbeverluste der fünf vorangegangenen Erhebungszeiträume zu kürzen. Das Recht auf die Geltendmachung des Gewerbeverlustes ist, wie sich schon aus dem Wortlaut des § 10a GewStG ergibt, an die Person des Gewerbetreibenden, der den Verlust erlitten hat, geknüpft. Es setzt außerdem voraus, daß die als Gewerbeverlust absetzbaren Fehlbeträge bei demselben Unternehmen entstanden sind, dessen Gewerbeertrag nach § 10a GewStG gekürzt werden soll. Dieses Erfordernis der sogenannten Unternehmensgleichheit ergibt sich aus dem Wesen der Gewerbesteuer als einer Objektsteuer (vgl. Urteil des BFH IV 666/55 U vom 19. Dezember 1957, BFH 66, 548, BStBl III 1958, 210).
a) Die Abzugsfähigkeit des Gewerbeverlustes einer aus einer Betriebsaufspaltung hervorgegangenen Besitzpersonengesellschaft, die inzwischen zu einem Fabrikationsunternehmen geworden ist, kann nicht mit der wirtschaftlichen Einheit der Doppelgesellschaft begründet werden. Besitzpersonengesellschaft und Betriebskapitalgesellschaft stellen gewerbesteuerlich kein einheitliches Unternehmen dar (vgl. BFH-Urteile I 251/60 S vom 7. März 1961, BFH 72, 578, BStBl III 1961, 211; I 123/60 U vom 9. März 1962, BFH 74, 533, BStBl III 1962, 199). Die Betriebe der beiden Gesellschaften sind gewerbesteuerlich getrennt zu behandeln. Die Übernahme des Betriebes der Betriebskapitalgesellschaft durch die Besitzpersonengesellschaft im Wege der übertragenden Umwandlung stellt sich deshalb bei der letzteren als Übergang von einer gewerblichen Tätigkeit zu einer anderen dar. War bisher die Verpachtung des Anlagevermögens Gegenstand des Unternehmens, so war es nach der Umwandlung die Fortführung des Fabrikationsbetriebes und des Vertriebes, die bis dahin den Gegenstand des Unternehmens der Kapitalgesellschaft gebildet hatten.
b) Geht ein Unternehmer von einer gewerblichen Tätigkeit zu einer anderen über, so kommt es für die Beantwortung der Frage, ob der frühere Betrieb als Steuerobjekt fortbesteht, auf den wirtschaftlichen Zusammenhang der neuen mit der früheren Tätigkeit an. Die neue Tätigkeit stellt dann keine Betriebseinstellung des alten Betriebes und Gründung des neuen Betriebes (§ 2 Abs. 5 GewStG) dar, wenn die Tätigkeiten wirtschaftlich, finanziell oder organisatorisch innerlich zusammenhängen (vgl. BFH-Urteil IV 353/60 U vom 1. Dezember 1960, BFH 72, 173, BStBl III 1961, 65). Dieser innere Zusammenhang ist im Verhältnis der aus einer Betriebsaufspaltung hervorgegangenen Besitzgesellschaft zur Betriebskapitalgesellschaft gegeben. Darin liegt der Grund, weshalb der BFH in ständiger Rechtsprechung die Verpachtungstätigkeit der Besitzpersonengesellschaft als einen Gewerbebetrieb behandelt (vgl. BFH-Urteil IV 179/64 U vom 28. Januar 1965, BFH 81, 40, BStBl III 1965, 261, sowie die dort angeführten Entscheidungen). Die Abzugsfähigkeit des auf die Steuerpflichtige entfallenden Gewerbeverlustes wird, wie die Vorinstanz nicht verkannte, durch das Ausscheiden des Gesellschafters A aus der früheren Besitzpersonengesellschaft nicht berührt (vgl. BFH-Urteile IV 666/55 U; IV 167/57 vom 14. Mai 1958, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Gewerbesteuergesetz, § 10 a, Rechtsspruch 11).
2) Die Vorentscheidung muß auch aus einem anderen Grunde aufgehoben werden. Das FG ließ dahingestellt, ob der Gewerbeverlust mit einem bei der Umwandlung der Betriebskapitalgesellschaft entstandenen Gewinn zu verrechnen sei, da es ohnedies zur Versagung des Abzuges gelangte. Da der Senat die Rechtsauffassung des FG nicht bestätigt, ist entscheidungserheblich, ob und in welcher Höhe ein Umwandlungsgewinn, der der Gewerbesteuer unterliegt, entstand.
Auf Anrufung des erkennenden Senats entschied der Große Senat durch Beschluß Gr. S. 1/66 vom 17. Juli 1967 (BFH 91, 393, BStBl II 1968, 344), daß der BFH, wenn sich der Steuerpflichtige mit seiner Revision nur gegen die Versagung des Abzugs eines Gewerbeverlustes bei der Festsetzung des Gewerbesteuer-Meßbetrags wendet, gleichwohl prüfen kann, ob der Steuerpflichtige im Streitjahr einen Umwandlungsgewinn erzielt hat, und zwar auch dann, wenn die Prozeßbeteiligten in dieser Richtung nichts vorgetragen haben. Das ergibt sich daraus, daß Streitgegenstand im steuergerichtlichen Verfahren nicht das einzelne Besteuerungsmerkmal, sondern die Rechtmäßigkeit des die Steuer (den Steuermeßbetrag) festsetzenden Steuerbescheids (Steuermeßbescheids) ist.
Das FG traf zur Höhe des Umwandlungsgewinns keine Feststellungen, so daß der Senat nicht selbst entscheiden kann. Die Steuerpflichtige bezieht sich in ihrem Rb.-Vorbringen auf eine Weisung der Obersten Finanzbehörde des Landes, derzufolge der Umwandlungsgewinn nicht der Gewerbesteuer unterworfen worden sei, obgleich die Beteiligungen zum Betriebsvermögen der Besitzpersonengesellschaft gehört hätten. Da nach der ständigen Rechtsprechung des BFH bei einer Betriebsaufspaltung - und nur darüber ist hier zu entscheiden - die Anteile an einer Betriebskapitalgesellschaft zum notwendigen Betriebsvermögen der Besitzpersonengesellschaft gehören und die mit ihnen wirtschaftlich zusammenhängenden Erträge den Gewerbeertrag (§ 7 GewStG) erhöhen, stand diese Sachbehandlung eindeutig im Widerspruch zur ständigen Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil I 131/59 S vom 8. November 1960, BFH 71, 706, BStBl III 1960, 513). Eine Kürzung des Gewerbeertrags um die Gewinne aus wesentlichen Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft wurde vom Gesetzgeber erstmals mit Wirkung vom Erhebungszeitraum 1962 an vorgeschrieben (§ 9 Nr. 2 a, § 36 GewStG 1962 in der Fassung vom 31. Juli 1963, BGBl I 1963, 566, BStBl I 1963, 560). Die Verwaltung war nicht berechtigt, eine vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Rückwirkung anzuordnen. Daß die Voraussetzungen des § 131 AO vorgelegen hätten, ist nicht erkennbar.
Nach dem angeführten Beschluß des Großen Senats kann die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids nur im Rahmen der von den Prozeßbeteiligten gestellten Anträge geprüft werden. Das FG kann deshalb den Umwandlungsgewinn nur noch insoweit berücksichtigen, als er den von der Steuerpflichtigen geltend gemachten Gewerbeverlust mindert (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 68141 |
BStBl II 1968, 688 |
BFHE 1968, 91 |