Entscheidungsstichwort (Thema)
Absehen von der Steuerfestsetzung bei Nacherklärung von Kapitaleinkünften (StrbEG) durch den mit dem inzwischen verstorbenen Ehegatten zusammenveranlagten Ehegatten
Leitsatz (amtlich)
1. Gibt der überlebende Ehegatte nach dem Tod des mit ihm zusammenveranlagten anderen Ehepartners eine "strafbefreiende Erklärung" nach § 1 Abs.1 Satz 1 StrbEG ab, so führt dies grundsätzlich nicht zu einem Absehen von der Steuerfestsetzung i.S. von § 2 Abs.1 Satz 1 StrbEG gegenüber den Erben. Dies folgt aus der Wertung des § 2 Abs.1 Satz 3 StrbEG und gilt auch insoweit, als der überlebende Ehegatte Erbe geworden ist.
2. § 2 Abs.1 Satz 3 StrbEG steht allerdings der Anwendung der Begünstigungsnorm des § 2 Abs.1 Satz 1 StrbEG auf die Erben dann nicht entgegen, wenn nach den besonderen Umständen eine durch den Erbfall ausgelöste Verpflichtung Dritter zur Anzeige des Kapitalvermögens bei der zuständigen Finanzbehörde (vgl. insbesondere § 33 ErbStG) nicht bestand.
Normenkette
ErbStG 1974 § 33; StrbEG § 1 Abs. 1 Sätze 1, 4, § 2 Abs. 1 Sätze 1, 3
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1 (Klägerin zu 1) wurde letztmals für den Veranlagungszeitraum 1986 mit ihrem im September 1986 verstorbenen Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 2 (Klägerin zu 2) ist die Tochter der Klägerin zu 1 und deren verstorbenen Ehemannes. Dieser wurde von beiden Klägerinnen beerbt.
Der Erblasser besaß erhebliches Wertpapiervermögen. Um welche Art von Wertpapiervermögen es sich handelte und wo dieses deponiert war, hat das Finanzgericht (FG) nicht festgestellt. Die Erträge aus diesem Kapitalvermögen gaben der Erblasser und die Klägerin zu 1 und nach dem Tod des Erblassers die Klägerinnen zu 1 und 2 in ihren Einkommensteuererklärungen bis einschließlich 1987 zunächst nicht an.
Zusammen mit ihrer Einkommensteuererklärung 1988 reichte die Klägerin zu 1 am 19. Juni 1989 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) Nacherklärungen über die in den Veranlagungszeiträumen 1986 und 1987 erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen ein. Daraufhin änderte das FA die Einkommensteuerbescheide 1986 und 1987 und vertrat die Auffassung, daß die auf die Streitjahre 1983 bis 1985 entfallenden Einkünfte aus Kapitalvermögen des Erblassers nachzuversteuern seien. Es erließ deshalb am 18. Dezember 1989 auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützte Einkommensteueränderungsbescheide 1983 und 1984 und am 12. Januar 1990 einen entsprechenden Einkommensteueränderungsbescheid für 1985. Dabei ging das FA davon aus, daß leichtfertige Steuerverkürzungen vorgelegen hätten. Die diesen Änderungsbescheiden zugrundeliegenden Einnahmen aus Kapitalvermögen (1983: 15 000 DM; 1984: 16 000 DM; 1985: 17 000 DM) schätzte das FA, weil die Klägerin zu 1 zur Höhe der Kapitalerträge trotz Aufforderung durch das FA keine Angaben gemacht hatte. Die Änderungsbescheide wurden an die Klägerin zu 1 "zugleich als Rechtsnachfolgerin des ... (Erblassers)" und an die Klägerin zu 2 "als Rechtsnachfolgerin des ... (Erblassers)" gerichtet.
Mit ihren nach erfolglosen Einsprüchen erhobenen Klagen begehrten die Klägerinnen, die Einkommensteueränderungsbescheide 1983 bis 1985 aufzuheben. Sie machten geltend, bei der im Streitfall in Betracht kommenden zweiten Alternative des § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die strafbefreiende Erklärung von Einkünften aus Kapitalvermögen und von Kapitalvermögen (StrbEG) habe es für ein Absehen von der Steuerfestsetzung i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 StrbEG ausgereicht, daß die Klägerin zu 1 für den Veranlagungszeitraum 1986 mit ihrem im selben Jahr verstorbenen Ehemann zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sei. Die von der Klägerin zu 1 abgegebene strafbefreiende Erklärung gelte deshalb auch für ihren verstorbenen Ehemann.
Das FG hat die Klage als unbegründet abgewiesen. § 1 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative i.V.m. Abs. 4 StrbEG sei dahin auszulegen, daß eine Nacherklärung für alle bereits veranlagten Veranlagungszeiträume ab 1986 zu erfolgen habe und in diesen Veranlagungszeiträumen auch die Voraussetzungen der Zusammenveranlagung vorgelegen haben müßten. Letzteres sei hier nicht der Fall gewesen.
Mit ihrer Revision rügen die Klägerinnen die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragen (sinngemäß), die Vorentscheidung sowie die angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheide 1983 bis 1985 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Es hat einen Antrag nicht gestellt.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision der Klägerinnen ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Auf die Revision der Klägerin zu 1 sind die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen insoweit aufzuheben, als sie sich an die Klägerin zu 1 als originäre Steuerschuldnerin richten (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--; vgl. dazu unten 1. a). Im übrigen wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO; vgl. unten 1. b).
1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1, 2. Alternative StrbEG wird in bezug auf hinterzogene oder leichtfertig verkürzte Steuern betreffend die Einkünfte aus Kapitalvermögen für Veranlagungszeiträume vor 1986 ahndungsfrei, wer bis zum 31. Dezember 1990 bei der Finanzbehörde für die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen erhebliche Angaben in den Steuererklärungen für die Veranlagungszeiträume ab 1986 nachholt, berichtigt oder ergänzt. Ahndungsfrei werden nach § 1 Abs. 1 Satz 4 StrbEG auch die mit dem Nacherklärenden zusammenveranlagten Personen. Im Falle einer strafbefreienden Erklärung nach § 1 Abs. 1 StrbEG werden die auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen entfallenden Steuern für Veranlagungszeiträume vor 1986 nicht festgesetzt, wenn insoweit nach § 1 StrbEG Ahndungsfreiheit eintritt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 StrbEG).
a) Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall jedenfalls insoweit vor, als es die Klägerin zu 1 in ihrer Eigenschaft als originäre Steuer(gesamt-)schuldnerin betrifft.
Die Klägerin zu 1 hat ihre zunächst unrichtigen Einkommensteuererklärungen 1986 und 1987, in denen die Einkünfte aus Kapitalvermögen ihres Ehemannes, die dieser in der Zeit vom 1. Januar 1986 bis zu seinem Tod am 19. September 1986 erzielte, und ihre eigenen Einkünfte aus dem von ihrem Ehemann geerbten Kapitalvermögen am 19. Juni 1989 nicht enthalten waren, innerhalb der in § 1 Abs. 1 Satz 1 StrbEG vorgesehenen Frist berichtigt. Gleichzeitig gab sie eine in bezug auf ihre Einkünfte aus Kapitalvermögen vollständige Einkommensteuererklärung 1988 ab. Damit lagen die Voraussetzungen für die Ahndungsfreiheit i.S. von § 1 Abs. 1 StrbEG in ihrer Person vor. Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin zu 1 die aus den Steuerverkürzungen resultierenden Mehrsteuern nicht innerhalb angemessener Frist entrichtet hätte (vgl. § 1 Abs. 2 StrbEG) oder einer der Ausschlußgründe des § 1 Abs. 3 StrbEG vorgelegen hätte, sind nicht ersichtlich. Folglich lagen in der Person der Klägerin zu 1 auch die Voraussetzungen für ein Absehen von der Steuerfestsetzung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 StrbEG vor. Soweit sich deshalb die angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheide 1983 bis 1985 an die Klägerin zu 1 "auch" in ihrer Eigenschaft als "originäre" Steuerschuldnerin richten, sind sie rechtswidrig und deshalb insoweit aufzuheben.
b) Soweit sich die angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheide 1983 bis 1985 an die Klägerinnen in ihrer Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolgerinnen des verstorbenen Ehemannes der Klägerin zu 1 richten, reichen die bisherigen Feststellungen des FG nicht aus, um die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidungen abschließend beurteilen zu können.
aa) Entgegen der von den Klägerinnen vertretenen Ansicht vermochte die von der Klägerin zu 1 nach dem Tode ihres Ehemannes abgegebene strafbefreiende Erklärung nicht ohne weiteres dazu zu führen, daß die Erben des Ehemannes, die Klägerin zu 1 eingeschlossen, in den Genuß des Absehens von der Steuerfestsetzung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 StrbEG gelangten. Aus § 1 Abs. 1 Satz 4 StrbEG folgt nichts anderes. Nach der ersten Alternative dieser Vorschrift werden straffrei "auch die mit dem Erklärenden zusammen veranlagten Personen ...". Eine solche strafbefreiende Wirkung zugunsten einer mit dem "Erklärenden" "zusammen veranlagten Person" konnte indessen die Anzeige der Klägerin zu 1 angesichts des bereits zuvor eingetretenen Todes des Ehemannes nicht mehr entfalten. Es kommt hinzu, daß sich auch der Zweck des § 1 Abs. 1 Satz 4 StrbEG, Spannungen innerhalb der Veranlagungsgemeinschaft vorzubeugen (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 198), durch den Tod des Ehemannes erübrigt hatte.
Auswirkungen der Nacherklärung waren deshalb nur noch in bezug auf ein etwaiges Absehen von der Steuerfestsetzung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 StrbEG) --und zwar gegenüber den Erben-- denkbar. Insoweit muß indessen die in der Sonderregelung des § 2 Abs. 1 Satz 3 StrbEG zum Ausdruck gelangte Wertung beachtet werden, welche die Erben grundsätzlich von der mit dieser Vorschrift gewährten Vergünstigung für den (auch hier vorliegenden) Regelfall jedenfalls insoweit ausschließt, als die Nacherklärung Kapitalvermögen des Erblassers und die hieraus erzielten Einkünfte betrifft. § 2 Abs. 1 Satz 3 StrbEG wirkt auch zu Lasten des Ehegatten, soweit dieser Erbe geworden ist.
Der Grund für den Ausschluß der Erben von der Begünstigungsnorm des § 2 Abs. 1 Satz 1 StrbEG ist darin zu sehen, daß der steuerliche Sachverhalt nach dem Tod des Erblassers regelmäßig durch Anzeigen z.B. von Kreditinstituten nach § 33 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG) aufgedeckt wird (vgl. BTDrucks 11/2157, S. 198), der Steuerfiskus also bereits auf andere Weise als durch die Nacherklärung der Erben Kenntnis von den bislang nicht deklarierten Kapitalvermögen und Kapitaleinkünften des Erblassers erlangen kann. An diesem gesetzgeberischen Motiv für den Ausschluß der Erben von der Vergünstigung des § 2 Abs. 1 Satz 1 StrbEG wird zugleich deutlich, daß der Wortlaut der Ausschlußnorm des § 2 Abs. 1 Satz 3 StrbEG insoweit zu weit geraten ist und der teleologischen Einschränkung bedarf, als von ihm auch solche Konstellationen erfaßt werden, in welchen Erbfälle mangels Bestehens von Anzeigepflichten Dritter schon in abstracto nicht zur Aufdeckung des steuererheblichen Sachverhalts zu führen vermögen. Bei einer solchen Sachlage, die vor allem dann vorliegt, wenn es sich um im Ausland deponiertes Kapitalvermögen handelt, ist der Steuerfiskus zur Aufklärung des Erklärungsdefizits nach wie vor dem Erbfall grundsätzlich auf die Mitwirkung ("Nacherklärung") der Erben angewiesen.
bb) Unter Beachtung dieser Grundsätze wird das FG im zweiten Rechtsgang untersuchen müssen, ob es sich bei dem hinterlassenen Kapitalvermögen um solches handelte, das Dritte (insbesondere gemäß § 33 ErbStG) der zuständigen Finanzbehörde anzuzeigen hatten. Bejahendenfalls steht dem Erfolg der Klage § 2 Abs. 1 Satz 3 StrbEG entgegen, und zwar auch dann, wenn es im konkreten Fall nicht zu einer Anzeige des Dritten kam oder die erstattete Anzeige, gleichviel aus welchem Grund, dem FA nicht zur Kenntnis gelangte.
Verneinendenfalls ist der Klage stattzugeben.
Fundstellen
Haufe-Index 67342 |
BFH/NV 1999, 248 |
BStBl II 1998, 777 |
BFHE 186, 396 |
BFHE 1999, 396 |
BB 1998, 2463 |
BB 1999, 195 |
DB 1998, 2451 |
DB 1998, 2451-2452 (Leitsatz und Gründe) |
DStRE 1998, 979-981 (Leitsatz und Gründe) |
DStZ 1999, 151-152 (Leitsatz und Gründe) |
HFR 1999, 108 |
StE 1998, 746 (Leitsatz) |